Siegen. Bis April dauern die Dreharbeiten für den Film noch, den das Team gerne bei einem Filmfestival einreichen will.
Samstagmittag, 12 Uhr. Eine Gruppe in tiefes Schwarz gekleideter Menschen betritt die Halle auf dem Hermelsbacher Friedhof. Auf den ersten Blick sieht es wie eine echte Beerdigungsgesellschaft aus, die sich aber munter unterhält und gespannt ist auf das, was jetzt kommt. Denn es handelt sich glücklicherweise nicht um eine echte Trauergemeinschaft, sondern um gut zwanzig Statisten, die dem Aufruf der studentischen Initiative Filmwerkstatt der Uni Siegen gefolgt sind, um für eine Beerdigungsszene den Hintergrund authentisch mitzugestalten. Schauspielerische Erfahrungen oder Fähigkeiten mussten sie nicht mitbringen. Vorgegeben wurden lediglich das Mindestalter von 30 Jahren und der Dresscode, der nahelegt, sich so zu anzuziehen, wie man sich auch für ein echtes Begräbnis kleiden würde. Alle kommen in Schwarz.
Die Vorbereitungen
Für die Filmwerkstatt, die seit nunmehr acht Jahren als Initiative erfolgreich ist, ist es das erste Langfilmprojekt, das von filmbegeisterten Studis aus der Taufe gehoben wird. Die Vorbereitungen für das große Filmprojekt laufen schon seit Monaten auf Hochtouren. „Seit November arbeiten wir an dem Projekt“, so Regisseur Christopher Weingart. Dabei müssen alle beteiligten Departements wie zum Beispiel Maske, Bühnenbild, Kostüm und Aufnahmeleitung koordiniert miteinander arbeiten. „Die größte Herausforderung war, alle Departements unter einen Hut zu kriegen“, erklärt Luise Geist, zuständig für Requisite und Bühnenbild. Auch für sie ist es das erste Langfilmprojekt. „Das ist noch etwas wackelig wie ein frisch geborenes Reh“, sagt sie vor Beginn der ersten Klappe.
Mit dem ersten Langfilm betreten die Filmschaffenden also Neuland – und die Ambitionen sind groß, denn der circa einstündige Film soll nicht wie die anderen cineastisch gut durchkomponierten kleineren Projekte auf YouTube landen, sondern ins Kino kommen. „Wir möchten den Langfilm gerne bei einem Filmfestival einreichen“, Weingart, der bereits im Rahmen der Filmwerkstatt unter anderem einige Kurzfilme und eine Mini-Serie in Szene gesetzt sowie Schauspiel-Erfahrungen gesammelt hat. Zudem ist er der Verfasser des Drehbuchs von „Us Against The World“, so der Titel des Dramas.
„Wir haben auch tolle Schauspieler gefunden“, lobt Christopher. Die Castings haben bereits im Januar stattgefunden und auch ausgebildete Schauspieler konnten für das Projekt gewonnen werden. Unmittelbar vor den Dreharbeiten werden letzte Vorbereitungen getroffen. Eine Maskenbildnerin schminkt die Hauptdarsteller im Nebenraum, Requisiteure richten den Grabschmuck auf dem Set her, erste Tonaufnahmen werden von der Orgel gemacht, die Aufnahmeleitung platziert die Statisten in der Kapelle. Das Team ist untereinander gut abgestimmt, es zieht an einem Strang, jeder hat seine Aufgabe, es herrscht keine Hektik; vielmehr ist die Stimmung geprägt von guter Laune und konzentriertem Arbeiten – auch wenn die zischende Nebelmaschine mal ungeplant die Halle in weiße Wolken taucht.
Die Dreharbeiten
In all dem Treiben behält Christopher Weingart trotzdem den Überblick und hat sogar etwas Zeit für ein Gespräch: „Für mich ist es der erste Langfilm, bei dem ich Regie führe“, sagt er ruhig und gelassen – und das, obwohl der erste Drehtag bereits mit ungeplanten Verzögerungen begonnen hat. So hat es wegen des Coronavirus Lieferengpässe gegeben, weshalb die erforderlichen Objektive erst wenige Stunden vor Drehbeginn per Kurierfahrt gebracht werden konnten. Das bedeutet dann auch späteren Drehbeginn für alle Beteiligten, einschließlich Statisten.
Ein paar weitere unvorhergesehene Ereignisse kalkuliert Christopher aber schon mit ein. „Meist sind es kurzfristige Probleme“, sagt der Regisseur. „Heute Morgen musste eine Schauspielerin wegen Grippe leider absagen“. Kurzerhand wusste der erfahrene Filmemacher entsprechend zu handeln und die Rolle – die glücklicherweise nur zwei Sätze hat – rasch neu zu besetzen. „Die bisher größte Herausforderung war, dass uns ein Haus abgesagt wurde, in dem wir drehen wollten.“ Doch auch dafür gibt es glücklicherweise einen Ersatz.
Dann muss Christopher wieder seinen Regie-Platz einnehmen. Seine Anweisungen erfolgen durch ein Megafon. Ton und Licht sind gesetzt, die Statisten als Trauernde auf ihren Stühlen mit Gesangbuch platziert, die Schauspieler und die Kamera einsatzbereit. Das Gemurmel der Statisten verstummt, fast ehrfürchtig erwartet man nach zweieinhalbstündiger Vorbereitung die Worte: „Aufnahme läuft“. Es herrscht gespenstische Ruhe in der Kapelle. Die Kamera filmt, die Schauspieler schlüpfen in ihre Rollen. Das erste Bild wird zwei Mal wiederholt, dann ist es im Kasten. Aber das ist erst der Anfang. Es werden weitere Stunden gedreht und am Abend muss das Bühnenbild in der Kapelle wieder abgebaut werden, bevor es dann am nächsten Morgen bereits um halb zehn zum „Leichenschmaus“ geht, der in einem Ferienhaus in Meinerzhagen gedreht wird.
Mit Blick auf die professionelle Arbeit, das technischen Equipment am Set und den Enthusiasmus der gesamten Filmcrew sollte das Endresultat ein vielversprechender Film werden, der den cineastischen Ansprüchen der Filmfestival-Kuratoren gefallen dürfte. Insgesamt sind für den Film zwanzig Drehtage angesetzt, der letzte soll nach Plan Anfang April stattfinden.