Siegen. Die Stimmung in der Siegen-Wittgensteiner Wirtschaft hellt sich langsam auf, die Lage aber bleibt kritisch. Das liegt auch an geringerer Kauflust

Die heimische Wirtschaft ist verletzlich. Nach dem Corona-bedingten Lockdown im Frühjahr war der Konjunktureinbruch drastisch. Zwar sei die Stimmung inzwischen deutlich besser, die Geschäftslage bleibt aber bei vielen Unternehmen angespannt, wie Felix Hensel, Klaus Gräbener und Stephan Häger von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen sagen. Das zeigt eine Umfrage bei 543 Unternehmen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe.

Doch auch wenn die Erwartungen an eine bessere Wirtschaftslage optimistischer werden: Nur etwa die Hälfte der Unternehmen rechneten frühestens ab Mitte 2021 mit einer Rückkehr zur normalen Geschäftstätigkeit. Viele weitere sogar erst ab 2022.

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Absturz nach der Hochphase auch in Siegen-Wittgenstein

Und einigen werde sie womöglich gar nicht gelingen, vermutet die Geschäftsführung der IHK. Nach vielen Jahren der Hochphase sei der steile Absturz durch Corona jetzt besonders extrem.

Hinzu komme der Strukturwandel, von dem die Automobilindustrie besonders betroffen sei. „Dort wird es womöglich nie wieder so sein wie vorher“, sagt Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. Doch die in Nordrhein-Westfalen (NRW) so industriestarke Region habe einen Vorteil: „Wir haben hier viele Unternehmen mit hoher Eigenkapitalquote“, sagt Gräbener. Eine solche Krise könnten sie durchaus längere Zeit überstehen. Wer allerdings vorher schon Probleme hatte, „strauchelt jetzt sehr“.

Die Liquidität etlicher Unternehmen sei belastet, die Umsatzeinbußen sehr hoch. „Wir werden mit Insolvenzen rechnen müssen.“ Und: Die Exportabhängigkeit der heimischen Wirtschaft sei in diesen Zeiten ein besonders großer Nachteil. „Das Auslandsgeschäft war über Jahre hinweg unser Wachstumsmotor, heute erweist es sich als Achillesferse“, so Gräbener.

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Bei den regionalen Industrieunternehmen brachen die Auslandsumsätze in den ersten sieben Monaten um 19 Prozent ein. Sollte das so weitergehen, bedeute das allein in dem Bereich 1,3 Milliarden Euro weniger Umsatz als noch im Jahr 2019.

Ein weiterer Lockdown in NRW „wäre der Gau“, betont Gräbener. Schlimm genug wäre aber bereits, wenn die anderen Staaten die Schotten dicht machten. „Das will man sich gar nicht ausmalen.“

Die Stimmung in der Siegen-Wittgensteiner Wirtschaft wird besser

Doch während der Corona-Krise gebe es nicht nur Verlierer: „Es gibt immer welche, die verdienen gut im Moment“, sagt Gräbener. Der Bausektor habe es nahezu unbeschadet durch die Corona-Krise geschafft. Doch auch diese Betriebe rechneten mit einem Umsatzrückgang im nächsten Jahr, schon jetzt werde häufiger von weniger Aufträgen berichtet. Etwas verbessert habe sich die Stimmung im Gastgewerbe, über den Berg sei es aber noch nicht. Vor allem der Blick in Richtung Herbst und Winter bereite den Betreibern Sorgen, wenn das Außengeschäft wegbricht.

Besser geworden sei die Lage des Einzelhandels. Zumindest teilweise, so Gräbener. Denn die Einschätzungen in der Branche seien völlig verschieden: „E-Bikes zum Beispiel boomen, Möbelverkauf und Outdoor-Artikel auch“, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer. „Bekleidung aber eher nicht.“

Menschen bleiben im Sparmodus

Das größte Problem dabei sei, dass die Leute weiterhin wenig kauften. „Die Sparquote der Menschen ist gestiegen, das Geld ist also da“, so die Geschäftsführung. Die Unsicherheiten blieben aber, viele sind nach wie vor in Kurzarbeit. „Dem Wirtschaftskreislauf nutzt es nichts, wenn nur gespart wird“, eine Lösung dafür sähen sie aber nicht. Auch die Mehrwertsteuersenkung habe nichts gebracht, „die meisten sehen gar keinen Effekt“.

Ein Ende der Krise könne man derzeit nicht benennen. Aber: „Wir hoffen, dass sich die Wirtschaft zum Jahreswechsel erholt.“ Doch „jeder, der meint, das wird jetzt einfach wieder gut, der hat den Knall nicht gehört. Das Tal der Tränen wird uns wohl noch länger begleiten“, sagt Gräbener.

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