Eschenbach. Die Mutmacher von Talentino sind gefragt: Sie sind für Familien mit kranken und behinderten Kindern da – denen Corona an die Substanz geht.

Die Mutmacher gehören schon seit acht Jahren zu Talentino, dem Netphener Verein, der Kinder, Eltern und Familien unterstützt. Mutmacher sind die Fachleute, die für Familien da sind, in denen Kinder mit schwerer Krankheit oder Behinderung aufwachsen. „Die aktuelle Krise verändert auch ihr Leben in einem Ausmaß, das man sich kaum vorstellen kann“, sagt Talentino-Vorsitzende Renate Weber, „die Familiensituation war schon vorher angespannt und eng getaktet. Jetzt fühlen sich viele Familien isoliert und überfordert.“ Und nun kommen auch noch die Mutmacher selbst an ihre Grenzen.

Mutmacher: Was tun?

Bei den Mutmachern arbeiten Profis – zum Beispiel Psychologen und Pädagogen – mit ehrenamtlichen Zeitschenkern Hand in Hand: Es gibt Beratungs- und Entlastungsangebote, Workshops, Online- und Telefonangebote.

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Telefon und Chat: Auf welchem Weg helfen?

„Das Problem ist der Zeitplan“, erklärt Renate Weber, warum Telefon und Internet schon immer wichtige Medien für die Arbeit waren – der Tagesablauf der Betroffenen ist zu vollgepackt, als dass darin noch regelmäßige Treffen samt Anfahrten unterzubringen wären. Oft sind Webinare die Alternative. Oder Chats, in denen sich auch die Kinder und Jugendliche untereinander austauschen – oft über Alltagsfragen, die gesunde Gleichaltrige gar nicht verstehen würden. „Gottseidank haben wir damit schon vor anderthalb Jahren angefangen“, sagt Renate Weber. Und nicht erst wegen Corona.

Das ist Talentino

Die „Mutmacher“ mit Angeboten für Familien mit kranken oder behinderten Kindern sind das jüngere Standbein von Talentino. Es ist für die ratsuchenden Familien kostenlos.

Entstanden ist Talentino als Netzwerk von „Problemlösern“, das sich auf Fragen rund um Familie und Schule konzentriert: Da kann es um Erziehungsfragen, Handicaps wie Asperger oder ADHS, um Inklusion und Mobbing gehen. Dieser Zweig des Vereins versteht sich als Ansprechpartner von Familien und Pädagogen.

Erstes Thema von Talentino war die Unterstützung von hochbegabten Kindern.

Familien in Not: Für wen da sein?

Um die 80 bis 90 Familien nutzen die Angebote der Mutmacher, mal mehr, mal weniger intensiv. Zwei bis drei Mal pro Woche klingelte das Krisentelefon. Das Angebot ist für die Familien kostenlos – und unkompliziert. „Die haben keine Zeit, auf einen Termin beim Therapeuten zu warten. Sie brauchen sofort Hilfe, wenn sie sich schon überwunden haben, überhaupt anzurufen.“ Mittlerweile klingelt das Krisentelefon bis zu acht Mal am Tag. Mit zunehmender Tendenz. „Am Anfang haben alle noch nicht gewusst, wie schlimm es wird.“

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Corona raubt Pausen: Worüber reden?

„Alle sind zu Hause“, erinnert Renate Weber: Es wird eng. Kein Kind geht zur Schule, niemand in die Werkstatt für Behinderte. Der Pflegedienst hält Abstand, die ehrenamtlichen Zeitschenker auch. Die Reittherapie fällt aus, „man kann auch nicht einfach mal zur Oma gehen“. Die Zeiten, in denen Arbeit, Schule und Betreuungseinrichtungen auch zu Pausen verhelfen können, gibt es gerade nicht. Kurz und gut: In der Belastung ohne Unterbrechung liegen viele Nerven blank. Ehepartner rufen an, sprechen über eigene Alkohol- und Gewaltprobleme und die ihrer Partner. Kinder und Jugendliche melden sich selbst, berichten, dass es laut wird zu Hause.

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Unter Druck: Was raten?

„Aus der Schusslinie rausgehen“, würde der Mutmacher dem Jungen oder dem Mädchen raten: „Es geht nicht um dich“ – die Eltern verlieren die Beherrschung wegen der Umstände und nicht, weil das Kind etwas falsch macht. Auch Geschwisterkinder sollen sich zurücknehmen dürfen. „Sie übernehmen sowieso schon viel Verantwortung, die ihnen nicht zusteht“, sagt Renate Weber.

RRenate Weber ist Vorsitzende des Netphener Vereins Talentino.
RRenate Weber ist Vorsitzende des Netphener Vereins Talentino. © Privat | Privat

Die Kinder wissen, dass die Mutmacher ihnen zuhören und nötigenfalls auch weitere Hilfe herbeiholen. Und die Erwachsenen? „Zu 99 Prozent Mütter, die Väter sind oft noch sehr cool“, stellt Renate Weber fest: Sie werden ermutigt, Schwäche zu zeigen. „Du hast das Recht, verzweifelt zu sein.“ Und die Erlaubnis, sich nicht auch noch selbst unter Druck zu setzen. Handfeste Tipps gibt es auf Wunsch auch: Einschlafübungen zum Beispiel. Oder Entspannungsübungen.

Finanzen: Wie unterstützen?

Die Mutmacher von Talentino sind ein Projekt fast ohne Budget. „Wir haben keine festen Einnahmen“, sagt Vereinsvorsitzende Renate Weber. Es gibt Spender, und es gibt Stiftungen oder Einrichtungen wie die Aktion Mensch, die die Mutmacher verlässlich fördern – für die systematische Akquise von Fördergeldern fehlen dem kleinen Team die Kapazität und vor allem auch die Kompetenz. Geld bekommen allein die Honorarkräfte, die Trainings oder Beratungsstunden anbieten. Die Mitarbeitenden verzichten bereits auf die Hälfte ihres Geldes. Um in den nächsten acht Wochen über die Runden zu kommen, werden aber akut Spenden gebraucht: 16.800 Euro – so groß ist das Loch in der Kasse.

Spenden an die Talentino-Mutmacher können über Paypal () oder die Sparkasse (IBAN DE 52 46050000 100 47005947) eingezahlt werden. Kontakt zu Talentino ist möglich über talentino-mutmacher.de oder 02738/68 81 08.

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