Siegen. Das Schöffengericht verurteilt einen Handtaschenräuber zu einer Bewährungsstrafe. Er sitzt seit Dezember in U-Haft.

Die meisten Umstände waren vor zwei Wochen bereits geklärt worden. Der Angeklagte N. (28) hatte vor dem Schöffengericht zugegeben, am 18. Dezember 2019 einer Frau in Siegen am frühen Morgen die Handtasche geraubt zu haben.

Daran konnte er sich auch erinnern, an die Umstände oder ein mögliches Motiv seinerseits aber nicht. Nach seiner Verhaftung wurden 1,65 Promille festgestellt, dazu noch Spuren der Einnahme von Betäubungsmitteln. Zwei Sicherheitsleute vom Siegener Weihnachtsmarkt, die der Überfallenen aufgrund ihrer Rufe zur Hilfe kamen, beschrieben den Mann als leicht durcheinander. Alkohol wollten beide nicht gerochen haben.

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Polizeibeamte berichten über Festnahme

Für ein abschließendes Bild der Situation hat Amtsrichter Uwe Stark für den zweiten Verhandlungstag am Dienstag fast ein Dutzend Polizisten geladen, die in irgendeiner Form mit dem Vorfall zu tun hatten. Einige haben das Diebesgut am Obergraben gefunden. Dort hatte sich N. in einen Hauseingang geflüchtet. Die Beamten, die ihn dort vorfanden, schildern übereinstimmend einen Mann, der eindeutig nach Alkohol gerochen habe, wenngleich die Intensität der „Fahne“ unterschiedlich beschrieben wird. Zugleich sind alle Zeugen sicher, dass N. ihren Anweisungen folgen konnte und weitgehend orientiert war.

Auch die spätere Vernehmung auf der Wache sei problemlos gelaufen, sagt der zuständige Polizist und schließt daraus, dass der Angeklagte durchaus an Alkohol gewöhnt sein müsse. Was dieser vor 14 Tagen bestritten hatte.

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Staatsanwältin beantragt Gefängnisstrafe

Das Raubgut wurde dort gefunden, wo der Mann sich gestellt hatte. An der Handtasche konnten eindeutige DNA-Spuren des Mannes festgestellt werden, der in Marokko geboren wurde, nach eigenem Bekunden aber schon 20 Jahre in Italien lebt und arbeitet. In Siegen will er nur auf Besuch gewesen sein.

Für Staatsanwältin Tabea Schneider ist die Tat nach der Hauptverhandlung erwiesen. Sie beantragt ein Jahr und drei Monate Haft gegen N., ohne Bewährung. Der Angeklagte habe eine geschiedene Frau in Marokko, lebe ohne feste Strukturen in Italien und habe auch in Siegen keine Bindungen. Da könne sie ihm keine gute Sozialprognose stellen. Ein minderschwerer Fall sei trotz des Alkohols nicht gegeben.

Sorge um Arbeitsplatz in Italien

Verteidiger Björn Lange widerspricht, verweist auf die mögliche Enthemmung durch den Alkohol bei seinem Mandanten, der keine Vorstrafen habe und nach seinen Informationen sehr wohl in gefestigten Strukturen in Italien lebe. Lange beantragt „eine milde Strafe“, die seinem Mandanten die Zukunft nicht verbaue. Die fünf Monate Untersuchungshaft hätten einen ziemlichen Eindruck hinterlassen. N. selbst bestätigt dies und bittet ausdrücklich um Entschuldigung: „Am liebsten möchte ich gleich nach Italien zurückkehren.“ Er habe die Sorge, ansonsten seine Arbeit dort zu verlieren.

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Richter Stark und die Schöffen halten den Antrag der Staatsanwältin auf 15 Monate Haft für angemessen, ebenso aber den nunmehr Verurteilten für bewährungswürdig. Als italienischer Staatsbürger sei N. wie ein Deutscher zu behandeln, betont der Vorsitzende. Da falle nicht zuletzt ins Gewicht, dass er keine Vorstrafen habe. Auch nicht in Italien. Die dortigen Behörden seien sehr zuverlässig, wenn es um die entsprechende Informationsübermittlung gehe.

Großer Teil der Strafe ist verbüßt

Das Gericht habe keine Strafmilderung durch die festgestellten Drogen und den Alkohol gesehen, wohl aber eine gewisse Enthemmung. N. habe Arbeit in Italien und mit seiner U-Haft seit dem 19. Dezember auch bereits einen beträchtlichen Teil an Strafe verbüßt. Auflagen gibt es keine. N. müsse allerdings drei Jahre straffrei bleiben, sonst gehe er doch noch ins Gefängnis. Vielleicht sei das Essen in der italienischen Haft ja besser, schmunzelt Stark. N. jedenfalls ist zufrieden und verzichtet auf Rechtsmittel. Die Staatsanwältin gibt keine Erklärung ab.

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