Kreuztal. Thomas Grütz ist neuer Leiter des Städtischen Gymnasiums Kreuztal. Die fast einjährige Vakanz ist damit vorbei.,

In ganz wenigen Klassenräumen brennt Licht. Eine Lehrkraft allein, die gerade nicht im Homeoffice ist, macht Distanzunterricht, die Schüler sind weit weg. Ein Schüler allein – einer von 760, der heute als einziger die Notbetreuung braucht. Ein paar Handwerker, die an der Stadthalle nebenan arbeiten. Im Büro zeigt das CO2-Messgerät um die 600 ppm. Eine merkwürdige Zeit, um den neuen Posten anzutreten: Thomas Grütz ist neuer Leiter des Städtischen Gymnasiums Kreuztal.

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Am 14. Januar hat er sein Amt angetreten, fast ein Jahr, nachdem sich sein Vorgänger Herbert Hoß in den Ruhestand verabschiedet hat und seine Stellvertreterin Stefanie Schneider kommissarisch übernahm. Das Bewerbungsverfahren brauchte Zeit, bis der Neue sich im September der Schulkonferenz und im Oktober dem städtischen Schulausschuss vorstellen konnte. Neu? Das war Thomas Grütz 2018, als er vom Gymnasium Olpe kam und in Kreuztal die Oberstufenleitung übernahm.

Das ist der Neue

Er ist nicht von hier, so wenig wie seine drei Vorgänger an der Spitze der Schule, die 2019 ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert hat. Er wohne in einem Ortsteil von Bergneustadt, sagt er, aber ganz nahe an Drolshagen – was den Oberberger zum Sauerländer macht. Was in Olpe und vorher beim Referendariat in Lennestadt von Bedeutung war, im Siegerland aber nicht wirklich einen Unterschied macht. „Irgendwo muss da eine Grenze sein“, ahnt Thomas Grütz, der in Siegen studiert hat. Man merkt das zu Karneval. Wenn nicht gerade Corona ist.

Zur Person

Thomas Grütz (44) kommt aus Bergneustadt. Studiert hat er in Siegen, sein Referendariat am Gymnasium Maria Königin in Lennestadt absolviert. Grütz ist auch examinierter Kirchenmusiker.

Gut zehn Jahre hat er am Städtischen Gymnasium Olpe unterrichtet, bevor er 2018 als Oberstufenkoordinator nach Kreuztal wechselte.

Thomas Grütz unterrichtet Mathe und Musik, ist zudem examinierter Kirchenmusiker, der am Wochenende noch in Drolshagen in der Kirche im Einsatz ist. Musik? Da gibt es in Kreuztal schon einiges – „ich würde mich freuen, das weiter auszubauen.“ Und Theater. „Das war schon immer eine Stärke dieser Schule.“ Dass diese schönen Dinge in diesen Zeiten nicht ganz oben auf dem Arbeitsprogramm des neuen Schulleiters stehen, liegt aber auch auf der Hand. „Ich habe ein bisschen Sorge, dass da durch Corona ganz viel verloren geht.“ Überall, nicht nur in der Schule.

So läuft es im Lockdown

Die Schule läuft im Distanzunterricht. Nicht als 1:1-Übertragung des Stundenplans, sondern mit Wochenplänen und Projekten, nicht mit klassischen Hausaufgaben, sondern auch mal mit einer digitalen Gruppenarbeit oder einem selbstproduzierten Video. „Die Schüler arbeiten ganz anders und viel selbstständiger.“ Auch die Abiturienten kommen klar: Sie fühlen sich gut vorbereitet, haben sie gesagt, und es gibt nach den Osterferien neun Extra-Unterrichtstage nur für die Abiturfächer.

Also alles gut? Wie es den Kindern wirklich geht, bekommen ihre Lehrerinnen und Lehrer nicht mit. „Wir sind im Moment sehr hilflos“, sagt Thomas Grütz. Immerhin hat die Schule demnächst die Möglichkeit, Kindern den Distanzunterricht im Schulgebäude zu ermöglichen, wenn es zu Hause gar nicht läuft. „Das sind zum Glück ganz wenige Fälle.“ Neu eingerichtet wird ein Sorgentelefon am Nachmittag, bei dem die Beratungslehrerinnen Schülern und auch Eltern zuhören. „Wir versuchen, das bestmöglich aufzufangen.“

Bei den Großen ist das schwerer. „Viele machen sich Gedanken“, weiß Thomas Grütz. Nicht darüber, ob ihr Abi weniger wert ist als das von anderen Jahrgängen. Sondern darüber, was eigentlich wird nach der Schule, ohne Auslandsjahr und das ersehnte Reisen, vielleicht noch nicht einmal mit einer endlich wieder „normal“ geöffneten Uni. Und vorher: keine Studienfahrt, keine Mottowoche, kein Abiball. „Der Jahrgang ist wirklich sehr gebeutelt, sagt der Schulleiter und berichtet von einer Videokonferenz nach Schulschluss, mittwochs nachmittags um 5, die sie einfach mal so angeboten haben: „Das ist auf unglaublich große Resonanz gestoßen. Die waren froh, sich einfach mal wieder austauschen zu können.“

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Das ist die Zukunft

In der Pausenhalle stehen 40 Tische und Stühle. Die Klausuren werden jetzt hier geschrieben – das geht, so lange sonst keine Schüler da sind. „Die Stadthalle fehlt uns an allen Ecken und Kanten.“ Das Schulzentrum ist Baustelle – und wird es noch eine ganze Weile bleiben. Wenn die zum Bürgerforum verwandelte Stadthalle fertig ist, geht es an die Erweiterung von Gymnasium und Gesamtschule – eine ganze Etage wird oben drauf gesetzt. Das liegt an steigenden Schülerzahlen, beim Gymnasium aber auch an G 9. Ein ganzer Jahrgang kommt dazu, die jetzige 7 ist der erste Jahrgang, der wieder eine Klasse 10 erlebt. Sie werden, so hofft Thomas Grütz, „in Ruhe mit weniger Druck lernen“ können. Für die, die es weiterhin eilig haben, ist ein Sprinter-Modell in Arbeit, bei dem die Schüler vor oder in der Oberstufe ein Jahr überspringen können.

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Und sonst? Schulleiter Thomas Grütz nennt die Zusammenarbeit mit SV und Eltern, „wir haben eine sehr engagierte Schulgemeinde.“ Dann die Begabtenförderung, die er ausbauen möchte. Und, vor allem, die Digitalisierung, die auch nach Corona weitergehen wird. Digitale Arbeitsweisen werden auch im Präsenzunterricht ihren Platz behalten. „Wir haben ein sehr junges Kollegium“, sagt der 44-Jährige, „die sind sehr experimentierfreudig.“ Die neue Selbstständigkeit soll auch den Schülern nicht genommen werden – vielleicht kommt die Selbstlernstunde in den Stundenplan. Man könnte jetzt noch über den idealen Musikraum reden, auch da hat Thomas Grütz sehr konkrete Vorstellungen. Doch das CO2-Gerät zeigt 900 ppm. Zeit zum Lüften. Und zum Gehen.

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