KreuztaI. In Ferndorf gelingt eine Nachfolgeregelung für eine Hausarztpraxis, in Fellinghausen verstärkt ein junger Arzt die Familydocs.

In den Arztpraxen tut sich etwas: Die „Familydocs“ haben Verstärkung in ihre Praxis in Fellinghausen geholt, und in Ferndorf haben Wolfgang Stutte und Detlef Bojahr einen Nachfolger für ihre Praxis gefunden. Die hausärztliche Versorgung ist ein kritisches Thema für Kreuztal: Der Versorgungsgrad ist so schlecht wie in keiner anderen Kommune im Siegerland, der Bereich Kreuztal/Hilchenbach gehört sogar zu den Schlusslichtern in Westfalen-Lippe.

Fellinghausen

Matthias Otto ist mit 32 Jahren der jüngste Hausarzt im Kreis Siegen-Wittgenstein und den angrenzenden Regionen. Nach seiner erfolgreich abgelegten Prüfung zum Facharzt für Allgemeinmedizin ist er seit 19. August offiziell in der Gemeinschaftspraxis Mertens, Dr. Dr. Charles Adarkwah & Partner („Familydocs“) in Fellinghausen niedergelassen.

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Matthias Otto hat Humanmedizin in Marburg studiert und absolvierte danach einen Teil seiner Facharztweiterbildung am Universitätsklinikum Bonn (Innere Medizin, Chirurgie und Intensivmedizin), bevor er 2018 für den letzten Weiterbildungsabschnitt zu den Familydocs nach Kreuztal wechselte. „Wir sind sehr froh, mit Matthias Otto einen versierten und dynamischen Kollegen gefunden zu haben, der sich auch nach Ende seiner Weiterbildung bewusst für einen Verbleib in der Region entschieden hat“, sagt Klaus Mertens.

Kritik an der Stadt

Erst kürzlich hat sich die Kooperationsgemeinschaft der Kreuztaler Hausärzte mit einem Brief an die Ratsmitglieder gewandt und die aus ihrer Sicht einseitige Unterstützung der Familydocs durch die Stadt kritisiert.

Die Förderung der Filialpraxen, so die Ärzte, erschwere die Suche nach Nachfolgern, die eine Praxis selbstständig weiterführen wollen.

„Wir möchten nicht nur junge Ärztinnen und Ärzte zu Hausärzten weiterbilden und dann wegschicken, sondern sie derart für unsere Praxis und die Region begeistern, dass sie uns in Kreuztal auch nach Abschluss ihrer Weiterbildung erhalten bleiben“, erklärt Charles Adarkwah. Als gebürtigem Kreuztaler ist Matthias Otto die Region vertraut. „Ich mag das Siegerland und insbesondere Kreuztal. Es hat gut getan im Rahmen von Studium und Weiterbildung einige Jahre über den Tellerrand zu schauen. Nun kann ich mich in meiner Heimat ärztlich betätigen.“

Aktuell befinden sich zwei weitere Assistenzärzte der Praxis familydocs in ihrer letzten Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin. „Vielleicht gelingt es und ja auch, sie für Kreuztal zu begeistern“, sagt Charles Adarkwah.

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Ferndorf

Ab 1. Januar 2021 führt Jan Khalil die Praxis von Wolfgang Stutte und Detlef Bojahr weiter. Jan Khalil ist Facharzt für Innere Medizin und war bis Ende 2019 in einer kardiologischen Klinik in Siegen tätig. „Den Wunsch, selbstständig zu arbeiten, gab es eigentlich schon immer“, berichtet Jan Khalil, „dies ist natürlich in einem Krankenhaus nicht möglich.“ Deswegen entschied er sich für die 12-monatige Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin.

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„Besonders wichtig war mir, die Weiterbildung in einer Praxis zu absolvieren, die sich mit modernen Arbeitsmodellen, zukunftsorientierten Abläufen und digitalen Anwendungen beschäftigt.“ Seine Wahl fiel auf die Arztpraxis Spieren & Kollegen in Hünsborn, eine so genannte Zukunftspraxis der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Durch den Einsatz der digitalen Helfer gewinnt das Praxis-Team Zeit für den persönlichen Kontakt mit den Patienten. „Dies sind hervorragende Voraussetzungen für die Praxisübernahme“, sind sich die bisherigen Praxisinhaber Wolfgang Stutte und Detlef Bojahr einig, „wir freuen uns, einen jungen Kollegen mit so breiter Aus- und Weiterbildung gefunden zu haben.“

Stefan Spieren, Bürgermeister Walter Kiß und Wolfgang Stutte stellen  Jan Khalil (von links) vor, der die Ferndorfer Hausarztpraxis ab Januar 2021 übernehmen wird.
Stefan Spieren, Bürgermeister Walter Kiß und Wolfgang Stutte stellen Jan Khalil (von links) vor, der die Ferndorfer Hausarztpraxis ab Januar 2021 übernehmen wird. © Stadt Kreuztal

Stutte und Bojahr haben die hausärztliche Versorgung vor Ort seit 1992 sichergestellt. Einfach zu schließen oder die Praxis an eine Gesellschaft abzugeben, wäre für sie keine Alternative gewesen. „Unsere Patienten sind uns wichtig und vor allem auch ein persönlicher Kontakt, so wie wir es seit Jahren gemacht haben“, ergänzt Wolfgang Stutte. Auch Detlef Bojahr ist gerade die persönliche Nähe und Verbundenheit zu seinen Patienten wichtig: „Wir werden nicht sofort weg sein, sondern mit Herrn Khalil zusammen ab 1. Januar die Praxisübergabe organisieren“.

Die Praxis Stutte/Bojahr ist mit Jan Khalil Teil der „Kooperationsgemeinschaft der Kreuztaler Hausärzte“, der auch Matthias Schrader, Wolfgang Neumann, Inge Mangold, Ala Alzeer, Rüdiger Nolte, Hartmut Inacker und Claudia Stoppacher angehören. Bürgermeister Walter Kiß unterstütze die Kooperationsgemeinschaft der Hausärzte, um die hausärztliche Versorgung in Kreuztal zu sichern, heißt es in der Pressemitteilung aus dem Rathaus.

„Wir setzen uns seit Jahren dafür ein, junge Kolleginnen und Kollegen für die Arbeit in der Praxis auf dem Land zu begeistern“, sagt Stefan Spieren, „dieses Beispiel zeigt, dass es sich lohnt.“ Kreuztal sei eine der wenigen Kommunen in der Region, die sich aktiv um die Ärzteversorgung kümmern und auf die Ärzte zugehen. Jan Khalil: „Man hat mich hier in Kreuztal mit offenen Armen empfangen.“ In mehreren Gesprächen habe der Bürgermeister seine Unterstützung zugesagt, „damit ich in Kreuztal nicht nur meine neue Arbeitsstelle, sondern auch meine neue Heimat finden kann“. Khalil hat zwei Kinder im Kindergartenalter, seine Ehefrau Eva wird mit in der Praxis arbeiten.

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