Siegen. Wegen einer langen Liste mit Anklagen muss sich ein 26-Jähriger Siegener vor Gericht verantworten. Psychiater: Hochgradig süchtig, und aggressiv.
Was ist das für ein Mensch, der seiner Freundin zweimal aus Ärger und Eifersucht die Nase bricht und sich und dann schniefend die Tränen aus dem Gesicht wischt, wenn sie im Zeugenstand darüber berichtet? Vor dem Landgericht Siegen erzählt die Frau am Freitag, 4. September, davon, dass sie eigentlich immer mit ihm über Therapien und Auswege aus der verfahrenen Lage reden wollte. Der Siegener T. (26), muss sich wegen einer zweistelligen Zahl von Anklagen verantworten.
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Was T. für ein Mensch ist, beantwortet Sachverständiger Dr. Thomas Schlömer: Er diagnostiziert Polytoxikomanie, vielfache Sucht, bei dem Mann, der mit 13 erstmals Marihuana nahm, zeitweise hohe Tagesdosen brauchte und stark alkoholabhängig ist. Ein kalter Entzug sei krachend gescheitert. Dazu sei der Angeklagte impulslabil und aggressiv, könne sich nur schwer beherrschen, so der Gutachter.
Immer noch Spuren von Schlägen und Brandwunden am Körper
Bei so veranlagten Menschen sind nach Auskunft des Psychiaters verschiedene Persönlichkeitsstrukturen sehr viel stärker getrennt als normal. Wenn er, Schlömer, mit seiner Frau streite, könne er immer noch daran denken, „dass ich sie ja eigentlich liebe und deshalb geheiratet habe. Das hält mich dann hoffentlich davon ab, gewalttätig zu werden.“ Dem Angeklagten sei dieser Rückgriff nicht möglich, er könne Aggressivität nicht durch positive Gefühle abfedern.
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Als größte Stärke hat T. Zielstrebigkeit angegeben, als Schwäche sich selbst. 2011, mit 17, wurde er das erste Mal zu einer Jugendstrafe verurteilt, hat gut fünf Jahre abgesessen. Er kennt seinen Vater nicht, ist mit einer drogensüchtigen Mutter und einem Stiefvater aufgewachsen, der „nach zehn Jahren an einer Überdosis starb“. Der habe ihn geschlagen, mit dem Gürtel und mit Kabeln, „ich habe immer noch viele Spuren am Körper“. Auch Brandwunden seien dabei, sagt der Angeklagte, der in seiner Kindheit an Epilepsie litt und bis heute ADHS hat. Er habe die falschen Medikamente bekommen, einen völlig kaputten Magen: „Ich habe Sodbrennen wie ein 50-Jähriger.“
Die Ex-Freundin mag den Angeklagten trotzdem noch irgendwie
Er ging zur Sonderschule, hatte immer Probleme, holte aber in der Haft den Hauptschulabschluss nach dann die Mittlere Reife, Durchschnittsnote 2,0. Im Gefängnis arbeitet er, übernimmt Verantwortung. Auch Therapien gab es, bislang immer gescheitert. Dennoch habe ihm das gutgetan, „weil sich einmal jemand um mich kümmerte“. Er ist therapiewillig, möchte aber lieber freiwillig hin und nicht vom Gericht eingewiesen werden. Der Sachverständige hält die Behandlung für dringend geboten, sonst seien weitere Straftaten zu befürchten.
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Weitere Zeugen werden gehört, die meisten von der Polizei vorgeführt. Einer hat T. 2017 angezeigt, T. habe 70 Euro erpresst. Er habe ein schlechtes Gedächtnis, sagt der Zeuge (23) patzig. „So leicht kommen Sie mir nicht davon“, rügt die Richterin. Er wisse nur noch von einer Auseinandersetzung, sagt der Mann schließlich, er wolle mit seiner Vergangenheit und seinen falschen Freunden nichts mehr zu schaffen haben: Lieber vergesse er Dinge, als sich zu erinnern und wieder Panikattacken zu bekommen.
Dann ist da noch T.s Ex, die diesen zu Tränen rührt, während sie von der schwierigen An-Aus-Beziehung berichtet. Einzelheiten variieren, das Gesamtbild ist ähnlich. Sie verweist immer wieder auf ihre gebrochene und seither schiefe Nase, mag ihn aber trotzdem noch irgendwie. Er hält sie für nicht gut für ihn, hofft dennoch auf eine bürgerliche Zukunft an ihrer Seite. Irgendwie.
Am Montag, 7. September, sollen die Plädoyers gehalten werden.
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