Netphen. Die Grabungen im künftigen Netphener Baugebiet sind abgeschlossen. Jetzt wissen die Archäologen mehr über das Wohnen in der Eisenzeit.

Die archäologische Erkundung des Burggrabens ist abgeschlossen. Bei einer Sondierung im Herbst 2018 waren Hinweise auf eine eisenzeitliche Siedlung gefunden worden. Die Stadt stellte einen Teil des künftigen Wohngebietes unter Denkmalschutz. Im Herbst 2019 begann eine Grabung, mit der die Stadt Netphen die Firma Archaeonet aus Bonn beauftragt hat. „Wir hatten unglaublich nasses Wetter“, erklärt Dr. Manuel Zeiler, wissenschaftlicher Referent in der Außenstelle Olpe der Archäologie-Abteilung des Landschaftsverbandes, die lange Unterbrechung über den Winter.

Zum Abschluss der Arbeiten auf dem etwa 60 mal 20 Meter großen Feld wurde der Boden noch einmal 25 bis 30 Zentimeter tief abgezogen. „Wir sind froh, dass wir unsere Arbeit noch machen können“, sagt Manuel Zeiler. Zuschauer, auch örtliche Heimatforscher, durften wegen der Corona-Bestimmungen aber nicht zugelassen werden.

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Was ist eigentlich der Burggraben?

Der Burggraben ist eine Wallburg aus der Eisenzeit. Der unter Denkmalschutz stehende Ringwall liegt auf der Kuppe zwischen den Tälern von Netphe und Mühlenbach. Manuel Zeiler sieht die Befestigung als Teil einer Umrahmung des Siegerländer Montanreviers: zusammen mit der Alten Burg bei Obernau, der Alten Burg in Burbach, dem Bühl in Niederschelden und dem Kindelsberg. „Spannend“ findet Manuel Zeiler das Beinahe-Nebeneinander von Burggraben und Alter Burg: Ihre Blickfelder decken jeweils die toten Winkel der Nachbarbefestigung ab, „als wären beide Anlagen zueinander konzipiert worden“. Die Eisenzeit ist allerdings lang, so dass eine Anlage die Vorgängerin der anderen gewesen sein könnte.

Neubaugebiete

Netphens letzte große Neubaugebiete im Kernort sind in den 1980er bis 2000er Jahren entstanden: Im Nassen, Wellerseifen und Rosenwäldchen. Eine kleine neue Siedlung ist auf dem ehemaligen Susan-Gelände an der Netphe erschlossen worden

Alternativ zum Burggraben wurde für ein Neubaugebiet auch das Mühlenbachtal in Richtung Frohnhausen untersucht und als zu klein verworfen. Dort bleibt die Fläche für die Landwirtschaft.

Nicht in diesen zeitlichen Zusammenhang passt übrigens die Alte Burg in Dreis-Tiefenbach, die auf das Hochmittelalter datiert wird. Ebenso wenig die Graf-Gerlachs-Burg bei Sohlbach, über deren Bauherren und –zeit man so gut wie nichts weiß; auch hier reichen die Schätzungen allenfalls zurück in die Karolingerzeit, also einige Jahrhunderte nach der vorchristlichen Eisenzeit.

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Was haben die Archäologen gefunden?

Bei der ersten Sondage im Herbst 2018 – Abfall, also Scherben von Koch- und Vorratsgefäßen aus dem alltäglichen Gebrauch, mit denen Hohlräume von Pfosten gefüllt wurden, auf denen Häuser standen. Damit war der Beweis erbracht, dass hier tatsächlich Menschen gesiedelt haben, zwischen 500 und 0 vor Christus. Bei der eigentlichen Grabung ein Jahr später, die jetzt im März abgeschlossen wurde, bestätigten Erwartungen sich nicht, auf eine größere Siedlung mit mehreren Hofstellen zu stoßen. Ein „ganz massiver Abtrag“, so Zeiler, hat das Gelände verschüttet. „Die eisenzeitlichen Strukturen sind nur noch sehr schwach erhalten.“ Fest steht, dass der Hang in der Eisenzeit von Siedlern terrassiert wurde, mindestens für ein einzelnes Gehöft. „Der Burggraben ist eine eisenzeitliche Siedlung. Wir wissen nur nicht, wann und von und von wem sie angelegt wurde.“ Irgendwann ist sie verloren gegangen, „wir können weder Beginn noch Ende feststellen.“

