Siegen. 33-Jähriger verbrachte ein Drittel seines Lebens in Haft. Der Angeklagte beschuldigt seine Opfer und schweigt zu seiner Vergangenheit

Das Vorleben eines Angeklagten ist ein wichtiger Faktor bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung - wenn der Beschuldigte mitspielt. Der 33-jährige Siegener V., der wegen vieler Straftaten vor Gericht steht, tut das nicht. „Wir wissen so wenig über ihn“, stellt Richterin Elfriede Dreisbach am zweiten Verhandlungstag fest.

Siegener greift Mitgefangenen an

V. macht keine Angaben zu den Vorwürfen und schweigt zu seiner Vergangenheit. Sein Strafregister beginnt 2002, da war er 15. Diebstähle, Einbrüche, Körperverletzungen und Drogendelikte reihen sich aneinander. Gut ein Drittel seines Lebens hat er bereits in Haft verbracht und ist selbst dort nicht straffrei geblieben. Nach einem Konflikt mit zwei russischen Mitgefangenen hat V. einen der beiden hinterrücks angegriffen und zu Boden geschlagen. Dafür bekam er zuletzt 2019 acht Monate - auf Bewährung, weil er den Eindruck hinterließ, künftig ein anderes Leben zu führen, auch mit Rücksicht auf seine vierjährige Tochter.

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Diese sei auch bei ihren Gesprächen immer Thema gewesen, berichtet Bewährungshelfer Reinhold Vater. V. sei ihm gegenüber nie aggressiv, allerdings auch nie bereit gewesen, über Sucht mit ihm zu reden, obwohl gerade das aus Vaters Sicht ein erkennbares Problem gewesen sei.

Siegener beschuldigt seine Opfer

Direkte Aggressionen ihnen gegenüber können auch die vernommenen Polizeibeamten nicht bestätigen. Allerdings habe V. bei manchen Vernehmungen unerklärliche Stimmungsschwankungen gehabt, hier freundlich, dann plötzlich aufgebracht und aggressiv. Seitens der JVA Attendorn, wo er seit Sommer in Untersuchungshaft einsitzt, ist von psychischen Auffälligkeiten berichtet worden.

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Deutete sich am ersten Verhandlungstag eine Abneigung gegen Pädophile an, geht der Kreis jener, mit denen V. Probleme hat, offensichtlich weiter. Einen Handy-Diebstahl rechtfertigt V. damit, dass der Bestohlene, den er aus einem Siegener Hotel kenne, das Obdachlose aufnehme, mit gecrackten Handys handele. Er habe das Gerät „aus Jux und Dollerei“ einfach kaputt gemacht. Das Opfer habe ihn später mit einem Taxi verfolgt und auf ihn geschossen. Tatsächlich wurden bei dem Bestohlenen Softair-Pistolen sichergestellt, die aber nicht die beschriebenen Schussgeräusche hätten machen können. Einen angeblichen Handtaschenraub hatte V. so zurückgewiesen: „Wenn er Geld brauche, begehe er Einbrüche. So einen Scheiß mache er nicht.“ Seine Schläge gegen Fremde begründete er immer mit irgendwelchen Verdächtigungen gegen diese.

Ex-Freundin soll in Siegen aussagen

Die Mutter des Angeklagten, dessen Bruder ähnlich straffällig ist, macht von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Ihr Ex-Mann, der für einige Jahre Stiefvater des V. war, kann auch nicht viel beitragen. Er hatte den Angeklagten erstmals „um 2011/12 bei einem Besuch im Vollzug getroffen und ihm eine Stelle besorgt, die sogar eine vorzeitige Entlassung bewirkte. „Er hat sie allerdings nie angetreten.“ Danach habe es Streit gegeben und V. sei ausgezogen, ansonsten seien sie gut miteinander ausgekommen

Am 21. Januar geht es weiter. Bis dahin sollen die Ex-Freundin des Angeklagten ausfindig gemacht und ein paar andere Beweismittel besorgt werden. Dann soll auch der psychiatrische Sachverständige sein Gutachten vorstellen, das eigentlich schon an diesem Verhandlungstag eingeplant war. „Das machen wir alles nur, weil Sie nichts sagen“, sagt die Vorsitzende zu V. Seine Ex könne auch nichts über ihn sagen, antwortet dieser.

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