Deuz. Siegen-Wittgensteins Landrat Andreas Müller ist jetzt „Qomplize“ des Werkstattprojekts mitten im alten Deuz.

Landrat Andreas Müller ist jetzt „Qomplize“. Gabi Schlemper vom Verein Qulturwerkstatt hat ihm die Urkunde jetzt überreicht – im Tausch für den ersten Regionale-Stern, den der Landrat in den Kulturausschuss mitgebracht hatte. Dort stellten Gabi Schlemper und Christine Loth das Projekt vor, das sie in Deuz realisieren.

Der 3. Ort

Ihre Qulturwerkstatt ist schon jetzt ein „Dritter Ort“: „Ankerpunkt für kulturelle Vielfalt, Beitrag der Kultur zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, zur Schaffung von gleichwertigen Lebensverhältnissen und zur Stärkung von Identität“ – so die Beschreibung aus dem NRW-Kulturministerium, um dessen Förderung sich der Verein mit Untersützung der Stadt nun für eine zweite Förderphase bis 2025 bewirbt. „Dritter Ort“, erklärt es Kulturbüro-Leiter Jens von Heyden etwas einfacher, kommt von der Rangfolge: Gemeinschaft und Begegnung nach Wohnen (Ort Nummer 1) und Arbeiten (Ort Nummer 2). „Wir wollen Kunst und Kultur im ländlichen Raum erlebbar machen“, sagt Gabi Schlemper.

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Das Haus

Die Deuzer Architektin hat das Wichtigste beigesteuert, nachdem Stefan Bünnig, der Filmemacher, und Giulia Gendolla, die Theaterpädagogin, noch nicht lange aus Stuttgart nach Salchendorf zurückgekehrt, die Idee der Qulturwerkstatt die Welt setzten: Gabi Schlemper hatte gerade die Immobilie in der Deuzer Zaunstraße von ihrem Vater geerbt – und Gefallen an der Idee gefunden. Einen Teil der ehemaligen Schreinerei habe sie wieder an einen jungen Tischler vermietet, erzählt sie, und dann Wohnung und Holzlager leer geräumt. Unten neben der Tischlerei, entstehen ein kleines Werkstatt-Qafé und die große Qulturwerkstatt für Theater, Kino, Musik und Workshops. Oben sind das Qaminzimmer für Bewegung und Seminare und die Qüche, in der nachhaltig und regional gekocht und gespeist werden soll. Holz soll auf alle Fälle eine große Rolle spielen, nicht nur wegen der Tischlerei. „Wir sind ja auch Waldgenossen“,berichtet Gabi Schlemper.

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Dass der Idee schnell Taten folgten, liegt nicht nur an den 50.000 Euro Landeszuschuss für die Startphase, sondern vor allem an der Energie des erst im vorigen Jahr gegründeten Vereins: Rund 75 Mitglieder sind in fünf Arbeitsgruppen aktiv. Sie kümmern sich um die Räume, bereiten die Angebote vom Kochen bis zur Ausstellung vor. Und sie sind für die „externen Orte“ zuständig. Womit nicht der 1600 Quadratmeter große Garten mitten im alten Deuz gemeint ist, den der Verein ebenfalls bewirtschaftet. Sondern der Aufbau eines Netzwerks („Qomplizen“)weit über Deuz hinaus, zu dem die Uni, die Schulen, das Dahlbrucher Viktoria-Kino, das Kulturforum Netphen, Klimawelten und Bildungsinsel Hilchenbach zählen. Und das Gasthaus Klein, der prominente Nachbar der noch weniger bekannten Qulturwerkstatt, die eigentlich – wie der Netphener Manfred Schröder (UWG) etwas respektlos formuliert – Kleins Hinterhof sei. Nach den bisher 1200 ehrenamtlichen Arbeitsstunden dürfte das einigermaßen untertrieben sein.

Die Sache mit dem Q

Qultiviert wird eine Sache, indem aus einen K oder C ein Q wird. Die Qulturwerkstatt hat jede Menge wolkiger Erklärungen für ihren q-lastigen Umgang mit Wörten. Schließlich Deuz selbst: Da haben sie mit einer Linie wichtige Orte um die Qulturwerkstatt verbunden – heraus kam, natürlich, ein Q. Auf der Internetseite qulturwerkstatt.de gibt es außer den Infos zum Projekt ein ganzes ABC mit Q.

Ein bisschen lästig fällt der aktuelle Missbrauch des Buchstabens durch QAnon in einem rechtsextremen, verschwörungsideologischen Netzwerk US-amerikanischer Herkunft. Dagegen verteidigen die Deuzer ihr Q tapfer: „Wir waren zuerst da“:

Das Geld

Mit im Boot als Beraterin ist Christine Loth mit ihrem Stadtplanungsbüro, die nicht nur den Umbau, sondern auch noch einen kleinen Erweiterungsbau für Theater und Bühne plant. Ein Wirtschaftsplan bis 2025 steht, der die Verwendung von 450.000 Euro (80 Prozent Land, 20 Prozent Eigenmittel) für Investitionen und Betrieb darlegt. „Wir werden auf Fördergelder angewiesen sein“, sagt Christine Loth – für den dritten Ort, aber auch für die einzelnen Formate, die im Haus Platz finden. Oder zumindest dort angedockt sind: „Warum nicht mal ein Figurentheater im Hauberg?“, fragt Gabi Schlemper, „oder den Film über das Brotbacken selbst machen?“ Damit das Projekt dauerhaft lebt, wird es auch hauptamtliches Personal brauchen, sagt Christine Loth: „Das ist nicht allein über das Ehrenamt zu schultern.“

Die Qulturwerkstatt

Elfrun Bernshausen(SPD) ist beeindruckt,weist auf andere bürgerschaftliche Initiativen hin wie den Silberstern-Kulturflecken in Freudenberg und das Bruchwerk-Theater in Siegen. „Und jetzt Sie – was schlummert da noch alles in der Region?“ Vorsitzender Winfried Schwarz (SPD) macht es eine Nummer größer, erinnert an die von ihm mitbetriebene Gründung des Museums für Gegenwartskunst: Das Überwinden konservativer Strukturen sei schwierig, aber möglich. „Ich kann Sie nur ermuntern, fröhlich weiterzumachen.“

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Visionen? „Dass man in fünf Jahren die Qulturwerkstatt auch in Berlin kennt“, sagt Christine Loth. Bei der deutschlandweiten Vernetzung von Giulia Gendolla und Stefan Bünnig könnte das aber auch einfach nur realistisch sein. Wie der Belegungs- und Veranstaltungsplan für den Juli 2023, der schon einmal an die Wand geworfen wird: „Eigentlich kann der Startschuss fallen.“

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