Siegen-Wittgenstein. Es geht kaum voran beim Ausbau der Windenergie im Siegerland – und wenn, dann nicht unbedingt da, wo es vor Ort gewünscht wird.

Windkraft ist super, außer eine Anlage wird an einer Stelle gebaut, die eigene Interessen berührt: „Egal wie wir als Genehmigungsbehörde entscheiden – es wird immer geklagt“, sagt Landrat Andreas Müller. Windkraftgegner sind nicht die einzigen, die der Kreisverwaltung aus Sicht ihres Chefs das Verfahren erschweren: Auch die immer neuen Anforderungen und Vorgaben seitens Bund und Land und die daraus resultierenden Unwägbarkeiten der Rechtsprechung machen dem Ausbau der Windenergie in Siegen-Wittenstein eher langsam.

Nur Freudenberg hat eine Vorrangzone

Ohnehin: Eine rechtswirksame Planungssituation in Sachen Windkraft-Vorrangzonen, gibt es zur Zeit nur in der Stadt Freudenberg, sagt der Landrat in einer Sondersitzung des Kreisumweltausschusses. „Alle anderen Kommunen haben keine gültige Vorrangzonenplanung oder haben sie noch nicht abgeschlossen.“ Die Planungshoheit liegt bei den Kommunen, die sich neben der Windkraft auf ihrem im Zweifel eher zu knappen Raum auch mit dringend benötigten Wohn- und Gewerbegebieten herumplagen und die Ansiedlung von Windkraftanlagen auf ihrem Gebiet steuern möchten. Aber eigentlich immer sieht jemand seine Interessen oder Rechte durch Windräder in Gefahr.

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Investoren haben Recht auf Genehmigung

„80 Prozent der Bevölkerung befürworten den Windkraft-Ausbau – die Zustimmung schwindet nur in dem Moment, wenn es um Vorhaben vor der eigenen Haustür geht“, sagt Müller. „Und es gibt immer eine Haustür.“ Als zuständige Behörde habe man dieses „hochemotionale Thema“ seit einiger Zeit aufmerksam beobachtet: Irgendwer ist immer unzufrieden, „ob wir genehmigen oder ablehnen“, so der Landrat. Dabei habe der Kreis auch keinen großen Spielraum bei der Entscheidung: Wer einen Antrag auf Errichtung einer Windenergieanlage stellt, hat das Recht auf Genehmigung – wenn denn im Sinne der rechtlichen Vorgaben diesem Vorhaben nichts entgegensteht. „Ob es uns oder jemand anderem gefällt oder nicht, ist dabei egal – es geht darum, ob die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.“

23 neue Anlagen

Burbach: Firma Volkswind GmbH – 5 Anlagen in der Gemarkung Gilsbach. Genehmigungsantrag soll im 4. Quartal 2020 gestellt werden.

Hilchenbach: Bürgerwindpark Rothaarwind II – 17 Anlagen, davon 7 auf Hilchenbacher Gebiet. Laut Investor liegt positiver Bauvorbescheid vor.

Freudenberg: Windpark Kuhlenberg (EnBW) – 3 Anlagen bei Dirlenbach innerhalb der ausgewiesenen Konzentrationszone. Antrag wird geprüft.

Netphen: Firma wpd onshore GmbH & Co. KG – 5 Anlagen im Bereich Nenkersdorf/Grissenbach. Vorbescheid liegt vor

Wilnsdorf: Firma Juwi AG – 3 Anlagen im Bereich Gernsdorfer Höhe. Antragsstellung soll nach vorliegenden Informationen kurzfristig erfolgen

„Wir müssen davon ausgehen dass die Verfahren zur Ausweisung von Vorrangzonen, nicht einfach abgeschlossen werden können“, sagt Andreas Müller: Denn die Vorgaben von Bund und Ländern veränderten sich ständig, die Rechtsprechung stelle ständig neue Anforderungen daran, was beim Windpark-Bau beachtet werden muss. „Uns ist es bisher immer gelungen, gerichtsfeste Entscheidungen zu treffen“, betont der Landrat. Ob der Kreis für oder gegen die Errichtung entschied – die Gerichte bestätigten das. „Das ist kein Automatismus.“ Allerdings waren es sehr zeitaufwändige Entscheidungen und auch die zuständige Justiz ist zunehmend überfordert.

Insofern sei der Vorwurf, nicht kommunalfreundlich zu handeln, der im Zuge der aktuellen Diskussion in Bad Berleburg an die Kreisverwaltung gemacht wurde, zurückzuweisen: „Wir treffen nicht wider besseres Wissen eine Entscheidung.“ Auch den Vorwurf der Ungleichbehandlung weist der Landrat zurück: „Es ist eine Frage der Fairness, alle gleich wichtig in ihren Anliegen zu betrachten und auch alle gleichzeitig über Entscheidungen zu informieren.“

Der Appell Richtung Düsseldorf und Berlin: Eine komplette Reform des rechtlichen Rahmens, „ein Neuanfang, ein Regelwerk aus einem Guss, das für alle anwendbar ist.“

Verband für Anlagen auf Forstflächen

Im Kreis Siegen-Wittgenstein gibt es 36 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 74,6 Megawatt. Im gesamten Regierungsbezirk Arnsberg sei im vorigen Jahr keine neue Anlage ans Netz gegangen, stellt der Regionalverband Südwestfalen des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE) fest .„Man kann es nicht anders sagen: Das ist eine Katastrophe“, sagt Karl Prinz zu Wittgenstein, Vorsitzender des Regionalverbandes.

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65 Prozent Anteil am Stromverbrauch sollen die Erneuerbaren Energien nach Vorgabe der Bundesregierung bis 2030 haben, in ganz Nordrhein-Westfalen sind es erst 16,2 Prozent. „In Südwestfalen haben wir noch einiges aufzuholen, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen“, so Karl Prinz zu Wittgenstein. „Schließlich spüren wir die Auswirkungen des Klimawandels hier bei uns doch schon ganz deutlich: Große Teile der Forstflächen sind tot. Hier sollten wir aus der Not eine Tugend machen und auch diese Flächen für erneuerbare Energien nutzen.

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