Siegen. Das Gewerbegebiet Martinshardt II soll laut Antrag von CDU und SPD im Rat Siegen “ressourceneffizient“ werden. Die Grünen haken nach.

Am Klimaschutz scheiden sich in der Siegener Kommunalpolitik nach wie vor die Geister – und wenn es nur die Begrifflichkeiten sind. „Reine Wortklauberei“ raunzte CDU-Fraktionschef Frank Weber in Richtung seines Amtskollegen Michael Groß von den Grünen. Der hatte sich in der jüngsten Ratssitzung auf das Wort „ressourceneffizient“ aus einem CDU/SPD-Antrag eingeschossen – so soll nach dem Willen der schwarz-roten Kooperationspartner das Gewerbegebiet Martinshardt II entwickelt werden.

Mögliche Maßnahmen laut Antrag wären:

- Verkehrsoptimierung, etwa zentralisierte Parkflächen oder Pendelbussysteme innerhalb des Gewerbegebiets, auch denkbar mit autonomen Fahrzeugen, sowie in Abstimmung mit den Unternehmen spezielle Buslinien, die etwa abhängig von Schichtbetrieben Beschäftigte transportieren, die so auf individuelles Pendeln verzichten können;

- Ladestationen für E-Bikes und -Autos sowie Radweganbindung, um die Verkehrssituation unter ökologischen Aspekten zu verbessern bzw. Flächen zu gewinnen für die Produktion der im Industriegebiet ansässigen Unternehmen;

- Energieversorgung durch Photovoltaik- und Windkraftanlagen, Heiz- und Prozesswärme durch Sonnenkollektoren, Blockheizkraftwerke oder Nahwärmenetze sowie die Nutzung von Niederschlags- als Brauchwasser;

- Energie- und flächensparendes Bauen durch kompakte, mehrstöckige Gebäude über möglicherweise unterirdischen Parkdecks oder ein zentrales Parkhaus.

Siegen: Grüne betrachten Klimaschutzantrag für Martinshardt II als "weichgespült"

Die Stadt Siegen solle hier als Netzwerker fungieren, um Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzugehen, heißt es weiter. Gleichzeitig gelte es, Stadtentwicklung und Wohlstand der Bevölkerung auch langfristig sicherzustellen. Weil sich in einem Gewerbegebiet viele Unternehmen gemeinsame Infrastruktur teilen, mache es Sinn, Synergieeffekte hin zu mehr Effizienz und gleichzeitig Nachhaltigkeit zu nutzen. Bisher, so CDU und SPD, sei Effizienzsteigerung meist eher Sache jedes einzelnen Unternehmens.

Den aus ihrer Sicht in Sachen Klimaschutz „weichgespülten“ Antrag versuchten die Grünen umgehend auseinanderzunehmen. „Was bedeutet ‘ressourceneffizient’?“, fragte Michael Groß süffisant. „Im industriellen Kontext sagt der Begriff nichts über Nachhaltigkeit aus.“ Auch die einzelnen Punkte seien kein klarer Auftrag an die Verwaltung. „Sie suggerieren Klimaschutz, aber scheuen klare Ansagen – ein uraltes Problem in Siegen, wie immer wenn es was zu entscheiden gibt“, sagte Groß. „CO2-neutral“ wäre der richtige Begriff, sekundierte Fraktionskollege Joachim Boller.

Siegen: CDU und SPD möchten Klimaschutzpotenziale des Gewerbegebiets Martinshardt II prüfen lassen

„Die Begrifflichkeit ist vollkommen egal – der Antrag kommt nicht von den Grünen, also ist er nicht gut“, keilte Frank Weber zurück. Völlige Klimaneutralität könne schon aus Kostengründen nicht funktionieren – aber das sei den Grünen ja egal. „Wir möchten, dass geprüft wird, was überhaupt geht.“ Denn es sei wichtig, die Ansiedlung von Unternehmen nicht zu verhindern – ohne funktionierende Unternehmen sei die Stadt Siegen dauerhaft gar nicht in der Lage, in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren.

Die Verwaltung könne mit dem Antrag sehr gut leben, sagte Bürgermeister Steffen Mues. „Wir prüfen die Frage der Klimaneutralität.“ Es mache keinen Sinn, den Bürgern etwas zu suggerieren und es dann nicht zu machen, „weil keine Firma so bauen will. Die Siegener Unternehmen haben zur Zeit ganz andere Sorgen.“

In Richtung der Grünen betonte Mues: „Sie können sich darauf verlassen, dass Klimaschutz einen sehr hohen Stellenwert bei der Stadt Siegen hat.“ CDU, SPD und vereinzelte Stadtverordnete anderer Fraktionen stimmten für den Antrag. Man könne diese „Verhinderungspolitik der neuen Fundamentalopposition mit Schwarz-Weiß-Brille“ nicht nachvollziehen, so die CDU in einer nachträglichen Presseverlautbarung.

Stadt Siegen rechnet für 2022 mit ersten Ansiedlungen im Gewerbegebiet Martinshardt II

Die Stadt geht davon aus, dass im Gewerbegebiet Martinshardt II noch deutlich mehr Beschäftigte arbeiten werden als in den beiden Nachbar-Industriegebieten Oberes Leimbachtal und Martinshardt I zusammen. Entsprechend größer sind die Potenziale für gemeinschaftliche Maßnahmen in Sachen Nachhaltigkeit. Seit 2019 bereitet die Stadt Siegen die Erschließung des riesigen Areals oberhalb des bisherigen Gewerbegebiets Martinshardt vor: 14 Hektar Nutzfläche sollen im Gewerbegebiet Martinshardt II entstehen, so viel wie Martinshardt I und Oberes Leimbachtal zusammen. Dazu muss der Boden 20 Meter abgesenkt werden, die Hügelkuppe wird abgesenkt. 2022 soll das Gebiet so weit erschlossen sein, dass sich die ersten Unternehmen ansiedeln können.

Einen Kommentar von Hendrik Schulz zu diesem Thema finden Sie hier.

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