Siegen. Die Propaganda der Nazis blendet in den letzten Kriegstagen die Sorgen der Bevölkerung aus und appelliert an Opferbereitschaft - auch in Siegen.

In der neuen Ausgabe seines „Klick in die Vergangenheit“ erinnert das Stadtarchiv Siegen an die Beendigung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft am 9. April 1945 und an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren.

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Bereits vor der Zerstörung Siegens am 16. Dezember 1944 hatten sich in Teilen der Zivilbevölkerung Lethargie, Kriegsmüdigkeit und Desillusion abgezeichnet. Die zermürbenden Fliegerangriffe gingen aber auch danach unvermindert weiter.

Durch die Bombardements im Jahr 1945 am 29. Januar, am 1. Februar, am 19. Februar und am 12. März kamen weitere Zivilisten zu Tode. Der letzte Luftangriff auf Siegen erfolgte am 23. März 1945.

In Siegener Bunkern mangelt es an Licht und Luft

In Anbetracht dieser Gefahrenlage prägte der Aufenthalt in Luftschutzstollen und Bunkern vielfach den Alltag der Bevölkerung. Doch in den Bunkern und Stollen mangelte es an Licht, Luft, Nahrung, Medikamenten und sanitären Anlagen.

Exponate im Lesesaal ausgestellt

Die ausführliche PDF-Dokumentation ist auf der Homepage www.stadtarchiv-siegen.de abrufbar.

Ausgewählte Exponate können in einer Glasvitrine im Lesesaal des Stadtarchivs unter Beachtung der Corona-Auflagen in Augenschein genommen werden.

„Angesichts akuter Existenznöte, hygienischer Missstände und grassierender Krankheiten waren nicht nur Solidaritätsgefühl und selbstlose Hilfsbereitschaft unter den Menschen zu beobachten. Auch Psychosen, Egoismus und Diebstahl waren offenbar an der Tagesordnung“, so Christian Brachthäuser vom Stadtarchiv Siegen.

Der Bibliothekar hat Schriftquellen ausgewertet und ausgewählte historische Dokumente aus den Archivbeständen zusammengetragen: alliierte Flugblätter, nationalsozialistische Propaganda, Lebensmittelmarken und Fotografien.

Nach dem Feuersturm von Dresden

„Auffällig dabei ist, dass die Propaganda der Nationalsozialisten die Alltagssorgen der Bevölkerung und ihre Versorgungsengpässe im Bombenalltag weitgehend ausblendete und sich im Wesentlichen darauf beschränkte, unermüdlich an die Opferbereitschaft der Menschen zu appellieren“, so Brachthäuser.

Am 26. Februar 1945 – zwei Wochen nach dem Feuersturm von Dresden mit rund 25.000 Toten – verkündeten die Medien auch im Siegerland noch großflächig Hitlers Prognose, dass eine vermeintliche Wende noch in diesem Jahr zugunsten des Deutschen Reichs eintreten werde – ein Trugschluss.

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Der neue „Klick in die Vergangenheit“ zeigt auch, wie sehr sich die Ernährungssituation in den letzten Kriegstagen unter dem Eindruck mangelnden Nachschubs und Auflösungserscheinungen der staatlichen Gewalt zuspitzen sollte.

So waren beim Einmarsch amerikanischer Streitkräfte in Siegen am 1. April 1945 infolge zerstörter Bahnlinien und beschädigter Straßenzüge kaum noch Nahrungsmittelvorräte vorhanden.

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