Siegen. Die Coronakrise stellt auch für die Lehrenden an der Universität Siegen eine Herausforderung dar. Ein Dozent berichtet über seine Erfahrungen
Technik-Check, Sound-Check, Frisur-Check. Alles perfekt. Link zum Zoom-Meeting über den Verteiler verschicken, Studierende betreten den digitalen Seminarraum. Mit einer ordentlichen Portion Skepsis bin ich als Lehrender ins Semester an der Universität Siegen gestartet, das wegen der Coronakrise digital stattfinden muss. Trotz oder gerade wegen des riesigen Angebots an Plattformen ist es mir schwergefallen, mich zu orientieren – und innerhalb kürzester Zeit Vor- und Nachteile bestimmter Portale im dichten Dschungel verschiedener Datenschutzverordnungen zu überblicken. Oder geht es auch ohne Videokonferenz?
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Besonders in kommunikationsintensiven Seminaren innerhalb der Literaturwissenschaft, wo es nicht um reine Wissensvermittlung geht, sind Videokonferenzen unverzichtbar. Die Studierenden haben bereits im Vorfeld gesagt, dass sie gerne über die Lektüre sprechen würden. Denn das ist ja das Herz der Literaturwissenschaft: sich über Lektüreerfahrungen austauschen und eigene Interpretationen zur Diskussion stellen.
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Während der Coronakrise können Vorlesungen jederzeit angesehen werden
Die erste Sitzung auf Zoom verlief ohne Probleme, die Diskussion war intensiver, als ich es mir hätte vorstellen können, fast so, als hätten die Studis jahrelange Erfahrung. Handzeichen bei Wortmeldungen geben, Daumen hoch, wenn einem der Text besonders gut gefallen hat, stummschalten, wenn man nichts zu sagen hatte. Und ob 20 oder 35 Studierende am Meeting teilnehmen: Sie alle sitzen gewissermaßen in der ersten Reihe und jeder fühlt sich 90 Minuten beobachtet.
Gezwungen wird zu Zoom-Konferenzen niemand. Wer aus bestimmten Gründen nicht teilnehmen kann, soll nicht benachteiligt werden, sondern die Chance bekommen, ebenso gewinnbringend Erkenntnisse aus dem Seminar zu ziehen. Dazu lade ich vertonte PowerPoint-Präsentationen im Sinne einer kurzen Vorlesung zum Thema hoch, die sich die Studierenden jederzeit herunterladen können. Der Vorteil: Wenn sie etwas nicht verstanden haben, können sie die Präsentation jederzeit ein weiteres Mal anhören und sich die Folien so oft anschauen, wie sie möchten – und brauchen nicht mehr mit dem Smartphone eine Folie abfotografieren, wenn ihnen die Abschrift zu mühsam erscheint.
Face-to-Face-Kommunikation an der Uni Siegen fehlt
So habe ich auch für mich neue Möglichkeiten der digitalen Gestaltung von Seminaren entdeckt. Ich denke, dass es auch anderen Lehrenden so geht: In der Not wird man erfinderisch. Die Webinar-Befürworter triumphieren in diesem besonderen Sommersemester. Und doch: Die reine Digitalisierung kann kein Zukunftsmodell für die Literaturwissenschaft sein. Überdenken sollte jedes Fach hingegen, ob nicht große Vorlesungen mit reiner Wissensvermittlung auch nach der Coronakrise mehr den Alltag von Lehrenden und Studierenden bestimmen sollten.
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Obwohl die digitale Lehre in diesem Semester zeitliche Vorteile hat (mir bleibt etwa das Pendeln erspart), freue ich mich schon jetzt auf die üblichen Präsenz-Seminare. Denn ich schätze die Face-to-Face-Kommunikation sehr. Und wer hätte es gedacht: Es wird der Tag kommen, an dem ich das Pendeln zur Uni Siegen genießen werde.
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