Bühl. Das Gewerbegebiet Wilhelmshöhe-Nord auf dem Ischeroth scheitert bisher am „Nein“ der Waldbesitzer. Bürgerinitiativen hoffen, dass es so bleibt.

Sabine und ihre Folgestürme haben sichtbare Schäden auf dem Ischeroth hinterlassen. Umgestürzte Bäume blockieren Wege, gesplitterte Stämme liegen am Rand. Den Zauber nimmt es diesem Ort nicht, für dessen Erhalt vor allem Menschen aus Bühl und Büschergrund schon seit Längeren kämpfen. Sollte das seit Jahren von der Stadt angestrebte Gewerbegebiet Wilhelmshöhe-Nord Realität werden, wird es hier nicht mehr viel Natürliches geben, was bei Sturm umfallen kann. Vor allem aber keinen Zauber mehr. Und das wollen die Bürgerinnen und Bürger aus den beiden Ortschaften unbedingt verhindern.

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Einfach

… ausgedrückt ist es ein typischer Konflikt. Die Stadt Freudenberg möchte weitere Gewerbeflächen anbieten, dies soll in Form der „Wilhelmshöhe-Nord“ auf dem Ischeroth geschehen. Die Bürgerinnen und Bürger, die in den angrenzenden Bereichen wohnen, möchten das nicht und wehren sich. Nach der Bühler Initiative „Den Ischeroth nicht zerstören“ gründete sich Anfang 2019 als zweite Interessenvertretung der Verein „Augen auf“ in Büschergrund. Derzeit tut sich, oberflächlich, nicht viel am grünen Berg. Was aber keineswegs heißt, dass sich insgesamt in der Sache nichts täte.

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Kompliziert

… stellt sich die ganze Sache, wie in solchen Fällen nicht unüblich, beim Blick auf Hintergründe und Vorgeschichte dar. Die Stadt ist nämlich nicht Eigentümerin der benötigten Flächen. Diese gehören den Waldgenossenschaften Bühl und Büschergrund, doch die zeigten bisher keine Verkaufsbereitschaft. Wesentliche Verwaltungsvorlagen und politische Entscheidungen zu dem Projekt stammen aus dem Jahr 2012. In den Ausführungen ging es vor allem auch um die Frage, wie sich das Vorhaben realisieren lassen könnte, wenn die Waldbesitzer dauerhaft nicht verkaufen wollen. Instrumente dazu wären Umlegungsverfahren, innerhalb derer die Betroffenen zum Ausgleich andere, mindestens gleichwertige Areal erhalten würden; oder eine so genannte Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme. Eine solche ermöglicht unter bestimmten Umständen eine Enteignung, sofern belegt werden kann, dass das geplante Projekt – in diesem Fall das neue Industriegebiet – einen wesentlichen Nutzen für das Allgemeinwohl hat. Der Rat stimmte einer vorbereitenden Untersuchung für diesen Weg Ende 2012 zu, nahm den Beschluss allerdings im Mai 2017 zurück. Am erwünschten Gewerbegebiet hielten Politik und Verwaltung aber fest.

Auf dem Ischeroth bieten sich entlang des Weges viele besonderes Ansichten.
Auf dem Ischeroth bieten sich entlang des Weges viele besonderes Ansichten. © Florian Adam

Die Gegner

… auf Seiten des Vereins „Augen auf“ haben nach eigenen Angaben „die Parteien angeschrieben und sie gefragt, ob sie das Projekt auch ohne Einwilligung der Waldgenossenschaften umsetzen würden“, sagt Jennifer Wachsmuth in einem Gespräch mit der Redaktion. Der Verein habe bei seinen Recherchen festgestellt, dass ein Umlegungsverfahren im Fall Ischeroth nicht möglich sei – das gehe aus einer Verwaltungsvorlage aus dem Jahr 2012 hervor. Was andere Schritte angehe, so hätten CDU, Grüne, FDP und Alternative Liste schriftlich geantwortet, so Jennifer Wachsmuth, dass sie ohne einen freiwilligen Verkauf der Grundstücke nicht an den Plänen festhalten würde. Die SPD habe nicht geschrieben, Vereinsvertreter aber zu einem Gespräch eingeladen. „Die Waldgenossen haben also eine Wahl“, betont Jennifer Wachsmuth. „Wir hoffen, dass sie bei ihrem ,Nein’ bleiben und nicht verkaufen.“

