Siegen. Der AWO-Kreisverband Siegen-Wittgenstein/Olpe hat in der Coronakrise ein Begegnungstelefon unter dem Titel „Zeit zum Reden“ eingerichtet

Der AWO Kreisverband Siegen-Wittgenstein/Olpe erwägt, sein Corona-Projekt „Zeit zum Reden“ auch über den Shutdown hinaus weiterzuführen. Die Erfahrungen mit dem Begegnungstelefon, das in der Krise insbesondere für ältere Menschen zur Linderung von Einsamkeit eingerichtet wurde, „sind sehr positiv“, sagt Matthias Hess, Leiter der Abteilung Bürgerdienste beim Kreisverband. Einsamkeit im Alter wird nämlich über Corona hinaus ein weit verbreitetes Problem bleiben.

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Einsame Menschen in der Coronakrise unterstützen

Der Name „Zeit zum Reden“ spiegelt exakt wieder, was das Angebot leisten möchte. Menschen, die alleine sind – und in der aktuellen Lage sind das aufgrund der Kontaktbeschränkungen nun einmal mehr als sonst ohnehin schon – finden über die Hotline jemanden, mit dem sie sich unterhalten können. Gesprächspartnerinnen und -partner sind ehrenamtliche Mitarbeiter, 25 Freiwillige habe sich innerhalb kürzester Zeit gemeldet. Damit liefere das Begegnungstelefon Antworten auf zwei Fragen, die sich das AWO-Team zu Beginn der Krise stellte, wie Matthias Hess erklärt: „Wie können wir Menschen, die nun alleine zu Hause sind, unterstützen? Und wie beschäftigen wir Ehrenamtliche aus Projekten, die wegen Corona pausieren müssen?“

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Anfangs, sagt der Abteilungsleiter, habe es viele Anrufe gegeben, in denen Menschen die Aktion einfach lobten. Manche Anrufer hätte auch nach Angeboten wie Einkaufsservices gefragt, „da haben wir dann vermittelt“. Solche eher pragmatischen Kontaktaufnahmen seien bei der AWO durchaus die Regel, „Menschen rufen eher bei uns an, wenn sie einen konkreten Hilfebedarf haben“. Am Begegnungstelefon gibt es in solchen Fällen Hinweise auf zuständige Stellen, die Zielsetzung ist aber eine andere: Sinn und Zweck ist der menschliche Austausch.

Verlässlichkeit tut gut

Etwa ein Dutzend Menschen nehmen das Angebot laut Matthias Hess derzeit in Anspruch. Das Verhältnis von Leuten, die vorher bereits Kontakt zur AWO hatten und gänzlich neuen Nutzerinnen und Nutzern liege bei 50/50. Ein Dutzend klingt zwar zunächst nicht viel; einerseits ist das Projekt aber erst seit wenigen Wochen am Start und noch nicht allzu bekannt, andererseits ist es auf Eins-zu-Eins-Betreuung ausgelegt. Die Anrufer sprechen zunächst mit einer hauptamtlichen Kraft, diese vermittelt auf Grundlage dieses Erstgesprächs einen Ehrenamtler oder eine Ehrenamtlerin.

Kontakt

Das Begegnungstelefon „Zeit zum Reden“ der AWO ist unter 0271/3386-131 zu erreichen, montags bis freitags jeweils von 9 bis 14 Uhr.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „haben ein offenes Ohr und vermitteln die Anrufenden mit ihrem Gesprächswunsch an Ehrenamtliche“, heißt es in der Beschreibung. Die wöchentlichen Folgetelefonate werden dann individuell direkt mit den Ehrenamtlichen verabredet. Das Angebot ist kostenlos nutzbar.

Die Anrufer können dabei entscheiden, wie oft sie Kontakt wünschen. Vielen tue es bereits gut, „diese Verlässlichkeit zu haben“, sagt Matthias Hess. „Da ist jemand, der mich mindestens einmal in der Woche anruft“. Gerade für Seniorinnen und Senioren, die zu ihren Familien nicht so engen Kontakt haben, deren Angehörige vielleicht auch in anderen Städten wohnen, sei das ein gutes Gefühl.

Keine Konkurrenz zur Telefonseelsorge

Die ehrenamtlichen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner stammen überwiegend aus der Altersgruppe 60 bis 70, es sind aber auch Mittdreißiger dabei. Derzeit sind 15 Frauen und zehn Männer im Team. Die Ehrenamtlichen rufen die ihnen zugeteilten Menschen dann zu vereinbarten Zeitpunkten an, übrigens mit unterdrückter Nummer, um zunächst die eigene Privatsphäre zu schützten – immerhin melden sie sich bei einer ihnen bis dahin völlig fremden Person, da brauche es eine gewisse professionelle „Distanz, weil man sich ja erstmal kennenlernen muss“, sagt Matthias Hess.

Die Initiatoren haben ein Handout für die Ehrenamtlichen erstellt, in dem beispielsweise auch Anregungen aufgelistet sind, welche Themen sich als Gesprächsaufhänger eignen: Die Lebensgeschichte, Lebensstationen, Hobbys, Urlaubsreisen – also alles, worüber Menschen sich in der Regel gerne unterhalten und rasch einen Zugang zueinander finden. Das Angebot, so unterstreicht Matthias Hess, sei aber keine Konkurrenz zur Telefonseelsorge. Gehe es um psychische Krisen oder akute gesundheitliche Probleme, müssten die Ehrenamtlichen an entsprechend qualifizierte Stellen weitervermitteln. Bisher habe sich der Ansatz aber bewährt. „Die Rückmeldung der Ehrenamtlichen: Es sind einfach nette Gespräche.“ Und genau das ist ja das Ziel.

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Angebot nach der Coronakrise

„Wir haben direkt gesagt: Das ist ein tolles ehrenamtliches Projekt, das wir dauerhaft etablieren könnten“, sagt Matthias Hess. Die Erfahrungen der vergangenen Wochen bestätigten das. Einsamkeit im Alter sei ein großes Problem, aber es gebe auch junge Menschen, die einsam sind, und denen ein solches Angebot helfen könne.

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