Weidenau. Das Ev. Gymnasium Siegen setzt in der Corona-Pandemie auf ein Hybridmodell. In den ersten Wochen sind die Erfahrungen überwiegend positiv.
Der Unterricht am Ev. Gymnasium Siegen (Evau) findet seit dem 23. November nach einem Hybridmodell statt. Die Schüler werden in Gruppen aufgeteilt, die abwechselnd in der Schule und von zuhause aus lernen. Bislang sind die Erfahrungen mit dem neuen System positiv – staatliche Schulen dürfen ein solches Modell aber noch nicht umsetzen.
Ev. Gymnasium Siegen: Körperliche Unversehrtheit steht an erster Stelle
Die fünften und sechsten Klassen und die Q2 haben weiterhin Präsenzunterricht, das Hybridmodell betrifft lediglich die Schülerinnen und Schüler von der Stufe 7 bis zur Q1. Die Klassen dieser Jahrgangsstufen werden jeweils halbiert und in einer A- und B-Woche abwechselnd in der Schule und zuhause unterrichtet. Klausuren finden grundsätzlich in der Schule statt und werden von der Klasse gemeinsam geschrieben.
Die Lehrer sollen darauf achten, bei der Unterrichtsplanung die A- und B-Wochen als Einheit zu sehen, erklärt Frank Einheuser, didaktischer Leiter am Evau. Der Distanzunterricht kann beispielsweise gut zu Erarbeitung von Lehrstoff genutzt, in den Präsenzwochen kann darüber diskutiert werden.
Das Infektionsgeschehen und die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts brachten die Verantwortlichen der Schule dazu, das Konzept für den Hybridunterricht zu entwickeln und schließlich auch umzusetzen, sagt Frank Einheuser. Auch das christliche Leitbild der Schule habe die Überlegungen stark geprägt. Die körperliche Unversehrtheit der Schüler stehe über allem, so Einheuser. Die Erfahrungen mit dem neuen Modell seien bisher gut. Das führt er auch darauf zurück, dass es sorgfältig geplant und im Vorfeld mit allen im Schulumfeld aktiven Gruppen abgesprochen wurde.
„Von der Politik und der Bezirksregierung fühlen wir uns gar nicht unterstützt“, sagt Frank Einheuser. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer möchte am Präsenzunterricht festhalten. Das Evau ist eine „Ersatzschule“ in Trägerschaft des Ev. Kirchenkreises Siegen, deshalb konnte das Gymnasium das Hybridmodell umsetzen.
Siegener Gymnasium zieht Lehren aus erstem Lockdown
Bei der Planung des Hybridunterrichts spielten die Erfahrungen aus dem Frühjahr eine wichtige Rolle, erklärt Einheuser. Nach dem ersten Lockdown und dem vorübergehenden Distanzunterricht wurden am Evau noch vor den Sommerferien Maßnahmen beschlossen, um die digitale Infrastruktur zu verbessern. Dazu gehört, dass jeder Schüler ein digitales Endgerät besitzen soll. Der stellvertretende Schulleiter Thomas Süßenbach erarbeitete ein Leasing-Modell für iPads: Schülerinnen und Schüler können für eine geringe monatliche Rate ein Apple-Tablet von der Schule bekommen, nach zwei Jahren können sie es wenn gewünscht übernehmen. Dieses Angebot werde von vielen genutzt, berichtet Frank Einheuser.
Außerdem wurden zusätzliche LTE-Router verbaut, die eine stabilere Verbindung ermöglichen. Vier Lehrkräfte des Evau führen seit Ausbruch der Pandemie aufgrund einer Vorerkrankung keinen Präsenzunterricht mehr durch. Sie unterrichten ihre Klassen, auch wenn diese in der Schule sind, von zuhause aus. Eine zusätzliche Aufsichtsperson, etwa ein Studierender im Praxissemester, begleitet den Unterricht vor Ort. „Die digitale Kommunikation funktioniert exzellent“, resümiert Frank Einheuser.
Soziale Isolation wird vermieden
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Mit Fragebögen an Eltern, Schüler und Lehrer wird überprüft, wie das Hybridmodell ankommt. So werden Probleme und Missverständnisse identifiziert und ausgeräumt.
„Viele hatten die Erwartung, dass die Schülerinnen und Schüler permanent per Videokonferenz zugeschaltet sind“, nennt Einheuser ein Beispiel. Zwar müsse während der Unterrichtszeit jeder erreichbar sein – die Schüler für die Lehrer und umgekehrt – das hieße aber nicht, dass alle permanent vor dem Bildschirm sitzen sollen – im Gegenteil: „Zu hohe Bildschirmzeiten sind unheimlich anstrengend für die Schüler zuhause“. Das Präsenzmodell für die Klausuren und die Leistungsbeurteilung während des Distanzunterrichts sind weitere „Knackpunkte“, an denen zurzeit noch gearbeitet wird.
Während der kompletten Schulschließung klagten viele Schülerinnen und Schüler über die fehlenden sozialen Kontakte. Diese Gefahr bestehe mit dem Hybridmodell nicht mehr. Einzelne Schüler kämen jedoch mit der Lernsituation nicht so gut klar wie andere und drohten abgehängt zu werden. Dieser Herausforderung möchte das Evau mit vermehrten Beratungsangeboten begegnen, erklärt Einheuser. Viele berufstätige Eltern seien unsicher, was sie leisten müssen, um ihre Kinder fachlich zu unterstützen, während sie zuhause unterrichtet werden. „Das sollte überhaupt nicht der Fall sein, das sollte die Schule leisten“, stellt Einheuser klar.
Corona treibt die Digitalisierung voran
Einhundertprozentig ideal sei das Hybridmodell noch nicht, sagt Frank Einheuser, „wir sind auf dem Weg.“ Gewonnene Erkenntnisse werden auch in den Unterricht nach der Corona-Zeit Einzug halten, davon ist er überzeugt. Am Evau wurde der vergangene Elternsprechtag komplett digital abgehalten – „das hat wunderbar funktioniert“. Das heiße nicht, dass in Zukunft immer alles ausschließlich digital ablaufe, Mischmodelle könne er sich aber gut vorstellen. Das käme gerade auch den berufstätigen Eltern entgegen. In jedem Fall habe die Krise zu einem großen technologischen Sprung an der Schule geführt, sagt Einheuser mit Blick auf den Jahresbeginn. „Wenn uns da jemand gesagt hätte, wie wir jetzt digital aufgestellt sind, hätten wir das nicht geglaubt.“
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