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Dass der Burggraben, ein besonnter Südhang, von da ab bis heute attraktive Siedlungslage wurde, können die Archäologen belegen: Im frühen Mittelalter, als das zwischenzeitlich von Menschen verlassene Siegerland erneut besiedelt wurde, „haben die Köhler die Terrassierung natürlich genutzt“, berichtet Manuel Zeiler. Gefunden wurde ein mittelalterlicher Grubenmeiler: Das Holz wurde in die Grube von etwa einem Meter Durchmesser eingelagert, mit Erde überdeckt und angezündet. „Das sind die ersten Meiler, die wir kennen.“ Zwischen dem 6. und 14. Jahrhundert wurde auf diese Weise Holzkohle hergestellt – bevor ab dem Hochmittelalter die Platzmeiler, wie sie zum Beispiel in Walpersdorf stehen, an die Stelle der Grubenmeiler traten.

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Was bedeutet das für die künftige Forschung?

„Diese kleine Grabung ist sehr bedeutend“, sagt Manuel Zeiler. Die Burgenforschung ist zwar alt, auch die Wallanlage des Burggrabens wurde schon in den 1930er Jahren von Amateurforschern erkundet. „Deren Ergebnisse wurden immer ein bisschen übersehen“ – weshalb auch in Netphener Geschichtsbüchern der Burggraben immer noch jünger gemacht und ins Mittelalter datiert wird. Auch Verhüttungsplätze und Friedhöfe wurden in den letzten Jahrzehnten immer wieder entdeckt. „Nur die Siedlungen fehlten uns. Nach und nach kommen wir jetzt ans Ziel.“ Für die Zukunft wissen die Archäologen, wo und wonach sie suchen müssen: nicht nach größeren Orten, sondern nach kleinen Siedlungen an Mittelhängen und in Gewässernähe, wie eben dem Hang des Burggrabens über dem Tal der Netphe.

Landschaftsverband, Ruhruniversität und Deutsches Bergbaumuseum Bochum arbeiten seit fast 20 Jahren bei der Eisenzeit-Erforschung des Siegerlandes zusammen. „Die Geländeforschungen sind vorbei, wir schreiben jetzt die Bücher.“ Die Forschung in Netphen wird ein Mosaikstein in diesem Gesamtbild werden.

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Was geschieht mit dem Gelände?

Seit 2007 plant die Stadt die Erschließung eines Wohngebietes auf dem Burggraben – das letzte große Neubaugebiet im Netphener Kernort, das sich an die Haardt anschließt und bis zum Wanderparkplatz Leimbachtal erstreckt. Ursprünglich waren um die 130 Bauplätze geplant, aktuell sieht der Bebauungsplan noch 75 Baugrundstücke auf dem insgesamt knapp 15 Hektar großen Plangebiet vor. In einem ersten Bauabschnitt sollen 42 Grundstücke erschlossen werden. Die Erschließungsstraße, die in einem großen Bogen mit Abzweigungen den Hang hinaufführt, wird gegenüber der Altwiese an die B 62 angebunden. Das dortige Gewerbegebiet ist ebenfalls Teil des Plangebietes. Im Winter muss dort eine mobile, fünf Meter hohe und zehn Meter lange Lärmschutzwand aufgestellt werden, um das neue Wohngebiet gegen den städtischen Baubetriebshof und seine frühmorgendlichen Winterdiensteinsätze abzuschirmen.

Der Denkmalschutz für die Grabungsfläche kann nun wieder aufgehoben, der Bebauungsplan offengelegt und als Satzung beschlossen werden. Im Haushaltsplan der Stadt sind Kanalbau mit 480.000 Euro und Straßenbau mit 180.000 Euro für das Jahr 2021 vorgesehen.

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