Müsen. Im Hilchenbacher Stadtteil Müsen wurde 1880 eine Kleinkinderschule gegründet – Sie ist damit eine der ältesten Einrichtungen im Siegerland

„Sie erzähle den Kindern von dem Heiland, lehre sie beten, singe und spiele mit ihnen, wie eine gute Mutter es tut.“ Die Mutter solle sie sich zum Vorbild nehmen und nicht den Lehrer – so heißt es in der Dienstanweisung aus den frühen 1900er Jahren für die Müsener Kleinkinderschwestern. Vor 140 Jahren, am 24. Juni 1880, wurde die Kleinkinderschule zu Müsen eröffnet.

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Nur Kindergarten in Freudenberg ist älter

Eine Kleinkinderschwester – eine Diakonisse, die aus Bielefeld und später Witten ins Siegerland geschickt wurde – betreute damals bis zu 60 Kinder, mit Gehilfin sogar bis zu 130. Ein Betreuungsschlüssel, über den Kornelia Simon, Leiterin der Evangelischen Kindertageseinrichtung Müsen, heute schmunzeln muss. Aus der Kleinkinderschule ist eine moderne Einrichtung geworden, in der heute sieben Erzieherinnen 46 Kinder in zwei Gruppen betreuen, unterstützt von zwei Hauswirtschaftskräften.

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Das 140-jährige Bestehen hätte die Kita eigentlich am vergangenen Sonntag mit einem Festgottesdienst in der Müsener Kirche und einem Sommerfest rund um die Kita gefeiert. „Und dann kam Corona“, sagt Simon bedauernd. Auch wenn das große Fest ausfallen musste, blickt sie in diesen Tagen gern zurück auf die Geschichte ihres Kindergartens, denn 140 Jahre sind ein stattliches Alter. Die meisten Kindertageseinrichtungen in Trägerschaft des Evangelischen Kirchenkreises Siegen sind deutlich jünger, viele wurden in den frühen 1980er Jahren eröffnet. Nur das Haus der kleinen Flecker in Freudenberg ist mit dem Gründungsjahr 1864 noch älter.

Siegerländer Küche verschreckt Schwestern

Im damaligen Bergmannsdorf Müsen sollte die Einrichtung der Kleinkinderschule vor 140 Jahren die Mütter entlasten. Sie brachten ihre Kinder „regelmäßig und pünktlich, rein gewaschen und gekämmt“, so die Aufnahme-Bedingungen, in die Kleinkinderschule, damit sie selbst mehr Zeit für den Haushalt hatten oder für die oftmals armen Familien etwas Geld dazuverdienen konnten. An pädagogische Arbeit sei damals allerdings nicht zu denken gewesen, sagt Leiterin Simon: „Das war ein reines Verwahren.“

Personelle Wechsel standen an der Tagesordnung, denn nicht allen Diakonissen gefiel es im Siegerland. In einem Brief von 1897 schrieb der Wittener Diakonissen-Pastor, dass mehrere Schwestern über die Einsamkeit in Müsen klagten und auch über das Essen: Milchsuppe mit Schweinefleisch. „Ich gestehe“, schreibt er in dem Brief an den örtlichen Pastor weiter, „Schweinefleisch und Speck in Milchsuppe brächte ich nicht herunter.“ Wenn es mehr „derartige Delikatessen“ in der Siegerländer Küche gäbe, solle der Pastor die Kostleute doch bitten, „diese Spezialitäten fortzulassen“.

Kita in Müsener Dorfleben integriert

Heute herrscht schon lange personelle Kontinuität in der Evangelischen Kita: „Wir haben ein sehr beständiges, gutes Team“, sagt Simon, die selbst seit 42 Jahren in der Kita arbeitet und sie seit 2013 leitet. Auch einige ihrer Kolleginnen sind seit mehr als 20 oder sogar 30 Jahren da. Aus der Kleinkinderschule ist eine moderne Einrichtung geworden, in der Übermittagsbetrieb, U3-Betreuung und die integrative Arbeit mit Kindern mit besonderen Förderbedarfen selbstverständlich zum Alltag gehören. „Wir sind aber auch ein dörflicher Kindergarten, in dem es sehr familiär zugeht“, betont Simon.

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Nicht nur örtlich liegt die Kita mitten in Müsen – sie ist auch fest integriert ins Dorfleben. Mit den örtlichen Vereinen gebe es ebenso ein gutes Miteinander wie mit den Müttern und Vätern, sagt die Kita-Leiterin: „Die Eltern packen mit an.“ Etwa beim neuen Klettergerüst, das bald im großen Außenbereich stehen soll. Auch an der abgesagten Jubiläumsfeier am vergangenen Wochenende hätten Eltern, Vereine und Unternehmen aus dem Ort mitgewirkt. Nun hofft Simon, das Fest vielleicht im kommenden Jahr als Sommerfest nachholen zu können. Auf die Unterstützung aus dem Dorf kann die Kita sicher auch dann setzen.

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