Siegen/Netphen. IG Metall in Siegen und Betriebsrat mobilisieren für die Sicherung der Bombardier-Arbeitsplätze, falls Alstom neuer Eigentümer wird.

Der Betriebsrat von Bombardier Transportation und die IG Metall suchen die Unterstützung der Politik, um den Standort und die 830 Arbeitsplätze in Dreis-Tiefenbach zu sichern – und nicht nur die. Die geplante Übernahme der Bombardier-Bahnsparte durch den französischen Konkurrenten Alstom lässt Alarmglocken schrillen. „Wir sind maximal beunruhigt“, sagt Andree Jorgella, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Siegen. „Natürlich haben wir Ängste“, sagt Betriebsratsvorsitzender Stefan Gestal.

Wendepunkte

Der Bombardier-Standort Dreis-Tiefenbach ist im Volksmund nach wie vor als „Waggon Union“ bekannt. Dabei werden dort seit den 1990er Jahren, als die Spezialisierung auf die Entwicklung, Fertigung von und den Service für Drehgestelle begann, gar keine Waggons mehr gebaut.

Betriebsratsvorsitzender Stefan Gestal erinnert an diesen Wendepunkt: Vorher war die Beschäftigtenzahl von 1300 auf 280 gesunken, der Standort war in Gefahr. Heute arbeiten in Dreis-Tiefenbach wieder 830 Menschen. Die Investitionen in Service- und Technikzentrum „waren die richtige Entscheidung“.

Für das Technikzentrum hat die Belegschaft bei Lohnverzicht länger gearbeitet. So wurde die Investition, die sonst einem Standort in Frankreich zugefallen wäre, nach Dreis-Tiefenbach geholt. Gestal: „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.“

Die Lage

Stichworte wie „Fahrplan Zu(g)kunft“, mit denen der Bombardier-Gesamtbetriebsrat für eine Sicherung der deutschen Bahnsparte des Unternehmens geworben hat, und Slogans aus den Bombardier-Werbespots wie „We’ll never stop moving“ bekommen an diesem Donnerstag einen schalen Beigeschmack. Jorgella und Gestal skizzieren die Gesamtlage:

Das Dreis-Tiefenbacher Drehgestellzentrum (Gestal: „Wir sind bei Bombardier Dreh- und Angelpunkt“) bekommt Konkurrenz: in Deutschland durch den Alstom-Standort Salzgitter, in Frankreich gleich an mehreren Standorten.

In eine kritische Lage geraten alle deutschen Standorte, nicht nur die von Bombardier, sondern auch die von Alstom. „Es besteht die Gefahr, dass wir gegeneinander ausgespielt werden“, warnt Andree Jorgella. Alstom habe Einsparungen angekündigt, die – wegen der staatlichen Beteiligung an Alstom – womöglich vor allem außerhalb Frankreichs vollzogen werden.

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Reaktionen

Das sagen Politiker aus der Region:

Paul Wagener, Bürgermeister der Stadt Netphen: „Wir wünschen Ihnen Schlagkraft und einem langen Atem.“ Bombardier sei größter Arbeitgeber in Netphen und „wichtige ökonomische Größe für die gesamte Region“. Es gehe darum, den Standort mit seiner Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Von Bombardier hingen eine Reihe von Zulieferern und Dienstleistern ab. Die Folgen eines Ausfalls seien „gar nicht abzusehen“.

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CDU-Landtagsabgeordnete Anke Fuchs-Dreisbach verweist darauf, dass Alstom – im Gegensatz zur von Kanada aus gesteuerten Bombardier Transportation – ein europäisches Unternehmen sei und NRW ein „sehr gutes Verhältnis zu Frankreich“ habe. Mit seiner Finanzkraft könne Alstom „auch eine Chance für den Standort“ sein. Wirtschaftsminister Pinkwart beobachte das Geschehen, „er kann sich jederzeit persönlich einbringen.“

Sebastian Zimmermann, CDU-Stadtverbandsvorsitzender in Netphen, sichert zu, „unseren Einfluss geltend zu machen, wo wir nur können“. Die Spezialisierung auf die Drehgestellfertigung und das neue Technikzentrum sowie die Qualifikation der Belegschaft sprächen für den Standort.

Grünen-Kreissprecher Thomas Börger warnt: In Dreis-Tiefenbach würden „nachhaltige und innovative Produkte“ gefertigt, „der Verlust einer solchen Produktion in Deutschland wäre das falsche Signal für eine nachhaltige Wirtschaft“. Das Land müsse „Maßnahmen ergreifen, die den Erhalt dieser Industrie in der Region gewährleisten“.

Klaus Kopetzki, FDP-Fraktionschef in Netphen, äußert die Hoffnung, „dass Dreis-Tiefenbach nicht ganz so gefährdet ist und wir eine Chance haben, auf dem Markt zu bestehen“.

Hannes Gieseler, Vorstandsmitglied des SPD-Unterbezirks, fragt nach konkreten Unterstützungswünschen an die Politik: „Der Standort muss um jeden Preis erhalten bleiben.“

Ekkard Büdenbender, Sprecher des Linken-Kreisverbandes, hat einen Pensionsfonds unter den Anteilseignern von Alstom entdeckt. Der sei „vielleicht nicht nur an kurzfristigem Profit interessiert“. Der Standort müsse eine Chance haben. Schließlich sei der Bahnfahrzeugbau „keine Krisensparte“.

Besorgt: Stefan Gestal, Betriebsratsvorsitzender (links), und Andree Jorgella, IG-Metall-Bevollmächtigter. 
Besorgt: Stefan Gestal, Betriebsratsvorsitzender (links), und Andree Jorgella, IG-Metall-Bevollmächtigter.  © WP | Steffen Schwab

Forderungen

Der Gesamtbetriebsrat fordert, das Ausgliedern von Teilen der Fertigung in Niedriglohnländer zu beenden, die Produktion in Deutschland zu halten, Standorte und Arbeitsplätze zu sichern.

Bombardier habe „gute Produkte“, sagt Betriebsrat Stefan Gestal, „aber die Ausschreibungen gehen über den Preis“ – und die verliere das Unternehmen dann. Dass die Deutsche Bahn Züge in China bestelle, so IG-Metall-Bevollmächtigter Andree Jorgella, „kann man sehr politisch beantworten – darüber muss man reden“.

Vordringlich, so Jorgella, sei der Zugang zur Bundesregierung: Beim Wirtschaftsminister bekomme der IG-Metall-Bundesvorstand „nicht einmal einen Telefontermin“. Die französische Regierung gehe mit ihrem Alstom-Konzern anders um, sie führe auch bereits Gespräche auf EU-Ebene, berichtet Stefan Gestal – dort muss die Fusion genehmigt werden. Das kann lange dauern. Oder, wie bei Siemens-Alstom oder Thyssenkrupp Steel-Tata, scheitern.

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