Siegen. Private Vermieter aus Siegen fürchten um ihre Mieteinnahmen: Unternehmen wie Ernsting’s Family zahlen wegen der Corona-Pandemie keine Miete mehr.
Mit Sorge blickt ein Kleinvermieter aus Siegen auf diesen Satz: „Wir werden ab dem Monat April die die fortlaufenden Miet- und Nebenkostenzahlungen aussetzen.“ Er steht in einem Brief des Kleidungsunternehmens Ernsting's Family, den der Selbstständige vergangene Woche in der Post hatte. Aus Sorge um mögliche Konsequenzen möchte er nicht namentlich genannt werden.
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Wie bereits von anderen Unternehmen wie H&M sowie Deichmann angekündigt, zahlt auch Ernsting's Family wegen der angeordneten Filialschließungen in Folge des Coronavirus von April an keine Miete mehr. „Es ist mir klar, dass die sich auch in einer schwierigen Situation befinden, aber die können mir nicht einfach einen Brief schreiben und mir keine Möglichkeit geben, das auszudiskutieren“, erklärt der Siegener Vermieter.
Kritik an Ernsting’s Family: Mietstundung nicht für Unternehmen geschaffen
Nun steht er vor vollendeten Tatsachen: die Miete nicht gezahlt, der Laden steht leer. Seine E-Mails an die Verantwortlichen blieben bislang unbeantwortet. Ein Ansprechpartner des Unternehmens, dessen Kontaktdaten er noch von einer anderen geschäftlichen Sache im Januar hatte, vertröstet ihn auf ein Gespräch Ende April. Es sei bedauerlich, wie das Unternehmen mit ihm kommuniziere, so der private Vermieter.
Für den Siegener Rechtsanwalt Thomas Beineke ist das Vorgehen einiger Unternehmen in der aktuellen Situation unrechtmäßig. Vom 1. April an gilt eine neue gesetzliche Regelung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz: „Jetzt zu sagen, man wolle über die Miete verhandeln, darf nicht die Folge der neuen gesetzlichen Regelung sein. Einen Mieterlass hat der Gesetzgeber nicht im Auge gehabt und das konnte er auch nicht, das wäre Enteignung“, sagt er.
Rechtsanwalt Beineke aus Siegen: „Zahlungsverpflichtung bleibt bestehen“
Von den „großen Filialisten“ werde der Eindruck vermittelt, dass über eine Mietzahlung verhandelt werden könne. „Das ist falsch“, sagt der Rechtsanwalt, „die Zahlungsverpflichtung bleibt bestehen“. Eine Kündigung des Mieters in den kommenden drei Monaten bis 30. Juni wegen Zahlungsrückständen sei jedoch nicht mehr möglich, erklärt der Vorsitzende des Siegener Ortsvereins Haus & Grund.
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Nur eine kleine Gruppe von fünf bis sechs Kleinvermietern des Vereins, der rund 2300 Mitglieder betreut, hätten Probleme mit ausstehenden Mietzahlungen von großen Unternehmen. In diesem Fall, rät Thomas Beineke, dürfe man sich nicht in Nachverhandlungen über die Miete drängen lassen.
Gesetzgeber hat dem Vermieter keine Pflichten auferlegt
Ein anderes Problem sei aber auch der Umgang mit kleineren, gewerblichen Mietern, die fürchten, dass sie von möglichen Zahlungsrückständen selbst erdrückt werden. In dem Fall müsse eine gemeinsame Lösung gefunden werden. Für die kommenden drei Monate habe der Gesetzgeber dem Vermieter keine Pflichten auferlegt: „Der Vermieter muss kein bestimmtes Schreiben an den Mieter schicken, um seine Ansprüche zu sichern“, sagt er. Für den Sommer erwarte er, dass „viele Klagen auf rückständige Mieten laufen werden“.
Das Mieterschutzgesetz: Drei Monate keine Kündigung wegen Zahlungsrückständen
In einer neuen gesetzlichen Regelung zum 1. April 2020 hat das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz beschlossen, Kündigungen wegen Zahlungsrückständen im Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni einzuschränken. Sie gilt für Fälle, in denen die Rückstände auf den Auswirkungen der SARS-CoV-2-Virus-Pandemie beruhen, so das Ministerium in einer Mitteilung. Die Zahlungsverpflichtung des Mieters bleibt bestehen. Hat der Mieter oder Pächter die Zahlungsrückstände nach dem 30. Juni 2022 noch nicht beglichen, so das Ministerium, könne ihm wieder gekündigt werden.
Die Regelung gilt auch für Wohnungsmieter, die für die kommenden drei Monate nicht von ihrem Vermieter wegen Zahlungsrückständen bei der Miete gekündigt werden können. Der Deutsche Mieterbund (DMB) begrüßt die Neuregelung, fordert jedoch Korrekturen an dem Gesetz in Form eines „Sicher-Wohnen-Fonds“. Der solle sofort eintreten, wenn Mieter darlegen, dass sie zur Mietzahlung ganz oder teilweise nicht in der Lage sind und an Vermieter eine Sofortauszahlung vornehmen, die ihrerseits darlegen, dass sie auf diese Miete aus existenziellen Gründen angewiesen sind.
Sobald die Krise überstanden sei, so schreibt es Ernsting's Family in dem Brief an den Siegener Vermieter, wolle man das Mietverhältnis für den betroffenen Zeitraum berechnen. Dabei soll auch der bereits voll gezahlte Monat März berücksichtigt werden. „Jetzt auch noch rückwirkend das Geld für März zu berechnen, wäre einfach unverschämt“, beklagt der Siegener Vermieter.
Ernsting’s Family stockt Kurzarbeitergeld auf
Auf Anfrage dieser Zeitung erklärte Ernsting's-Sprecher Marcello Concilio, dem Unternehmen sei bewusst, dass es nicht von der Verpflichtung der Zahlung entbunden sei. Die Miete im April für die rund 1900 Filialen in Deutschland und Österreich werde „temporär ausgesetzt“, für März wurde sie noch vollständig gezahlt.
Dass Ernsting's Family den staatlichen Anteil des Kurzarbeitergeldes für März und April auf Hundert Prozent aufstocke, müsse nach Angaben des Unternehmenssprechers auch von den Vermietern und Immobilieninvestoren mitgeschultert werden.
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Der Siegener Vermieter hätte gerne eine gemeinsame Lösung gefunden, von der Entscheidung sei er überrascht worden: „Die Art und Weise, wie Ernsting's es kommuniziert hat, macht mich schon sauer. Sie setzen mich unter Druck und nennen das dann 'Schulterschluss' und 'Partnerschaft'“, sagt er. Auf eine Antwort von Ernsting's Family wartet er noch.
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