Netphen . Mit 15 begann Erwin Rahrbach seine Laufbahn in der Netphener Verwaltung. Als zweiter Mann an der Spitze verabschiedet er sich in den Ruhestand.

Im alten Netphener Amtshaus gibt es eine kleine Galerie mit Luftbildern, die den heutigen Kernort zeigen. 1951, als Ober- und Niedernetphen noch zwei voneinander getrennte Ortschaften waren. 1967, als auf dem Kreuzberg die neue Realschule schon um ihren zweiten Erweiterungsbau gewachsen war. 1978, als die Straße über den Wiedich Netphe- und Obernautal miteinander verbindet. 1991, als der Wellerseifen bebaut ist und im Nassen ein großes Wohngebiet zu wachsen beginnt. 2010, als auch die Siedlung am Rosenwäldchen steht.

„Netphen hat sich vervielfacht“, stellt Erwin Rahrbach nach dem Gang über den Flur fest. Das Bild von 2018 wird das nächste sein, das hier seinen Platz findet. Rahrbach selbst wird dann dort kein Büro mehr haben. „Ich bin dann mal weg“, verabschiedete er sich neulich lakonisch im Stadtentwicklungsausschuss. Am Donnerstag im Rat wird das womöglich eine Spur feierlicher ausfallen, wenn Bürgermeister Paul Wagener seinen allgemeinen Vertreter und Baudezernenten in den Ruhestand verabschiedet.

Anfänge: Ratssitzungen im Deuzer Kreml

Erwin Rahrbach war 15, als er am 1. August 1971 in den Dienst der Gemeinde Netphen trat. Er hätte auch Fernmeldetechniker werden können. Oder an der Fachoberschule den Weg zum Maschinenbauer einschlagen können. Die Eltern rieten zu öffentlichen Dienst. „Mit 15 ist man zu jung, um tatsächlich selbst zu wissen, was man will.“ Der Realschulabsolvent machte ein zweijähriges Verwaltungspraktikum und absolvierte den dreijährigen Vorbereitungsdienst für den gehobenen Dienst – mit gerade einmal 20 landete er als Inspektor im Schulverwaltungsamt.

Nachfolgefragen

Eigentlich sollte ein Beigeordneter Nachfolger Erwin Rahrbachs werden. Auf die Stelle hat sich niemand beworben.

Als zweiter Mann an die Verwaltungsspitze rückt nun zunächst Kämmerer Hans-Georg Rosemann nach, den der Rat bereits zum weiteren allgemeinen Vertreter bestimmt hat. Als Baudezernent wird Rahrbachs bisheriger Stellvertreter Rainer Schild amtieren.

Zwei seiner Klassenkameraden, beide seit einiger Zeit auch schon in Pension, gingen einen ähnlichen beruflichen Weg: Lothar Groos wurde Kulturreferent, Gerhard Krämer Ordnungsamtsleiter. In den Ratssitzungen, die zunächst noch im Deuzer Kreml stattfanden, durften sie das Protokoll führen. Sie richtig verstanden haben sie damals nicht, wie die älteren Herren die Weichen im der Gemeinde stellten, gibt Rahrbach zu. „Wir waren einfach kleine Jungs und hatten von der Sache keine Ahnung.“ Später, mit dem Aufstieg in der Hierarchie, kommt Erwin Rahrbach der Politik näher, lernt sachorientierte Arbeit ebenso kennen wie Grabenkämpfe, tritt in die CDU ein und verlässt sie vor ein paar Jahren, als die ihn spüren lässt, dass Loyalität sehr einseitig sein kann.

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Schulen und Ordnung: Daueraufgabe Flüchtlinge

Als er 1976 ins Schulverwaltungsamt kam, hatte Netphen noch sieben Grundschulen, drei Hauptschulen und eben die Realschule. In Rahrbachs Dienstzeit fiel der Elternentscheid über die Umwandlung der katholischen Grundschule Niedernetphen in eine Gemeinschaftsgrundschule. 1980 erfolgte der Wechsel ins Ordnungsamt, wo er ab 1984 stellvertretender Amtsleiter, wurde. Und 1992 wechselte er als Chef ins Sozialamt. Als stellvertretender Standesbeamter hat er um die 300 Ehen geschlossen, in beiden Ämtern aber auch die Folgen von Flüchtlingskrisen bewältigen helfen müssen: Ende der 1980er die Aus- und Übersiedler nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, später in den Balkan- und Golfkriegen. Das wurde die Zeit der Notunterkünfte, sogar in ehemaligen Fabrikhallen: Bis zu 160 Menschen wohnten zum Beispiel in Verschlägen bei Solid in Deuz. „Die Leute alle unterzubringen, war eine anspruchsvolle Aufgabe.“

Bauen: Rechte Hand von Ulf Stötzel

1996 musste Erwin Rahrbach sich ganz anders orientieren: Als Werner Büdenbender als Beigeordneter (und später Bürgermeister) nach Wilnsdorf ging, machte Gemeindedirektor Ulf Stötzel Rahrbach zu seinem neuen persönlichen Referenten und zum Leiter des Bauverwaltungs- und Umweltamts. Aus dem Verwaltungsvorstand kam Erwin Rahrbach nun nicht mehr raus. Schon 1999 wurde er Stellvertreter der damaligen Bau-Beigeordneten Dagmar Blöcher, 2002 als Dezernent ihr Nachfolger. Die erste Homepage der Stadt („Das hat richtig Spaß gemacht“) war nun genauso seine Aufgabe wie der Aufbau einer Bauaufsicht – einer der neuen Zuständigkeiten, die mit der Erhebung zur Stadt im Jahr 2000 auf Netphen zufielen.

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Erwin Rahrbach war schon in der Gemeindeverwaltung, als in den 1970er Netphens Einkaufszentrum auf der grünen Wiese zwischen Nieder- und Obernetphen entstand und an ihrem Rand die Feuer- und Rettungswache, die schon 20 Jahre später wieder einem Verbrauchermarkt, dem heutigen Petz-Rewe, wich. Er begleitete, nach Eröffnung der Ortsumgehung, die Neugestaltung der Lahnstraße und des Obernetphener Marktplatzes: „Eine schöne, anspruchsvolle Aufgabe.“ Und er weiß auch, was jetzt ansteht: die Erschließung des Burggrabens, der ein Umlegungsverfahren vorausgehen muss, um überhaupt bebaubare Grundstücke zuschneiden zu können: „Wir haben da ein paar Erbengemeinschaften – eine Sisyphosarbeit.“ Und wieder das Einkaufszentrum, wo Platz für den ersehnten größeren Discountmarkt entsteht, wenn die Stadt 2023 die Post als Mieter los ist und ihr in den 1980ern errichtetes Gebäude wieder abreißen darf. „Wir müssen spätestens 2021 anfangen zu planen.“ Wir – aber ohne ihn.

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Abschied: Einen Sommer mehr

Am 31. Dezember wird Erwin Rahrbach 65. „In der dunklen Jahreszeit wollte ich aber nicht aufhören“, erklärt er, „ich möchte einen Sommer mehr haben.“ Natürlich für die Familie, für Haus und Garten. Aber auch für die drei Fahrräder und die Touren mit Rennrad und E-Mountainbike. Und fürs Fotografieren. Ohne die Kolleginnen und Kollegen, sagt er noch, wäre die ganze Arbeit nicht gelungen. Ihnen gibt er am 21. Februar seinen Ausstand. „Und dann gehe ich nach Hause.“

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