Siegen/Kreuztal. In Siegen und Kreuztal werden am Mittwoch zwei mutmaßliche IS-Terroristen festgenommen, Spezialkräfte stürmen Wohnungen. Eine Anwohnerin erzählt.

Zwei Mitglieder einer mutmaßlichen islamistischen IS-Terrorzelle sind am Mittwochmorgen, 15. April, im Siegerland verhaftet worden. Spezialkräfte der Polizei stürmten Wohnungen in Siegen-Geisweid und Kreuztal und nahmen die Männer in Gewahrsam. Zwei weitere Verdächtige wurden in Werdohl (Märkischer Kreis) und im Kreis Heinsberg festgenommen.

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Die Razzia in Siegen: Spezialkräfte am frühen Morgen

„Auf einmal gab es einen Knall – ich habe erst an einen Schuss gedacht.“ Eine Anwohnerin aus Geisweid hat den Zugriff aus dem direkt gegenüberliegenden Haus beobachtet. Um 6.45 Uhr saß die Geisweiderin kerzengerade im Bett, „ich bin ans Fenster gestürzt – ich wusste ja nicht, was los ist“, sagt die Frau, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Auf der Straße: Mannschaftstransporter der Polizei, mehrere Streifenwagen. Ihre Nachbarin, ebenfalls von dem Knall geweckt, klärte sie auf: „Die haben die Tür eingeschlagen.“

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Schwarz gekleidete, bewaffnete Polizisten mit Helmen stürmen ins Haus, wie die Frauen beobachten. Nach etwa 20 Minuten kommen die Einsatzkräfte mit dem Verdächtigen wieder heraus. Männer in weißen Schutzanzügen, vermutlich von der Spurensicherung, betreten das Haus. „Hier sind öfter mal Polizeieinsätze – aber sowas habe ich noch nicht erlebt“, sagt die Anwohnerin. Sie habe sich sehr erschrocken.

An der Razzia waren laut NRW-Innenminister Herbert Reul insgesamt rund 350 Polizisten unter Federführung des Polizeipräsidiums Düsseldorf beteiligt. 13 Objekte in NRW wurden durchsucht, Geld und Datenträger sichergestellt.

Die Anschlagspläne: Terrorzelle hatte Mordopfer bereits ausgespäht

Die Männer aus Tadschikistan sollen zusammen mit einem bereits seit März 2019 inhaftierten weiteren Tadschiken Anschläge auf Einrichtungen von US-Streitkräften und Einzelpersonen geplant haben, so die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe.

Die Männer hätten insbesondere einen Mordanschlag auf einen Menschen geplant, der sich „aus Sicht der Beschuldigten islamkritisch in der Öffentlichkeit geäußert hatte“. Das potenzielle Mordopfer sei bereits ausgespäht worden. Innenminister Reul zufolge seien die Anschlagspläne „sehr ernst“ gewesen, die Taten hätten aber nicht unmittelbar bevorgestanden.

Die Festgenommenen: Siegener kam Anwohnern schon länger verdächtig vor

Der Mann, der seit dem vergangenen Jahr in dem Haus in Siegen-Geisweid wohnte, sei ihr und ihrer Familie und auch den anderen Anwohnern nicht geheuer gewesen, erzählt die Nachbarin. Etwas Heimliches, Verstecktes habe den Mann und seine Familie umgeben, sagt sie: Er sei häufig in Kampfanzügen mit Tarnfleckmuster herumgelaufen, trage einen langen Bart. Seine Frau sei bis auf die Augen vermummt, die Tochter bekomme man kaum zu Gesicht. Immer wieder seien größere Warenlieferungen in die Wohnung herein und aus ihr heraus gebracht worden. Ab und zu sei er von anderen Männern besucht worden, dann hätten sie mitunter im Auto gesessen und sich Hasspredigten angehört. Das habe man verstanden, es sei Deutsch gesprochen worden. „Ich war froh, als ich gesehen habe, wie er abgeführt wurde“, sagt sie.

Azizjon B., Muhammadali G., Farhodshoh K. und Sunatullokh K. sowie der bereits in Untersuchungshaft sitzende Ravsan B., der auch in NRW aktiv gewesen sein soll, seien als Flüchtlinge eingereist und sind dringend verdächtig, als Mitglieder der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat eine Terrorzelle gegründet zu haben. Sie sollen sich 2019 dem IS angeschlossen haben. Laut Bundesanwaltschaft standen sie in Kontakt mit zwei ranghohen IS-Führungsmitgliedern in Syrien und Afghanistan, von denen sie entsprechende Anweisungen erhielten.

Mutmaßliche IS-Terroristen sollen Sprengstoff im Internet gekauft haben

Die Zelle soll bereits über scharfe Schusswaffen und Munition verfügt haben. Zudem beschaffte Ravsan B. laut den Ermittlern Anleitungen für die Herstellung sogenannter unkonventioneller Spreng- und Brandvorrichtungen. Einige der hierfür notwendigen Komponenten seien bereits im Internetversandhandel erworben worden. Auch sollen die Verdächtigen zur Finanzierung ihrer Pläne sowie zur Unterstützung des IS in Syrien Geld in Deutschland gesammelt und über in der Türkei ansässige Finanzagenten an den IS transferiert haben.

Um dem IS noch weitere Mittel zukommen lassen zu können, soll Ravsan B. zudem einen mit 40.000 Dollar dotierten Auftrag für einen Mordanschlag in Albanien angenommen haben. Dazu sollen Ravsan B. und einer der weiteren vier Festgenommenen nach Albanien gereist sein. Laut Bundesanwaltschaft scheiterte die Ausführung des Auftrags jedoch kurzfristig, woraufhin beide Männer nach Deutschland zurückgekehrt sein sollen. Die Beschuldigten sollten noch am Mittwoch dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden, der über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheidet.

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