Siegen. Siegens Bürgermeister Steffen Mues ist zu Gast beim Livestream-Talk im Bruchwerk Theater. Neben Coronathemen gibt es einige private Einblicke.

Das Publikum verlangt explizit nach Eskapismus statt Corona. Daraus wird aber nichts. Es liegt in der Besonderheit der aktuellen Lage begründet. „Seit drei oder vier Wochen habe ich mit niemandem geredet, wo man nicht nach zwei Minuten beim Thema war“, bringt es Siegens Bürgermeister Steffen Mues beim „Endzeittalk“ mit Milan Pešl im Bruchwerk Theater auf den Punkt. Das ist an diesem Donnerstagabend nicht anders.

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Formales

Das Talkformat, mit dem das Bruchwerk die „Endzeitdekadenz“, die wöchentliche „Livestream-Reihe aus der Quarantäne“, fortsetzt, macht dabei schnell deutlich, dass Corona und Eskapismus einander gar nicht ausschließen – und das ohne jeden Anflug von Verflachung oder Verharmlosung. Es mag am einzigen Gast des Abends liegen, der sich zu Sachthemen äußert und private Einblicke gewährt, der subjektive Eindrücke und allgemeine Beobachtungen einbringt, der Fragen der Zuschauerinnen und Zuschauer beantwortet, die über Youtube dabei sind und sich via Chat beteiligen.

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Gemeinsames

Dass ein Bürgermeister reden kann, ist klar. Dass heißt noch lange nicht, dass er auch ein guter Talkgast sein muss. Steffen Mues ist es. Moderator Milan Pešl fragt nicht nur stumpf ab, sondern geht in den Austausch, so dass ein kurzweiliges Gespräch auf der Bühne im leeren Bruchwerk-Saal entsteht. In vier Blocks ist der Abend aufgeteilt, „Privates“, „Angst“, „Vernunft“, „Blick nach vorn“ – wobei sich immer wieder alles durchdringt.

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Biografisches

Eine politische Karriere habe er eigentlich nicht angestrebt, erzählt Steffen Mues, der schon als zwölfjähriger Schüler des Löhrtorgymnasiums der Schülerunion beitrat – obwohl diese konservative Schwerpunktsetzung damals überhaupt nicht dem Zeitgeist entsprochen habe. „Ich war auch nicht der klassische Streber. Ich habe mich halt für Politik interessiert.“ Später war er Mitglied im Rat, dann wurde er Sozialdezernent der Stadt Siegen, „bis ich sagte: Warum nicht?“. Die CDU stellte ihn als Bürgermeisterkandidaten auf, seit 2007 ist er im Amt.

Mit Mario Mammone

Zwischen den vier Gesprächsblocks spielt Gitarrist Mario Mammone eigene Stücke – und am Ende eine Version von „Somewhere over the Rainbow“.

Um die 100 Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgen den Stream live.

Neues

Aufgrund des Lockdowns mache er nun eine neue Erfahrung, antwortet er auf die Zuschauerfrage, ob er der Situation etwas Positives abgewinnen könne. „Ich habe relativ viel Freizeit.“ Normalerweise sei sein Tag zweigeteilt: Bis zum Abend im Rathaus, ab 18 Uhr – und an den Wochenenden – stünden repräsentative Aufgaben an. „Das macht mir grundsätzlich ja Freude!“, betont er. „Aber ich erlebe jetzt eine andere Zeit, das ist auch gut.“ Er lese viel (besonders gerne übrigens Martin Suter), und er treibe viel Sport. Was er (noch) nicht weiß: Seine Frau Heidi Mues ist im Chat und kommentiert wohldosiert: „Mehr Sport. mehr Lesen, aber mehr Hausarbeit war nicht dabei.“

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Ernstes

Das disziplinierte Verhalten der meisten Siegenerinnen und Siegener stimme ihn positiv, Angst mache ihm die derzeitige Lage eigentlich nicht. „Ich glaube, so dramatisch ist die Situation nicht, wenn man sich an ein paar Regeln hält.“ Allerdings habe er „wenig Verständnis, wenn Leute keinen Abstand halten“. Dass dies in der Praxis machbar sei, erlebe er in der eigenen Familie: Derzeit sei er der einzige, der zu seiner Mutter ins Haus gehe, wenn etwas zu tun sei (Steffen Mues: „Jetzt ist da mal das Bett kaputtgegangen“). Selbst dabei bleibe er auf Sicherheitsdistanz. Als Hauptproblem macht er etwas Anderes aus: „Wir wissen alle nicht: Wann und wie kommen wir da wieder raus? Das, glaube ich, ist es, was am meisten Sorge bereitet.“ Wobei er sich zuversichtlich zeigt, DASS es passieren wird. Was übrigens noch einen speziellen Vorteil hätte: „Ich würde sehr gerne mal wieder zum Frisör gehen.“

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Spielerisches

Einen Spieletipp, mit dem sich Menschen daheim die Zeit während des erzwungenen Rückzugs vertreiben können, hat er spontan nicht. „Mein Spiel ist Doppelkopf – und das geht im Moment nicht.“ Seine Frau hatte im Chat zuvor schon einmal auf Scrabble hingewiesen, „aber er hat da manchmal eigensinnige Kreationen“. Die anderen Chatteilnehmer empfehlen „Splendor“ und „Skyjo“. Das sagt dem Bürgermeister nichts, wohl aber seiner Frau. Wie er nun erfährt, hat diese im Chat nämlich angemerkt: „Skyjo ist im Hause Mues vorhanden“. Reaktion des Gatten: „Meine Frau ist im Chat?? Sagt die sonst noch was???“

80 Minuten waren laut Milan Pešl für den Talk geplant, fast 120 sind es geworden. Kann passieren, wenn ein Format so gut funktioniert.

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