Netphen. Die Ruanda AG des Gymnasiums Netphen steht bei einem bundesweiten Wettbewerb auf dem Siegertreppchen. Der Bundespräsidint gratuliert.

Die Moderatorin sagt „Nefen“. Boaaaaah. Die elf Mädchen und Jungen, die im Netphener Ratssaal in den Plexiglaskästen Platz genommen haben, die vor Covid 19 schützen sollen, finden das nicht besonders wertschätzend. Aber es wird schnell wieder still. Gleich werden, per Videokonferenz, die Preisträger von „Alle für eine Welt für alle“, des Schulwettbewerbs zur Entwicklungspolitik, für alle bekanntgegeben.

Alles digital: Für die Preisverleihung reisen die Kinder aus Netphen nicht nach Berlin. Der Bundespräsident kommt zu ihnen in den Ratssaal
Alles digital: Für die Preisverleihung reisen die Kinder aus Netphen nicht nach Berlin. Der Bundespräsident kommt zu ihnen in den Ratssaal © WP | Steffen Schwab

Der Höhepunkt

Die Grundschulen sind in fünf Minuten durch, jetzt ist die Kategorie 2 dran, die Klassen 5 bis 7. Der 3. Preis geht nach Dorsten. Eckhard Göbel, der Leiter des Gymnasiums, jubelt der Ruanda AG lautlos zu. Zweiter Platz? Oder sogar der erste? Es wird der zweite, dotiert mit 1000 Euro. Im Erklärfilm, den ein Team aus Berlin schon vor ein paar Wochen in Netphen gedreht hat, sind ein paar Sekunden für die Botschaft übrig: Wie die Netphener auch hier auf Augenhöhe mit den Partnern aus Ruanda gearbeitet haben. Dass die Straßenkinder, die von der Root Foundation in Kigali gefördert werden, viel weniger Kippen einsammeln mussten als die Netphener. „Das mit den Zigaretten fand ich toll“. sagt dann noch Prof. Dr. Claudia Warning, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die im Auftrag des Ministers gratuliert. Und schon gehts weiter.

Der Hintergrund

Die Ruanda AG ist Preisverleihungen gewöhnt. Nicht alle elf, die jetzt im Saal sind. Aber ein paar von den Siebt- und Achtklässlern, die schon seit der 5 dabei sind. Die Ruanda AG, die 2015 an der damals noch bestehenden Realschule startete, hat schon ganze Generationen von Schülern beschäftigt. Zuerst als Multimedia-Projekt „Mach dir ein Bild“, danach als Umweltprojekt „No Plastics“, dann mit Theater zum Thema Glück. Und zwischendurch auch noch die Kippen, Titel: „Thursdays For Future.“ Weil sie sich donnerstags treffen. Immer „Auf Augenhöhe“, so das Leitmotiv der Partnerschaft, mit Kigali: Erfahrungen werden geteilt. Und das gewonnene Geld auch. Erst vor kurzem ein weiteres Mal den 1. Platz bei den Aqua Awards der Naturschutzjugend des Nabu. Und der Klimaschutzpreis von Innogy kommt auch noch.

Ursula Wussow ist die Erfinderin der Ruanda AG, die Lehrerin hat das Projekt von der Realschule ans Gymnasium mitgebracht. Dass die Kinder nicht, wie vor zwei Jahren, zur Preisverleihung nach Berlin fahren können, tut ihr leid. „Wir werden trotzdem zusammen wegfahren, vielleicht in die Eifel.“ Wenn das klappt, wäre ein Eifelranger dabei. Denn, so kündigt Ursula Wussow an, „ich habe noch was vor.“ Das nächste Thema mit Ruanda wird der Klimawandel. Hier haben sie die sterbenden Fichten und die Borkenkäfer, dort den Dschungel und die Gorillas. Die Lehrerin wird dann Pensionärin sein, mit 63 wird sie zum Ende des Schulhalbjahr ausscheiden, früher als eigentlich geplant. Der Unterricht unter Corona-Bedingungen, gibt sie zu, ist nicht ihr Ding, nur frontal, manchmal nur digital.

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Die Glückwünsche

„Corona ist Mist“, hat Ursula Wussow zur Begrüßung im Ratssaal gesagt, „aber es gibt auch schöne Seiten.“ Wie die, das auf einmal ganz viele Menschen gratulieren. Zuerst der Bürgermeister: „Ihr müsst euren eigenen Weg finden“, ermutigt Paul Wagener die jungen Leute, „versuchen, sich auch irren, daraus lernen.“ Dann Eckhard Göbel: „Berlin ist eine Reise wert. Und wir fahren auch wieder hin.“ Schließlich Silvia Glomski, beim Start des Ruanda-Projekts noch Leiterin der Realschule, jetzt Vorsitzender des städtischen Schulausschusses: „Ich wünsche euch, dass ihr eines Tages in Ruanda aufschlagt. Dann wird es ein Flugzeug geben, in das ihre alle einsteigen könnt...“

22 Preisträger

Rund 500 Schulen aus ganz Deutschland haben sich an dem Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik beteiligt. 22 wurden in fünf Kategorien als Preisträger ausgezeichnet.

Vorsitzende der Jury war Heidi Weidenbach-Mattar, Ständige Vertreterin des Generalsekretärs der Kultusministerkonferenz.

Die Übertragung aus Berlin beginnt. Minister Gerd Müller spricht, hat eine Idee: Alle 22 Schulen, die heute ausgezeichnet werden, könnten sich doch bemühen, klimaneutrale Schulen zu werden. „Wie das geht, können wir euch zeigen.“ Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier blockt ebenfalls nach vorn: „Man muss nicht Minister oder Bundespräsident werden, um die Welt zu verändern. Bewahrt diesen Mut, bewahrt diese Tatkraft.“

Dann – der Preis. Die Mädchen von der Ruanda AG bleiben ganz still. Als ob sie es nicht glauben könnten, dass sie die Zweitbesten von ganz Deutschland sind. Und die Moderatorin Johanna Klotz hat „Netphen“ gesagt, richtig „Netphen“.

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