Siegen. Siegener Mode-Startup Scientibus will nachhaltige, faire Mode etablieren: Zur Zeit zusammen mit „Rohrkunst“ und „Anna und Oskar“ im Gründerwerk.

Aus der Lieferverzögerung ihrer ersten Bekleidungskollektion konnten Philip Schultz und Thomas Kehren direkt etwas lernen; über Verfahren und Abläufe in der Textilbranche. „Wir bauen jetzt eine eigene Lieferkette auf“, sagt Schultz, mit Kehren als „Scientibus“ Startup-Unternehmer und Produzent von nachhaltigen, fairen, umweltfreundlichen T-Shirts. Mit dem Weihnachtsgeschäft im Popup-Store des Sparkassen-Gründerwerks an der Kölner Straße wurde es nichts, ändert aber auch nichts an Schultz’ und Kehrens Mission.

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Montags, donnerstags und freitags ist mindestens einer der beiden Scientibus-Gründer von 12 bis 18 im Laden. Um die T-Shirts zu verkaufen und ihre Marke bekannter zu machen, klar – aber vor allem, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Darüber, dass es auch anders geht in der Modebranche, dass Kleidungsstücke nicht von Näherinnen in Fernost zu Niedrigstlöhnen gefertigt werden, um dann kreuz und quer über den Globus geflogen und verschifft zu werden, nicht ohne vorher Unmengen an Wasser und Chemie zur Produktion verbraucht zu haben.

Das Siegener Startup Scientibus ist demokratisch und transparent

Scientibus, lateinisch für „Die Wissenden“, will zeigen, dass genau das nicht nötig ist. Sondern dass Kleidung zu Tariflöhnen, emissionsarm, plastik- und chemiefrei in Europa produziert werden kann und trotzdem nicht teuer sein muss. Denn die riesige Gewinnmarge, sagt Philip Schultz, die streichen die großen Marken ein.

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Im vergangenen Sommer waren Schultz und Kehren mit ihrer Idee angetreten, hatten im Netz nach Unterstützern und Kunden gesucht – und gefunden –, um die erste Kollektion gemäß ihrer Leitidee in Auftrag geben zu können. Jetzt ist sie da, die nächste ist schon in Arbeit. „Wir übernehmen künftig auch den Stoffeinkauf“, sagt Philip Schultz, unter anderem – was am Ende auch den Vorteil hat, dass alle Zertifikate, auf die Scientibus sehr viel Wert legt, in ihrer Hand liegen und von den Kunden überprüft werden können. „Wir sind 100 Prozent transparent“, sagt Schultz; auch die Schnittmuster, sonst gut gehütete Geheimnisse der Modeindustrie, stehen auf ihrer Webseite.

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Dass sie das Geschäft des Gründerwerks nutzen können, sei ein echter Glücksfall, findet Schultz. Dort wird jungen Unternehmen Platz auf Zeit eingeräumt, um ihre Produkte bekannter zu machen. Weil die T-Shirts nicht kamen – Schultz: „Tut uns wirklich sehr leid!“ – tat sich Scientibus mit den beiden Nachfolgern im Popupstore zusammen, „Rohrkunst“ und „Anna und Oskar“. Erstere stellen – als wär’s bestellt gewesen – maßgeschneiderte Kleiderständer und Garderobenstangen im sogenannten Industrial Design aus Metallrohren her, an denen neben den Scientibus-Shirts auch die zu Wickeltaschen umfunktionierbaren, ebenfalls fair in Europa produzierten Rucksäcke des zweiten Startups gut aussehen.

Die ersten Modeunternehmen fragen bei Scientibus nach fairer Mode aus Siegen

Neben der Verkaufsfläche sei der Laden eine gute Möglichkeit, zusammen eine andere, nachhaltige Denkweise auch für Produkte in Siegen zu präsentieren, sagt Philip Schultz, „wir machen auch ein bisschen Aufklärung“. Dass das funktioniert, zeige sich neben der guten Resonanz von Kunden und Passanten auch daran, dass außer dem neuen Unverpacktladen in Weidenau inzwischen auch andere Kleidungsmarken angefragt haben, ob Scientibus für sie produziert – nach den Scientibus-Regeln. „Nachhaltigkeit ist keine Phase“, sagt Philip Schultz. „Sondern eine Verbesserung des Produkts.“

Service verbessern

Die Studenten Kehren und Schultz arbeiten am Service: zum Beispiel, dass Kunden zwei Fotos von sich hochladen und der Algorithmus die passende Größe vorschlägt. „L ist nicht überall L“, sagt Schultz. Oder wenigstens Größentabellen mit realen Maßen, damit Kunden sich selbst vermessen können.

Das nächstes Scientibus-Produkt wird übrigens ein weinroter Hoodie (Kapuzenpullover) mit eingesticktem Scientibus-Logo. „Wir haben unsere Kunden und Fans gefragt, was ihnen fehlt“, sagt Philip Schultz – und der Mehrheit fehlte so ein Pullover. Scientibus ist da absolut demokratisch, „wir hätten schwarz oder grau vorgeschlagen“, sagt er – aber wenn die Kunden das wollen, „dann kümmern wir uns drum“. Aus unternehmerischer Sicht durchaus sinnvoll – die Leute kaufen später das, was sie wollen und brauchen. Und nicht, was eine Firma ihnen anbietet. Und weil Schultz und Kehren möglichst auf Lagerhaltung und Überproduktion verzichten wollen. „Das machen die anderen schon genug.“

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