Siegen. Die FDP will nicht mehr, Jamaika ist Geschichte. Kommt jetzt in Siegen Schwarz-Grün, die Groko oder geht Volt eine Koalition ein? Eine Analyse.

Die FDP ist auf eigenen Wunsch raus: Für eine Fortsetzung der Jamaika-Koalition im Rat stehen die Liberalen in Siegen nicht mehr zur Verfügung. Zu groß seien die inhaltlichen Differenzen zu den Grünen in der vergangenen Wahlperiode gewesen, sagt Fraktionsvorsitzender Klaus Volker Walter. Die bisherigen Koalitionspartner reagieren verschnupft. Und damit beginnt das Rätselraten um die künftige politische Farbenlehre in der Universitätsstadt – eine neue Ratsmehrheit muss her.

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Jamaika war von vornherein keine Liebeshochzeit. In den großen Linien hatten die Partner Einstimmigkeit verabredet, immer wieder preschten die Parteien aber auch ohne Koalitions-Rückendeckung mit ihren Themen vor, das war auch so geplant. Insbesondere die Grünen schärften in den vergangenen Monaten ihr Profil – mitunter auch zu Lasten der Koalition und offenbar insbesondere der FDP.

Die Situation in Siegen: Die FDP will nicht mehr, Grüne und CDU überrascht

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„Wir haben gut zusammengearbeitet, aber an einigen Punkten mussten wir die Faust in der Tasche ballen“, sagt FDP-Fraktionschef Klaus Volker Walter. Man habe sich zusammengerissen, stand in der Verantwortung, aber gerade zuletzt hätten sich solche Situationen gehäuft. „Wir hatten zunehmend den Eindruck, dass wir zwischen CDU und Grünen zerrieben werden.“

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„Man hätte das vor der Wahl sagen können“, findet der Grünen-Fraktionsvorsitzende Michael Groß, „aber das hätte vermutlich das Ergebnis geschmälert.“ Es sei schon „sehr speziell“, als Teil einer Koalition in die Wahl zu gehen und dann so schnell eine Absage zu erteilen, „es fällt einem ja nicht spontan ein, dass die Zusammenarbeit doch nicht so gut war“. Ja, Jamaika war kompliziert, sagt Groß. Trotz aller Schwierigkeiten habe man sich aber vorstellen können, weiter zu machen – denn es gab auch gute Erfolge: „Gerade die sieht die FDP aber wohl als nicht mittragbar.“

Siegener CDU steht vor personellen Umbauten

„Wir können uns eine weitere Zusammenarbeit mit den Grünen gut vorstellen“, sagt der 1. stv. CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Weber, der sich ebenfalls von der schnellen, klaren Absage der FDP überrascht zeigt. Als deutlich stärkste Fraktion müsse die CDU nun eine Mehrheit beschaffen, dazu werde man mit allen Parteien im Rat reden – außer wohl mit der FDP, weil die halt nicht will, und mit der AfD.

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Zunächst muss sich die CDU aber intern sortieren: Die Union ist zwar stärkste Kraft, hat nur einen Sitz verloren, steht aber vor personellen Umbauten. Fraktionschef Rüdiger Heupel soll signalisiert haben, nicht mehr für das Amt kandidieren zu wollen – und Henner Klaas, 2. stv. Fraktionsvorsitzender, wird dem Rat nicht mehr angehören, hat seinen Wahlkreis an Michael Groß verloren. Weil die CDU viele Direktmandate gewonnen hat, zieht ihre Reserveliste nicht einen Platz. „Wir werden das im Team sacken lassen und dann in den kommenden Tagen Sondierungsgespräche führen“, sagt Frank Weber. Ziel sei es ganz klar, Siegen weiter voranzubringen.

Die Möglichkeiten für eine neue Koalition im Siegener Rat

Für Schwarz-Grün allein reicht es knapp nicht. 22 von 70 Ratssitzen hat die CDU, 12 die Grünen, dazu noch der Bürgermeister – macht 35, einer zu wenig. Knifflig macht die Sache auch, dass sich ein künftiger Junior-Partner von Schwarz-Grün dagegen absichern dürfte, zum reinen Mehrheitsbeschaffer zu verkommen. Wer auch immer die Koalition eingeht, fordert vermutlich einige Zugeständnisse.

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Schwarz-Grün-X: Dass wechselnde Mehrheiten funktionieren, ist im Kreistag zu beobachten, wo Landrat Andreas Müller ohne eigene Hausmacht agieren muss – und das auch hinbekommt. Zumal es in Siegen tatsächlich nur um eine Stimme ginge, die zusätzlich zu den eigenen Reihen organisiert werden müsste. Dafür bräuchte es gute Kommunikation.

Kandidaten und Listen

22 Direktmandate hat die CDU geholt – 2014 waren es 23. Auch vor sechs Jahren kam die Reserveliste der Union nicht zum Zuge.

4 Direktmandate gehen an die SPD – genau so viele waren es bei der Kommunalwahl 2014.

2 Kandidaten anderer Parteien verteidigten ihre Direktmandate: Günther Langer (UWG) in Achenbach/Fischbacherberg und Klaus Volker Walter (FDP) in Oberschelden/Gosenbach. Michael Groß holte mit Siegen-Altstadt erstmals ein Direktmandat für die Grünen.

Schwarz-Grün-Volt: Die junge Europa-Partei beschreibt sich als progressiv und pragmatisch, inhaltlich gibt es Schnittmengen vor allem zu den Grünen. „Wir sind angetreten, weil wir Verantwortung übernehmen möchten“, sagt Spitzenkandidat Samuel Wittenburg – mit zwei Sitzen im neuen Rat würde Volt für die Mehrheit reichen. „Das fühlt sich wie ein Sieg an“, sagt Wittenburg dazu, mehr habe niemand bei Volt erwartet. Man würde, müsse aber nicht in eine Koalition eintreten – denn es müsse inhaltlich passen. Etwa sei man absolut gegen eine weitere Bebauung des Wellersbergs. Für Gespräche stehe man aber definitiv allen Parteien außer der AfD zur Verfügung. Auch CDU und Grüne können sich die Zusammenarbeit vorstellen.

Eine Große Koalition im Siegener Rat hätte eine satte Mehrheit

Schwarz-Rot: Die sicher satteste Mehrheits-Variante, CDU und SPD könnten grundsätzlich auch miteinander. SPD-Fraktionschef Detlef Rujanski rechnet zwar zur Zeit mit einer „Minderheitsregierung“, also wechselnden Mehrheiten, die SPD stünde aber für eine Große Koalition zur Verfügung, wenn die CDU fragt. „Nicht wir sind am Zuge“, betont Rujanski, zunächst gelte es, Gespräche zu führen. „Wir nehmen unsere Verantwortung für die Bevölkerung sehr ernst und wir haben klare Vorstellungen und Ziele.“ Eine „GroKo“ auf Augenhöhe könne aber sicher eine stabile verlässliche Arbeit ermöglichen.

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Dass sich die CDU mit Linke und/oder UWG zusammentut, kann als äußerst unwahrscheinlich gelten. Auch wenn die überparteiliche Zusammenarbeit zwischen allen Ratsfraktionen durchaus gut funktioniert – hier wären die inhaltlichen Differenzen doch zu groß für eine verlässliche Mehrheit. „Das würde vermutlich nur sehr schwer funktionieren“, sagt Frank Weber. Unter Demokraten rede man aber miteinander.

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