Siegen. Kult auch ohne Humphrey Bogart: Der Siegener Schlosspark wird zur Kulisse für „Casablanca“.

Nicht Corona sondern ein Gewittertief drohte am Samstagabend dem Auftritt des NN-Theaters den Garaus zu machen. Noch um 17 Uhr zeigte der Regenradar Niederschläge im Siegerland an. Die kamen auch: In Kreuztal, Hilchenbach, Wilnsdorf, aber nicht auf dem Siegener Siegberg. Zur grenzenlosen Erleichterung der Programmmacher Stefan Schliebs und Martin Horne und zur grenzenlosen Begeisterung des Publikums, das einen äußerst vergnüglichen Theaterabend in besonderer Atmosphäre genießen durfte.

Eine Geschichte über Liebe und Verrat

Casablanca, die marokkanische Hafenstadt, war während des 2. Weltkriegs Zufluchtsort für Verfolgte Nazi-Deutschlands und wurde damit über das neutrale Lissabon ein Sprungbrett nach Amerika. Tausende waren in Casablanca gestrandet und viele davon trafen sich in Ricks Café, zumal das als Umschlagplatz von Ausreise-Papieren galt.

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Zwischen Rick, der im Film von Humphrey Bogart, und der Schwedin Ilsa Lund, die von der jungen Ingrid Bergman gespielt wurde, entwickelte sich eine der berühmtesten Liebesgeschichten der Filmgeschichte. Die hatte aber, wie alle großen Love-Stories, kein wirkliches Happy End. Denn am Ende bleibt Ilsa nicht bei Rick, mit dem sie in Paris einst eine Affäre hatte, sondern fliegt mit ihrem Mann, dem Widerstandskämpfer Victor Laszlo, und dank Ricks Ausreisepapieren nach Amerika, das damals noch Sehnsuchtsland der Freiheit war.

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Eiffelturm aus Tisch und Stapelstühlen

Eine solche Geschichte über Verfolgung, Verrat, Korruption und unerfüllte Liebe auf die Bühne zu bringen, erfordert vor allem eins: Grenzenlose Kreativität. Und die ist das Markenzeichen des NN-Theaters. Die vier Kölner Künstler verwandeln sich mit einfachen Mitteln in all die handelnden Figuren des Originals. Wobei, abgesehen vom Pianisten, jeder von ihnen mindestens einmal in die Rolle von Rick, Victor, Ilsa, des Nazis Strasser oder des korrupten, zwielichtigen französischen Polizeichefs schlüpft.

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Viel brauchen die Künstler für ihre Rollenwechsel nicht: Ein sekundenschneller Kostümwechsel- und schon wird aus der attraktiven Ilsa Lund ein schneidiger Nazi-Offizier. Für das Bühnenbild haben sich die NN-Leute etwas besonders Einfaches einfallen lassen: Einen Tisch, der auch schon mal in ein Auto umgewandelt wird, und Stapelstühle. Meist sind sie Café-Mobiliar, können aber auch zum Pariser Eiffelturm oder Triumphbogen werden.

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Auf die Minute so lang wie der Film

„Casablanca“ ist als Film auch 80 Jahre nach seinem Entstehen vor allem durch seine Musik und seine Zitate lebendig. Auf „Ich seh dir in die Augen, Kleines“) und die berühmte Bitte „Spiel`s noch einmal Sam“ haben die Theaterfreunde im Schlosspark von der ersten Minute an gewartet. Der NN-Pianist zelebriert „As Time goes by“ hinreißend und authentisch und erweist sich dazu als vielseitiger Jazzer mit großer Improvisationsgabe. Der saftige Theaterspaß, garniert und veredelt mit jeder Menge wunderbarem Unsinn, etwa als die Vier den Markt von Casablanca karikieren, ist nach ziemlich exakt 102 Minuten vorbei – genauso lang dauerte auch der Film. Und endet wie das Original mit dem berühmten Satz: „Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.“

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