Netphen. Wegen Corona fand die Sitzung des Netphener Rats in der Georg-Heimann-Halle statt. Die Mitglieder beschlossen endlich einen Haushalt für Netphen
In einer denkwürdigen Sitzung stimmte der Rat Netphen am Donnerstag, 16. April, dem jüngsten Haushaltsentwurf für das Jahr 2020 zu, bei 26 Ja- und vier Neinstimmen. Die Grundsteuer wird demnach um 40 Prozentpunkte auf 535 Prozent, die Gewerbesteuer um 20 Punkte auf 475 Prozent erhöht.
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Corona bestimmt die Sitzung
Denkwürdig war die Sitzung schon aufgrund der durch Corona bedingten Umstände – Hinweisschilder mit Verhaltensregeln und Schutzmasken empfingen die Besucher in der Georg-Heimann-Halle, in die die Ratssitzung verlegt worden war. In der Halle saßen die Ratsmitglieder in großem Abstand nebeneinander, am Rednerpult stand Desinfektionsmittel bereit.
Und auch inhaltlich hatte die Coronakrise Einfluss auf die Debatte um den Haushalt, die in Netphen schon seit geraumer Zeit für Ärger sorgt. In der Ratssitzung am 30. Januar war der von der Verwaltung vorgelegte Haushaltsentwurf in geheimer Abstimmung mit 22 gegen 11 Stimmen abgelehnt worden. Daraufhin war ein Streit um die Schuldfrage zwischen Verwaltung und Politik entstanden.
Auf der einen Seite drückten sämtliche Redner nun weiterhin ihre Abneigung gegen eine Erhöhung der Steuern aus gerade in der Coronazeit, in der viele Menschen Ungewissheit und finanzielle Sorgen verspüren. Auf der anderen Seite unterstrichen aber nahezu alle Sprecher die Notwendigkeit, den Haushalt zu beschließen, um auf dieser Grundlage überhaupt finanzielle Anträge in Düsseldorf stellen zu können.
Zur Abstimmung stand ein Entwurf, den eine fraktionsübergreifende Sparkommission erarbeitet hat. Dieser wurde in der Sitzung von Kämmerer Hans-Georg Rosemann noch leicht korrigiert. Eigentlich seien die Einsparungen im Einzelnen nicht zu vertreten, so der Kämmerer. Aber seine Bedenken wolle er „im Dienst der Sache eines beschlossenen Haushalts zurückstellen“.
Strenger Sparplan
Mit Einsparungen in Höhe von 211.300 Euro an verschiedenen Stellen im Haushaltsentwurf wollte die Sparkommission erreichen, dass die Grundsteuer statt um 65 nun nur um 40 % erhöht werden kann.
Von dieser Summe bleiben nun noch rund 200.000 Euro, nachdem Kämmerer Hans-Georg Rosemann Einsparungen bei der E-Mobilität und dem Zuschuss für den Siegsteig aus dem Plan strich.
Die Stimmen aus Netphen
Manfred Heinz (SPD) warf der eigenen Partei und der CDU vor, in der Debatte um den Haushalt teilweise „von allen guten Geistern verlassen“ gewesen zu sein. Die finanzielle Notlage der Stadt auf den Sportpark, die fehlenden Zuschüsse des Landes zu den Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen und die Ausgaben im Bereich der Kitas zu schieben, sei eine Milchmädchenrechnung. Vielmehr sei der Haushalt schon seit Einführung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements defizitär. „Die Handbremse hätte viel früher angezogen werden müssen“, so Heinz. „Gleichgültig, welchen Haushalt wir heute verabschieden, er wird das Papier nicht wert sein, auf dem er gedruckt ist“, sagte Heinz weiter, jedoch müsse dennoch zu Vermeidung weiterer Nachteile für Netphen in der Zukunft ein Haushalt beschlossen werden.
Wolfgang Decker, der kürzlich durch seinen Wechsel von der CDU zur UWG für Aufsehen gesorgt hatte, sagte ebenfalls, dass dem Haushalt zugestimmt werden müsse, „um weiteren Schaden von der Stadt Netphen abzuwenden“. Gleichwohl sei eine Steuererhöhung in diesen Zeiten schwer zu vermitteln. Es sei jedoch der „Worst Case“, sollte Netphen „als einzige Kommune in NRW mit einem Nothaushalt in die Coronakrise steuern“ würde.
Helga Rock (Grüne) lobte die interfraktionelle Zusammenarbeit in Hinblick auf die Einsparmaßnahmen. Seit Corona hätten sich die Prioritäten verschoben. Zwar sei sie weiterhin gegen eine Steuererhöhung, einen Haushalt zu beschließen sei aber zwingend notwendig. „Wir haben nur die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub“, so Rock. Es nütze nichts, Recht zu behalten, wenn man damit der Stadt schade, weshalb ihre Fraktion dem Vorschlag der SPD folgen wolle. Dies sei allerdings nur ein allererster Schritt auf dem Weg in das Haushaltsjahr.
Auch Benedikt Büdenbender (CDU) sagte, er habe nach wie vor große Schwierigkeiten damit, die Steuern zu erhöhen, gerade in dieser Zeit. Es sei jedoch ein Schritt, der gegangen werden müsse. Da es nun zu einer deutlich geringeren Erhöhung komme, sei er froh, gegen den ursprünglichen Haushaltsentwurf gestimmt zu haben. Die aktuelle Fassung sei die „für die Bürger erträglichste Lösung“.
Klaus-Peter Wilhelm (UWG) sah das anders: „Der Kompromiss heute ist gar nichts, damit tun wir niemandem etwas Gutes“. Es sei ein Trugschluss, auf Gelder aus Berlin oder Düsseldorf zu hoffen. In Zukunft müsse man sich immer wieder über Steuererhöhungen unterhalten, deshalb sei er für den ursprünglichen Entwurf mit größeren Erhöhungen.
Ekkard Büdenbender (Linke ) sagte, er könne keiner pauschalen Steuererhöhung zustimmen. Stattdessen schlug vor, die Steuererhöhungen zu staffeln. Gerade in der jetzigen Zeit müsse man auch neue Dinge ausprobieren.
Kämmerer Hans-Georg Rosemann stellte klar, dass auch die Verwaltung kein Interesse daran habe, die Steuern zu erhöhen, wenn es nicht unbedingt sein müsse. Schon jetzt liege die zusätzliche Belastung durch Corona bei 900.000 Euro, mehr sei zu erwarten. Ohne beschlossenen Haushalt bestünde keine Möglichkeit, diese Defizite beim Land überhaupt geltend zu machen.
Bürgermeister Paul Wagener bedauerte „die schwerste Blockade eines Haushalts seit Jahren mitmachen zu müssen“. Die Verwaltung in dieser Situation über die Maßen zu beanspruchen, sei ein starkes Stück. In einer wiederum geheimen Wahl wurde anschließend mit großer Mehrheit für den Haushaltsentwurf gestimmt.
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