Im künftigen Neubaugebiet Burggraben haben schon vor über 2000 Jahren Menschen gewohnt. Archäologen stoßen bei Sondierung auf Spuren.

Netphen. Der Burggraben wird die neue Sonnenseiten-Wohnlage in Netphen-Mitte. Bei der Auswahl des Geländes für das neue Wohngebiet war die Stadt allerdings nicht sonderlich originell: Schon in der Eisenzeit haben dort Menschen gewohnt, „irgendwo zwischen 500 vor Christus und 0“, sagt Dr. Manuel Zeiler, Archäologe des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe.

Die Grabung

Vor gut zwei Wochen hat Dr. Zeiler einen Bagger der Stadt Netphen auf zwei etwa 20 Mal 50 Meter großen Flächen die 25 bis 35 Zentimeter starke Humusschicht abziehen lassen. Zutage kamen „sehr viele Scherben“ von Koch- und Vorratsgefäßen, „funktional, nicht besonders verziert“. Ihre Eigentümer haben sie als Abfall hinterlassen, mit dem die Hohlräume der Pfosten verfüllt wurden, auf denen sie ihre Häuser errichtet hatten. „Man kann feststellen, dass da Gebäude waren“, sagt Manuel Zeiler — und das sei „eine spannende Entdeckung“.

Die Erwartung, dort fündig zu werden, hatte Zeiler von Anfang an, als die Stadt Netphen die Außenstelle der Bodendenkmalpflege in Olpe an der Burggraben-Planung beteiligte. Die Südostlage mit viel Sonneneinstrahlung sei für eine Siedlung nahezu ideal, der mittlere Hang biete zudem Schutz vor Westwinden: „Eine Top-Siedlungslage.“ Verhüttungsplätze wurden schon im vorigen Jahrhundert entdeckt, auch unweit des Burggrabens – nur die Frage, ob die Menschen, die dort gearbeitet haben, auch in der Nähe wohnten, blieb bisher unbeantwortet. „Nun wissen wir, dass es da einen Kontext gibt.“ Rund in jeder Hinsicht wird die Geschichte durch die Wallburg, die der Burggraben umzogen hat. Die stamme keineswegs, wie in der bisherigen Forschung behauptet, aus dem Mittelalter. Sondern schon aus der Eisenzeit. „Darum wollen wir uns auch noch kümmern.“

2020 will die Stadt mit Erschließung beginnen

Im nächsten Jah r soll der Bebauungsplan für den Burggraben offengelegt und als Satzung beschlossen werden, danach folgt das Umlegungsverfahren, das bereits vorbereitet wird. Ab 2020, so Baudezernent Erwin Rahrbach, soll das Baugebiet erschlossen werden.

Offen ist derzeit noch, ob die Stadt die Reste der eisenzeitlichen Siedlung ausgraben und dokumentieren lässt oder ob der Bereich von der Bebauung ausgespart wird. „Das ist eine Frage des Aufwands“, sagt Rahrbach, „das kommt dann darauf an, wie groß die Fläche ist.“

Die Konsequenzen

In einem nächsten Schritt wird die Stadt nun eine Fachfirma beauftragen müssen, die unter Anleitung der Archäologen die Reste der Siedlung sichert und dokumentiert – auf der vergleichsweise kleinen Fläche, schätzt Manuel Zeiler, wird sich eine Kleinsiedlung, vielleicht mit zwei Bauernhöfen, befunden haben. Ob weiter oben am Hang noch mehr Siedlungsreste verborgen waren, wird niemand mehr erfahren: Die Erosion sei zu weit fortgeschritten, als dass dort Ausgrabungen noch lohnten, sagt Zeiler.

Theoretisch könnte das Amt für Bodendenkmalpflege von der Stadt verlangen, den Bereich unter Denkmalschutz zu stellen – der aber dann aufgrund des höherrangigen Interesses der Stadt, ein Wohngebiet zu ermöglichen, wieder aufgehoben werden würde. „Das akzeptieren wir auch“, sagt Manuel Zeiler, dem es vor allem um die Dokumentation der Fundstelle vor der endgültigen Zerstörung geht. „Wir sprechen das mit der Stadt ab und versuchen, pragmatisch zu handeln.“

Die Vorgeschichte

Schon aus dem Jahr 2007 datieren die ersten Planungen für das letzte mögliche neue Baugebiet im Kernort; damals war von 130 Bauplätzen die Rede, die vom Wanderparkplatz Leimbachtal aus erschlossen werden sollten. Mittlerweile plant die Stadt noch für 80 Bauplätze in der Verlängerung der Haardt. Wie ein Hufeisen, das nach Netphen offen ist, wird sich die Erschließungsstraße auf den Hang legen und gegenüber der Altwiese an die B 62 angebunden.

Um einem teuren und platzraubenden Lärmschutzwall zu sparen, wird der Baubetriebshof der Stadt im gegenüberliegenden Gewerbegebiet Altwiese im Winter eine mobile, fünf Meter hohe und zehn Meter lange Lärmschutzwand aufstellen müssen, weil die ausrückenden Winterdienstfahrzeuge sonst für das neue Wohngebiet zu laut wären. Immerhin gibt es in der Altwiese noch vier freie Gewerbegrundstücke, die die Stadt nicht aus Lärmschutzgründen ungenutzt aufgeben will. Sorgen, die die Ur-Netphener in der Eisenzeit bestimmt nicht hatten.