Siegen-Wittgenstein. Ausbildungsbetriebe und angehende Azubis kommen in diesem Jahr schwerer zusammen. IHK und Arbeitsagentur Siegen wollen gegensteuern.
Die Jugendarbeitslosigkeit nimmt zu, gleichzeitig bricht der Ausbildungsstellenmarkt ein. Daniela Tomczak, Leiterin der Arbeitsagentur Siegen, spricht von einer Herausforderung, die auch von Corona verursacht wird. Gemeinsam mit der Industrie. und Handelskammer (IHK) sollen nun die zahlreichen unbesetzten Ausbildungsplätze an die Jugendlichen gebracht werden. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Die Lage ist sicher erklärungsbedürftig, jedoch nicht ernst.“
Die Arbeitsagentur
Bis Juni 2020 sind im Kreis Siegen-Wittgenstein und im Kreis Olpe insgesamt 3458 Berufsausbildungsstellen gemeldet worden. Dem gegenüber stehen 2119 Bewerber, die sich im Laufe des Berichtsjahres gemeldet haben. Auf einen Bewerber kommen damit im Agenturbezirk 1,63 Ausbildungsplätze. Zurzeit sind noch 794 junge Frauen und Männer auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle. Gleichzeitig sind noch 1429 Ausbildungsplätze unbesetzt.
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„Seit März können unsere Berufsberater keine persönlichen Beratungsgespräche an den Schulen anbieten, das erschwert uns den Zugang zu den jungen Menschen“, sagt Daniela Tomczak die für Juni auch einen besonders starken Anstieg der Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen meldet. 1497 Arbeitslose waren im Juni unter 25 Jahre alt, das sind 103 oder 7,4 Prozent mehr als im Vormonat und 516 beziehungsweise 52,6 Prozent mehr als im Juni des letzten Jahres.
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Die Unternehmen
Weniger Ausbildungsverträge: Bestätigt wird diese Beobachtung von der Industrie- und Handelskammer (IHK). 237 Lehrverträge schlossen die IHK-zugehörigen Unternehmen in Siegen-Wittgenstein und Olpe im ersten Halbjahr 2020 ab – 442 oder 26 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. „Die Wucht, mit der der regionale Lehrstellenmarkt momentan nachgibt, ist schon erstaunlich“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener.
Noch freie Stellen: Vor diesem Hintergrund habe die IHK in den vergangenen fünf Tagen 670 ihrer rund 1100 Ausbildungsbetriebe in einer Blitzumfrage um ihre Einschätzung gebeten. 57 befragte Unternehmen aus dem Kreis Olpe und 111 aus Siegen-Wittgenstein gaben an, gerne noch Lehrstellen zu besetzen. 358 offene Ausbildungsplätze wurden dabei der IHK gemeldet, davon 247 in Siegen-Wittgenstein. IHK-Referatsleiterin Sabine Bechheim: „Rechnet man diese Zahl auf alle IHK-zugehörigen Ausbildungsunternehmen hoch, sind derzeit in rund 250 Unternehmen sicher noch 550 bis 600 Lehrstellen direkt zu besetzen.“
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Konjunktur, nicht Corona: Fast überhaupt kein befragtes Unternehmen gab an, aus der betrieblichen Erstausbildung aussteigen zu wollen. Viele hätten ihr Ausbildungsengagement aus konjunkturellen Gründen reduziert. 70 Prozent der im IHK-Bereich eingetragenen Lehrverträge entfallen auf die Industrieunternehmen, die schon ein Jahr vor Lehrbeginn ihre Verträge unter Dach und Fach bringen. Klaus Gräbener: „Corona war damals in der Wirtschaft ein Fremdwort. Die nachlassende Konjunktur spürten jedoch sehr viele“. Sabine Bechheim: „Nur elf Prozent der Unternehmen, die weniger ausbilden wollen als im Vorjahr, begründen dies mit der Corona-Pandemie.“ Dies sehe in Teilen des Handels, vor allem aber im Gastgewerbe und in der Reisebranche anders aus.
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Weniger Bewerber: In den 670 Einzelgesprächen mit den Firmen wurde nach Angaben der IHK zudem deutlich, dass nach wie vor sehr viele Unternehmen mit einer geringeren Bewerberanzahl zu kämpfen haben. Etliche seien darüber hinaus von der Qualität der eingehenden Bewerbungen regelrecht enttäuscht. Jeder sechste Betrieb, der weniger als im Vorjahr ausbilde, gebe dies als Ursache an.
Lieber Schule: Klaus Gräbener: „Wir glauben zudem, dass viele Eltern ihren Kindern wegen der gravierenden wirtschaftlichen Unsicherheiten derzeit raten, zunächst noch ein Jahr in die Schule zu gehen oder aber ein Studium in Angriff zu nehmen.“ Das sei aber nicht „zielführend“. Die IHK will gemeinsam mit der Agentur für Arbeit die üblicherweise erst im Oktober beginnenden Nachvermittlungsaktionen bereits im kommenden August starten.
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