Siegen. Ausgerechnet der Wahlbezirk mit ihrem einzigen Direktmandat wird zerrupft – dagegen geht die Siegener UWG vor.
Der Wahlausschuss muss in den Sommerferien zu einer außerplanmäßigen Sitzung zusammentreten. Die UWG führt Beschwerde gegen die Einteilung der Wahlbezirke.
Passiert ist es am 20. Dezember 2019: Da hat der Verfassungsgerichtshof für das Land NRW nicht nur die Bürgermeister-Stichwahl erhalten, sondern fast schon beiläufig auch den Umgang der Kommunen mit dem Zuschnitt ihrer Wahlbezirke zurechtgestutzt. Nicht mehr um bis zu 25, sondern höchstens noch um 15 Prozent dürfen deren Einwohnerzahlen von der Größe abweichen, die ein Wahlbezirk bei gleichmäßiger Verteilung der Einwohner hätte. Im Siegener Stadtgebiet wurde die 15-Prozent-Marke in zwölf von 29 Bezirken gerissen.
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Der Fall: Mehr als 1100 Wähler sollen wandern
Im Bereich Fischbacherberg und Achenbach segnete der Wahlausschuss am 5. Februar 2020 bei einer Gegenstimme die neue Wahlbezirksaufteilung ab, die Rechtsanwalt Dr. Jochen Heide so zusammenfasst: 678 Einwohner der Alten Dreisbach werden aus dem Wahlbezirk 12 in den (Eiserfelder) Wahlbezirk 26 umgezont, zugleich 448 Einwohner vom Fischbacherberg (Wahlbezirk 13) nach Achenbach (12) ausgelagert. Insgesamt, so rechnet der Anwalt der Düsseldorfer Kanzlei vor, bekommen 1126 Einwohner einen anderen Stadtverordneten, damit der zu große 12er Bezirk um 230 Einwohner kleiner wird – und damit immer noch um zwei Einwohner größer bleibt, als dies vom Urteil des Verfassungsgerichtshof abgedeckt wird.
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Dass sich die UWG dagegen beschwert, liegt auf der Hand: Der 12er ist „ihr“ Bezirk, der einzige mit einem UWG-Direktmandat. Gewonnen hat ihn 2014 Fraktionsvize Günther Langer mit 55,37 Prozent. In allen vier Stimmbezirken, von denen einer auch schon auf dem Fischbacherberg liegt, hatte er die Nase vorn, in Achenbach selbst holte er fast 70 Prozent, und bei einer Wahlbeteiligung von mehr als 51 Prozent gehörte Achenbach zu den besten im Stadtgebiet.
Fischbacherberg statt Alte Dreisbach
Langer droht nun ein schlechter Tausch: Der 13er, mit knapp unter 40 Prozent Wahlbeteiligung, wurde zuletzt von der CDU geholt. Wie ein Spieß ragt Langers neuer 12er in die 13 hinein, teilweise – wie auf der Ypernstraße – verläuft die Grenze in der Fahrbahnmitte. All das, so der Anwalt der UWG, sei „unverhältnismäßig“ und „rechtlich nicht haltbar“, zumal es eine Alternative gebe: Man müsste nur die Johanneshütte statt der Fischbacherberg-Exklave in den 12er packen.
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Beanstandet wird in der Beschwerde weiter die Verletzung gewachsener Ortsstrukturen, für das Verfassungsgericht eine Begründung, nicht auf der 15-Prozent-Marke zu bestehen: Die Alte Dreisbach gehöre nun einmal zu Achenbach. „Eine Aufteilung dieser gewachsenen Ortsstruktur würde sowohl den Zusammenhalt der Bürgerinnen und Bürger als auch die Wahlbereitschaft schmälern.“ Mit dieser Begründung wurde im Wahlausschuss auch auf die Teilung des Wahlbezirks Trupbach/Seelbach und Kaan-Marienborn mit Volnsberg und Breitenbach verzichtet.
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Die Reaktion: Die UWG klagt
Am 25. Februar erteilt die UWG der Düsseldorfer Anwaltskanzlei die Vollmacht, sie gegen die Stadt Siegen zu vertreten. Vom 13. März datiert die Beschwerde, deren Eingang am 16. März im Siegener Rathaus bestätigt wird. Als Wahlleiter lässt Kämmerer Wolfgang Cavelius die Beschwerde am 9. April zurückweisen: Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit einer Wahl sei „auf die nachträgliche Wahlprüfung beschränkt“. Dagegen legt die UWG am 20. Mai Rechtsaufsichtsbeschwerde bei der Kommunalaufsicht des Kreises ein. Die Kommunalaufsicht sehe „keinen Anlass zum Einschreiten“, heißt es in der von Dezernent Henning Setzer unterschriebenen Antwort vom 2. Juni. Der Siegener Wahlausschuss sei nicht einzubinden gewesen. „Daher hat der Wahlleiter (...) auch Ihnen direkt abschlägig antworten können.“
Bereits am 27. Mai beantragt die UWG beim Verwaltungsgericht Arnsberg eine einstweilige Anordnung gegen die Stadt Siegen: Deren Wahlleiter soll verpflichtet werden, das Thema „unverzüglich“ dem Wahlausschuss vorzulegen.
Nach der Wahl könnte die UWG klagen
Dass der Siegener Wahlausschuss die Einteilung der Wahlbezirke ändert, ist unwahrscheinlich – denn alle Parteien müssten dann erneut ihre Kandidaten nominieren.
Nach der Wahl könnte die UWG klagen – ob sie das tut und ob sie damit Erfolg hat, dürfte vom Ergebnis der Wahl abhängen. Zuletzt musste 2014 in Netphen die Kommunalwahl in einem Wahlbezirk wiederholt werden, weil das Ergebnis dort entscheidend für die Zusammensetzung des Rates war. Dort waren am Wahltag in einem Wahllokal keine Stimmzettel vorhanden.
Danach wird offensichtlich viel telefoniert, wie aus Vermerken des Gerichts hervorgeht. Wahlleiter Cavelius habe erklärt, „nach Rücksprache mit dem Bürgermeister dazu zu neigen, dem Antragsbegehren nachzukommen“. Aus dem städtischen Rechtsamt kommt der erneute Hinweis, dass die Beschwerde der UWG „offensichtlich unzulässig“ sei, worauf das Gericht bemerkt, dass dem Wahlleiter eine solche Feststellung nicht zustehe.
Wahlausschuss berät am 2. Juli
Am 10. Juni wird das Verfahren eingestellt, die Stadt beruft „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ den Wahlausschuss ein und übernimmt die Verfahrenskosten für das Verwaltungsgericht. In der Vorlage zur Sitzung am Donnerstag, 2. Juli, ab 17 Uhr im Geisweider Ratssaal empfiehlt die Verwaltung, die Beschwerde der UWG als „unzulässig“ zurückzuweisen.
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