Siegen. Peter Scholl ist Kantor der Martinigemeinde und Leiter des Siegener Bach-Chors. Er will mit neuen Stilen in der Kirchenmusik experimentieren.

Peter Scholl hat einen besonderen Arbeitsplatz. Eine enge Treppe führt von der Sakristei der Martinikirche hoch zu seinem geräumigen Büro. Die Möbel in sachlichem Weiß, der Schreibtisch mit großem Bildschirm, der moderne Bürostuhl und die Besprechungsecke bilden nur scheinbar einen Gegensatz zu den dicken Mauern und dem verschnörkelten alten Fenster, das einen besonderen Blick in den kleinen Park vor der Martinikirche ermöglicht, aber die Winterkälte hereinlässt. Seit Mitte des vergangenen Jahres hat Peter Scholl hier das musikalische Sagen, ist Kantor der Martinikirchengemeinde und Leiter des Bach-Chors Siegen. Der Weg dorthin verlief allerdings ungewöhnlich.

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Und begann sehr früh. Denn schon mit 15 hatte Peter Scholl, der in Struthütten aufwuchs und das Dietrich Bonhoeffer Gymnasium in Neunkirchen besuchte, seine erste Orgel- und Chorleiterstelle. Beim Ökumenischen Singkreis Herdorf. Neben traditioneller Chormusik wagte sich der junge Chorleiter auch an Neues Geistliches Lied und Pop-Oratorien. Für ihn eine wichtige Grunderfahrung: „Alle Leute, die vor mir standen, waren älter. Ich war noch nicht erwachsen, arbeitete aber mit ihnen.“

Studium an Musikhochschule Frankfurt

Die Chorleiter-Lizenz hatte Peter Scholl schon im Jahr zuvor in der Tasche, nachdem er sich für den C-Kurs angemeldet hatte. „Das geht noch nicht, du bist noch zu jung“, hieß es zunächst vom Kirchenkreis. Doch hier wurde Ulrich Stötzel zum Wegbereiter. Denn der kannte Peter schon als jungen Basssänger seines Bach-Chors und auch als Orgelschüler, intervenierte und ermöglichte ihm die Teilnahme am Dirigenten-Kurs.

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Nach dem Abitur schrieb sich Peter Scholl an der Musikhochschule Frankfurt ein. Hauptfächer: Kirchenmusik und Orchesterdirigat. „Mit fünfjähriger Chorleitererfahrung ins Studium zu gehen, war ein großes Plus für mich. Wenn man viel mitbringt, ist der Lernertrag sehr hoch.“ Denn viele seiner Professoren waren selbst Chorleiter. „Selbst gut singen können, musikwissenschaftlich fit sein, dirigieren, musikalische Leidenschaft mitbringen… Viele Einzelkomponenten machen diesen Beruf aus. Das fasziniert.“

Als Leiter des Bach-Chors an Erfahrungen anknüpfen

Zumal er vieles auch direkt praktisch umsetzen konnte. In der Kantorei St. Jakob in Frankfurt-Bockenheim, einer Gemeinde mit großem kirchenmusikalischen Interesse. Die Bandbreite der Konzerte ging von den Weihnachtsoratorien über das Brahms-Requiem bis zu Mozarts C-Moll-Messe. Peter Scholl ist stolz darauf, dass der Chor unter seiner Leitung von 50 auf 90 Sängerinnen und Sänger wuchs. Die Trennung von den Bockenheimern war schmerzhaft. Für beide Seiten: „Wenn man merkt, wie sehr es einem wehtut, weiß man auch, wie wertvoll diese Zeit war.“ Das letzte Konzert, Händels „Messias“ (Scholl: „Barocke Popmusik im besten Sinne“) hätte glanzvoller kaum ausfallen können.

Lehrauftrag in Frankfurt

Das nächste große Konzert des Bach-Chors ist am Sonntag, 5. April, ab 18 Uhr, in der Martinikirche Siegen. Auf dem Programm steht die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach.

Peter Scholl hat außerdem an der Musikhochschule Frankfurt einen Lehrauftrag für Chorleitung.

An die Frankfurter Erfahrungen mit großen Werken kann Peter Scholl als Leiter des Bach-Chors nahtlos anknüpfen, zumal seine Verbindung zu Siegen immer bestand. Er weiß um die hohe Erwartungshaltung der aktiven und passiven Bach-Chor-Fangemeinde. „Die Sängerinnen und Sänger des Bach-Chores lassen sich bedingungslos auf mich ein und der Satz ,Das haben wir früher aber anders gemacht’ ist noch nie gefallen.“ Einige der altgedienten Choristen haben aus Altersgründen nach dem Ausscheiden von Ulrich Stötzel aufgehört, neue sind hinzugekommen.

Peter Scholl wagt Ausflug in die Pop-Musik

Und Uli Stötzel selbst? „Wenn ich Fragen habe, steht er mir zur Verfügung“, sagt Peter Scholl. Das Programm 19/20 trägt diesem guten Miteinander Rechnung: Bewährtes wie Kantatengottesdienste und große Bach-Werke bleibt, Neues wie das „Klang/Licht/Konzert LUX“ oder das Improvisationskonzert für Saxophon und Orgel mit dem Duo Appearuit ist hinzugekommen. Und prominente Aufführungsorte sind geblieben: Darunter die Thomaskirche in Leipzig, in der Chor-Namensgeber Johann Sebastian Bach ab 1723 bis zu seinem Tod 1750 Kantor war und in der er viele seiner Werke und Kantaten erstmals aufführte.

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Auch einen Ausflug in die Pop-Musik unternahm Peter Scholl vor einigen Wochen: Er leitete gemeinsam mit Susanne Utsch den riesengroßen Projektchor beim Martin-Luther-King-Musical „Ein Traum verändert die Welt“, das Anfang Februar Tausende von Musikfreunden in der Siegerlandhalle begeisterte. Peter Scholls klare Meinung dazu: „Gute Musik ist nicht an Stile gebunden, sondern Stile profitieren voneinander.“

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