Siegen. Der Drucker und Verleger Christoph Corvin lebte und arbeitete drei Jahre lang in Siegen. Für Hohe Schule und Stadt war er von einiger Bedeutung.

Geschichte wiederholt sich auf verschiedene Arten. Wo heute die Bibliothek am Campus Unteres Schloss Studierenden Zugang zu Lektüre bietet, standen Ende des 16. Jahrhunderts die Druckerpressen von Christoph Corvin, um Lehrende und Lernende der Hohen Schule mit Büchern zu versorgen. Welchen Einfluss und welche Bedeutung Corvin, Buchhersteller und Verleger mit internationalem Netzwerk, in und für Siegen hatte, zeichnet Christian Brachthäuser in seinem neuen Buch „Buchdruckkunst in der Grafschaft Nassau“ nach.

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„Es war natürlich auch Marketing. Corvin war ein Aushängeschild für die Hohe Schule“, sagt Bibliothekar Christian Brachthäuser. Der Mitarbeiter des Stadtarchivs Siegen hat mehr als ein Dutzend Bücher zu geschichtlichen Themen veröffentlicht. Auf Corvins Wirken an der universitätsähnlichen Hohen Schule, 1584 von Graf Johann VI. zu Nassau in Herborn gegründet und in der Zeit ihres Bestehens zwei mal nach Siegen (und wieder zurück) verlegt, wurde er bei der Arbeit am Vorgänger-Band aufmerksam. Darin untersuchte er den Einfluss der Franziskaner auf Siegen – und fragte sich anschließend, „was mit dem Franziskanerkloster nach der Säkularisierung geschah“. Außerdem jährt sich Corvins Todestag 2020 zum 400. Mal.

Siegen: Wie aus dem Franziskanerkloster die Hohe Schule wurde

Das Kloster stand dort, wo heute Karstadt steht. Die Mönche wurden im Zuge der Reformation 1534 des Landes verwiesen, nach anderen Nutzungen wurde das Gebäude von 1594 bis 1599 Standort der Hohen Schule, der „Academia Nassauensis“. Grund für den Umzug: „Graf Johann der VI. zeigte sich in höchstem Maße unzufrieden mit der Infrastruktur in Herborn“, erklärt Christian Brachthäuser. Siegen war besser angebunden, ein wichtiges Argument, um auch Studenten von weiter weg zu gewinnen, unter anderem aus den Niederlanden.

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Eine Einrichtung dieser Art, noch dazu mit überregionaler Anziehungskraft, diente selbstverständlich dem Ansehen des Landesherrn. Ein entscheidender Grund für die Unterhaltung eines solchen Zuschussprojekts sei aber gerade in Zeiten heftiger konfessioneller Auseinandersetzungen noch ein ganz anderer gewesen, wie Christian Brachthäuser erläutert: „Es ging darum, das reformierte, calvinistische Weltbild mit einem institutionalisierten Bildungsbetrieb nach außen zu senden und die Absolventen auf Linientreue zu bringen. Es war auch eine Kaderschmiede.“ Und da kommt Christoph Corvin ins Spiel.

Was Christoph Corvin für die Arbeit an der Hohen Schule in Siegen prädestinierte

„Corvin war Calvinist, hatte das Know-how und das Netzwerk“, beschreibt der Autor, was den gebürtigen Züricher für den Job prädestinierte. Er bezog von 1595 bis 1598 Quartier im ehemaligen Franziskanerkonvent. Von den rund 1000 Titeln, die er insgesamt hergestellt hat, entstanden etwa 50 in Siegen – Auftragsarbeiten für den akademischen Bereich nach den Vorstellungen des Landesherrn. Weitestgehend seien sie noch erhalten, teilweise auch in den Beständen des Stadtarchivs: häufig Übersetzungen bestehender Werke, auch Nachdrucke, bei deutschsprachigen Autoren auch Exklusivtitel. Die Liste „veranschaulicht den Lehrbetrieb in Siegen – mit welcher Literatur den Studenten das Rüstzeug an die Hand gegeben werden sollte.“

Ständig im Austausch

Mit der Hohen Schule „war Siegen kein Global Player, aber eingebunden in ein internationales Netzwerk“, sagt Christian Brachthäuser. „Und es ist einfach spannend, das Netzwerk reformierter Gelehrter zu rekonstruieren.“

Einrichtungen wie die Hohe Schule hätten keineswegs lokal im eigenen Saft geschmort. „Schon damals wurde Wert auf den internationalen Diskurs gelegt. Man war bestens im Bilde, welcher Autor sich gerade um welches Projekt kümmerte – und Corvin verfügte über Kontakte in ganz Europa.“

Das 220-seitige Buch mit vielen Abbildungen ist im Universi-Verlag der Uni Siegen erschienen. ISBN: 978-3-96182-061-0, Info: universi.uni-siegen.de

In Corvins Werkstatt entstand Fachliteratur für angehende Staatstheoretiker, Theologen, Juristen, Philosophen oder Mediziner, geprägt im calvinistischen Geiste des Landesherrn. Als 1597 die Pest in Siegen ausbrach, die Studenten aus der Stadt flohen und der Lehrbetrieb zum Erliegen kam, verlegte Corvin aber „auch seelsorgerische Titel, um Trost zu spenden“, sagt Christian Brachthäuser. Diese Erzeugnisse sollten nach Wunsch des Grafen „zur Erbauung in Notzeiten“ dienen und Predigern und Multiplikatoren Impulse für den Umgang mit der oft noch nicht des Lesens mächtigen einfacheren Bevölkerung geben.

Christoph Corvin an der Hohen Schule in Siegen: Imagegewinn für beide Seiten

Reich wurde Corvin als Chefdrucker der Hohen Schule übrigens nicht. „Tatsache ist: Er hat ein bescheidenes Salär bekommen“, wie Christian Brachthäuser herausgefunden hat. Zusätzlich erhielt er Brennholz, Unterkunft, Leistungen in Naturalien. „Er hatte wirtschaftlich sein Auskommen.“ Gegangen sei es dem Mann mit den Verbindungen zu internationalen Koryphäen wie William Whitaker und Johannes Piscator oder dem französischen Staatsmann Philippe de Mornay vermutlich um etwas Anderes. „Er konnte hier in Ruhe arbeiten. Und akademieeigener Drucker in der Grafschaft Nassau zu sein, das ist war natürlich auch ein Imagefaktor.“

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