Siegen-Wittgenstein. 620 Menschen arbeiten in Siegen-Wittgenstein in der Fleischwirtschaft. Der Staat muss sie besser schützen, fordern Gewerkschafter.

2,29 Euro für ein Pfund Rinderhack: Mit solchen Preisen werben in dieser Woche Supermärkte im Kreis Siegen-Wittgenstein – obwohl die Corona-Krise die Herstellung von Fleisch und Wurst eigentlich viel teurer machen müsste.

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Darauf weist die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätte n (NGG) hin. „Bei der Schlachtung und Zerlegung herrscht seit Jahren ein knallharter Dumping-Wettbewerb – besonders zum Start der Grillsaison. Wohin dieser Preiskampf führen kann, zeigen die jüngsten Corona-Ausbrüche in Coesfeld und anderen Schlachthöfen“, sagt Isabell Mura, Geschäftsführerin der NGG-Region Südwestfalen.

Es sei gut, dass die NRW-Landesregierung nun alle Fleisch-Beschäftigten auf Corona testen und die Sammelunterkünfte durch die Gesundheitsämter kontrollieren lassen wolle. „Aber das darf keine einmalige Aktion sein. Aktuell geht es um das Virus. Um die Gesundheit der Beschäftigten aber auch künftig zu schützen, muss die Fleischbranche regelmäßig vom Staat in den Blick genommen werden“, so Mura.

30.000 Beschäftigte in ganz NRW

Dies müsse wesentlich intensiver geschehen als bislang. Zwar habe das Land NRW den Arbeitsschutz in der Fleischindustrie schon im Oktober vergangenen Jahres schwerpunktmäßig kontrolliert. Trotzdem sei es jetzt zu diesen fatalen Corona-Infektionsfällen gekommen. „Hier muss also deutlich mehr passieren“, fordert Mura.

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Im Kreis Siegen-Wittgenstein beschäftigt die Fleischwirtschaft nach Angaben der Arbeitsagentur 620 Menschen. In ganz Nordrhein-Westfalen arbeiten knapp 30.000 Beschäftigte in der Branche – viele osteuropäische Werkvertragsarbeitnehmer in Subunternehmen nicht mitgerechnet.

Der Gesundheitsschutz der Beschäftigten sei bei den Ramsch-Angeboten offenbar nicht eingepreist, kritisiert die NGG – „vom Tierwohl ganz zu schweigen“. Nach Informationen der Gewerkschaft hat die Arbeitsbelastung in den Schlachthöfen im Zuge der hohen Fleischnachfrage des Einzelhandels zuletzt stark zugenommen. „12-Stunden-Schichten sind in vielen Betrieben gang und gäbe. Es trifft vor allem die Werkvertragsbeschäftigten aus Osteuropa, die über Subunternehmen angestellt sind“, so Mura.

Die lange, körperlich harte Arbeit in der Schlachtung und die Zerlegung geschlachteter Tiere mache die Menschen anfälliger für Erkrankungen und schwäche ihre Widerstandskraft. Auch das sei ein Aspekt, der bei Covid-19-Infektionen nicht unter den Tisch fallen dürfe.

Gesundheitsämter in NRW sollten Blick auf Unterkünfte haben

Hinzu komme die Unterbringung. „Während überall Abstandsregeln und Kontaktsperren gelten, wohnen in den Gemeinschaftsunterkünften oft bis zu sechs Osteuropäer in einer 60-Quadratmeter-Wohnung. Dafür ziehen die Subunternehmer dann aber jedem Einzelnen auch noch 250 Euro vom ohnehin kargen Lohn ab“, berichtet Mura.

Vor allem die Gesundheitsämter müssten die Unterkünfte von Beschäftigten wesentlich intensiver ins Visier nehmen. Hier brüte überall im Land eine enorme Corona-Gefahr, so die NGG. Die Gewerkschaft fordert die Fleischhersteller dazu auf, den Gesundheitsschutz „absolut ernst“ zu nehmen.

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Sie stünden in der Verantwortung, auch bei ihren Subunternehmen für faire Arbeitsbedingungen und eine ordentliche Unterbringung zu sorgen. „Dabei ist klar: Sicherheit ist nicht zum Nulltarif zu haben. Dumpingpreise können schon deshalb nicht funktionieren. Fleisch darf keine Ramschware sein – nicht in normalen Zeiten und schon gar nicht in der Pandemie“, so Mura.

Um die Zustände in der Fleischwirtschaft dauerhaft zu verbessern, müssten aus Werkverträgen reguläre Jobs werden – bezahlt zu einem fairen Branchenmindestlohn, so die NGG. „Außerdem brauchen wir eine bessere Nachunternehmerhaftung, damit prekäre Arbeitsbedingungen und unwürdige Unterkünfte auch beim letzten Subunternehmen ausgeschlossen sind“, betont Mura.

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