„Störendes Gewerbe“

Im Gewerbegebiet Wilhelmshöhe-Nord wäre – zur Sorge der Anwohner – auch „störendes Gewerbe“ zugelassen.

In diese Kategorie fielen allerdings auch schon Betriebe mit Nachtarbeit, wie Bürgermeisterin Nicole Reschke erläutert.

Der Markt

… sei durch zwei Besonderheiten geprägt, erläutert Wolfgang Stock von der BUND-Kreisgruppe Altenkirchen. Der Niederfischbacher unterstützt die Gruppen aus Bühl und Büschergrund in ihrem Kampf. „Im Augenblick, wo das Geld so leicht zu haben ist, versucht jeder, zu investieren“, sagt er vor dem Hintergrund des niedrigen Zinsniveaus. Und: „Das Gut ,Boden’ ist nicht vermehrbar.“ In der Folge auftretende Preissteigerungen, „sehen wir als Umweltverbände als Gefahr“; denn damit steige die Wahrscheinlichkeit, dass den Waldbesitzern immer attraktivere Angebote gemacht werden. Dazu noch, wie Roswitha Masloch von „Augen auf“ ergänzt, in einer für Waldbesitzer angespannten Situation mit Schäden durch „Stürme, Trockenheit, Borkenkäfer“.

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Der Wald

… auf dem Ischeroth „wird als Naherholungsgebiet intensiv genutzt“, unterstreicht Wolfgang Stock – nicht nur von den Menschen aus den angrenzenden Ortschaften, sondern auch weit darüber hinaus. Außerdem sei die Ausweitung versiegelter Flächen in Anbetracht der sich immer klarer abzeichnenden Klimaproblematik „gestrig“. Rund 700 Hektar, so Wolfgang Stock, würden in Deutschland täglich dem „Flächenfraß“ anheimfallen. So genannte Ausgleichsflächen seien zwar ein Ersatz für die ehemaligen Besitzer, aber nicht für den ökologischen Schaden: denn die Versiegelung von Grund und Boden in den neuen Bau- und Gewerbegebieten werde dadurch keineswegs ausgeglichen, so dass die Gesamtzahl versiegelter Areale steige und steige.

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Die Stadt

… sieht unverändert hohen Bedarf für ein weiteres Gewerbegebiet über die bestehenden – und ausgelasteten – auf der Wilhelmshöhe und in der Hommeswiese hinaus. „Wir brauchen dringend Entwicklungsflächen für unsere heimischen Firmen“, sagt Bürgermeisterin Nicole Reschke im Gespräch mit der Redaktion. „Wir bekommen jede Woche Anfragen von heimischen Unternehmen. Da sind wir natürlich gefragt, ihnen Möglichkeiten zu bieten. Sonst wandern sie ab – und wir wollen die Arbeitsplätze und die Gewerbesteuer hier halten.“ Zweifellos seien „Eingriffe in die Natur bitter“. Aber in Zusammenhang mit dem Regionalplan seien seinerzeit zwölf Standorte untersucht worden, wobei „eine ganz klare Priorität“ herausgekommen sei: „Der Ischeroth ist die verträglichste Lösung“, sagt die Bürgermeisterin.

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Ein Umlegungsverfahren werde derzeit gar nicht geprüft, „weil ich den Auftrag habe, dass wir uns mit den beiden Waldgenossenschaften einigen. Wir sind da immer im Gespräch mit den Vorständen.“ Das drücke sich auch darin aus, dass 2017 die „Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme“ vom Tisch genommen worden sei.

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