Siegen. In Siegen liest der Schauspieler Sebastian Kolb im Rahmen der Ferienspiele der Evangelischen Jugend aus Karl Mays „Der Ölprinz“

Normalerweise fährt Juliane Hees- Kolb mit ihren Schützlingen regelmäßig nach Elspe. Wegen Corona wird 2020 nichts daraus. „Der Ölprinz“ ist verschoben, das Ersatzprogramm der Bühne kam zu spät für die Sommerplanung. Ganz ohne Karl May müssen die Ferienspiele der Evangelischen Jugend Siegen aber auch in diesem Jahr nicht auskommen. Die Gemeindepädagogin hat sich etwas einfallen lassen - und einfach den Ölprinzen nach Siegen eingeladen.

Auch interessant

Winnetous Gegner kommt nach Siegen

„Winnetous Gegner kommt“, damit ist die Veranstaltung überschrieben, zu der am Samstag und Sonntag erstmals eingeladen war und die am 3. Oktober noch einmal im Kalender steht. Gut zwei Stunden liest Schauspieler Sebastian Kolb Passagen aus dem Buch, das Karl May ursprünglich 1892/93 als siebte Erzählung für den „Guten Kameraden“ schrieb, eine Zeitschrift für Knaben, wie das seinerzeit hieß. Für die Mädchen gab es im parallelen „Kränzchen“ andere Themen. Gut 50 Besucher hätten nach dem sorgfältigen Hygiene-Konzept teilnehmen können. Am Samstag sind es schließlich 28, für den Sonntag haben sich 38 angemeldet. „Ein paar mehr Kinder sind dann dabei“, verrät der Schauspieler, der durchaus etwas enttäuscht ist, an diesem 18. Juli gerade einmal eine Handvoll junger Zuschauer vorzufinden.

Auch interessant

Ein Großteil des Publikums besteht aus May- und Kolb-Fans, die zum Teil aus dem Münsterland angereist sind, um die Zeiten ohne Winnetou und Co. auf der Bühne zu überbrücken. Apropos. Nach ursprünglicher Planung wäre der berühmte Apachen-Häuptling selbst der Protagonist des Nachmittags gewesen. Jean-Marc Birkholz ist seit Jahren mit einer Lesung auf Tour, in der er seine eigene Karriere als Winnetou-Darsteller auf den Bühnen in Elspe und Rathen mit einer Kurzfassung des ersten Winnetou-Bandes verknüpft. Nun sitzt der Schauspieler aber in seiner Wahlheimat Belarus fest. Da habe sie sich an dessen guten Freund Sebastian Kolb gewandt, erklärt Juliane Hees-Kolb den Gästen. „Den sie zufällig kannte“, fügt der „Ersatzmann“ grinsend an, der natürlich gar nicht zufällig den gleichen Namen hat, sondern ihr Sohn ist.

Bühnenprügelei in Kirche in Kaan-Marienborn

Überhaupt wird das ein Familiennachmittag. Zwei Neffen sind im Publikum, im zünftigen Cowboy-Outfit. Sie verlangen „mehr Action“ und dürfen dann mit ihrem 37-jährigen Onkel zwischendurch eine kleine Bühnenprügelei zum Besten geben. Wie sie Winnetou-Birkholz ebenfalls im Programm hat, der das allerdings mit beliebigen Zuschauern durchführt. „Das geht natürlich unter Corona nicht“, bedauert Sebastian Kolb und lässt seine Neffen „Jimmy und Johny“ immer wieder „Abstand halten“ betonen. Während die beiden Jungs ziemlich abgeklärt wirken, lässt „Onkel Sebastian“ mehrfach wissen, dass er „das noch nie gemacht“ habe.

Kurzfristiges Ersatzprogramm in Elspe

Unter dem Titel „Wilder Westen – jetzt erst recht“ gibt es in Elspe ein Corona-Ersatzprogramm.

Eine Liveshow gibt einen Einblick hinter die Kulissen in Elspe.

Zuschauer erleben, was die Pferde leisten, wie man sich Stühle und Flaschen auf dem Körper zerschlägt und wie die Antagonisten in Elspe ihr tragisches Ende finden.

Die Öffnungszeiten der Karl-May- Festspiele sind von 10.30 bis 15 Uhr. Bei den Abendvorstellungen an Samstagen ist Einlass um 17 Uhr und das Gelände schließt um 21.30 Uhr.

In einer zünftigen Kulisse mit Sattel und Silberbüchse lässt er aber seinen Status als „Ersatzmann“ schnell vergessen, liest - oder besser spielt - die beiden Passagen aus Band 37 der Gesammelten Werke, die auch auf YouTube im Rahmen der Benefizaktion „Winnetou@home“ des Karl May & Co.-Magazins abrufbar sind, schlüpft dabei überzeugend stimmlich in die unterschiedlichsten Rollen, vom Scout Sam Hawkens bis in die „eigene Rolle“, den fiesen Ölprinz eben. Abgerundet wird der sehr gelungene Nachmittag mit einer Passage, in der dann auch Winnetou und Old Shatterhand auftreten, „das musste einfach sein“.

Lesung aus Christus-Kirche nach Kaan-Marienborn verlegt

Dabei kommt es noch zu einer richtigen Überraschung. Eingangs hat er schon einen Videogruß seines Freundes Jean-Marc vorgeführt und kann nun zusätzlich noch die Dialoge Winnetous mit dessen unverwechselbarer Stimme einspielen. „Notfalls musst du mich synchronisieren“, habe er Birkholz vor ein paar Tagen gesagt - und prompt seien die entsprechenden Sätze gekommen, berichtet Sebastian Kolb dankbar. Zufrieden ist hinterher auch seine Mutter. Die einerseits bedauert, dass nicht mehr Besucher gekommen sind und den Grund unter anderem darin sieht, dass nur im Internet geworben wurde: „Sonst lagen überall Flyer aus, die von den Leuten eben mitgenommen wurden.“

Auch interessant

Gleichzeitig ist sie aber froh, überhaupt ein Programm anbieten zu können. Weil es wichtig sei für die Kinder. Und weil sie es als fast unerträglich empfunden hat, im Frühjahr Zufluchtsorte wie Kirchen geschlossen sehen zu müssen. Noch am Vorabend musste die Gemeindepädagogin eine logistische Meisterleistung vollbringen. Ebenfalls pandemiebedingt musste die Lesung vom zunächst angegebenen Gemeindezentrum Christus-Kirche in der Obenstruthstraße nach Kaan-Marienborn verlegt werden, in die dortige Kirche in der Augärtenstraße. Zum Glück waren alle Besucher mit Adresse und Telefonnummer angemeldet. So ging bei allen am Freitag noch der Klingelton. Ganz kurzfristig, aber mit Erfolg. Für 2021 hofft sie nun, ihren Sohn und dessen Freund „Winnetou“ („Der ist oft bei uns und mag meinen Kartoffelsalat!“) wieder mit vielen Kindern in Elspe besuchen zu können.

Mehr Nachrichten, Fotos und Videos aus dem Siegerland gibt es hier.

Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook.

Das Corona-Newsblog aus dem Siegerland finden Sie hier.

Hier geht es zum Newsblog mit den aktuellen Entwicklungen rund um das Coronavirus.