Siegen. „Radeln ohne Alter“ heißt ein Projekt aus Dänemark, das jetzt in Siegen entstehen soll: Ehrenamtliche chauffieren Bewohner von Seniorenheimen.

Der Verein Alter Aktiv möchte der zunehmenden Einsamkeit im Alter begegnen und Senioren mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Siegen ermöglichen. Das Projekt „Radeln ohne Alter“ soll Bewohnern von Senioreneinrichtungen und Privatpersonen ein Stück Lebensqualität geben und (generationenübergreifende) Kontakte ermöglichen: Mit einem Fahrzeug, das vorwiegend als Transportmittel und Taxi in asiatischen Großstädten bekannt ist – einer Rikscha.

Auch interessant

Das Projekt: Freiwillige Piloten von Alter Aktiv und der Uni Siegen stehen bereit

Ideengeber Klaus Reifenrath hat ein ähnliches Projekt bei einer Tagung in Berlin kennengelernt und war sofort begeistert. „Ich habe gleich gedacht: Das geht auch in Siegen“, sagt er – zumal das Fahrrad als städtisches Verkehrsmittel immer mehr im Kommen ist. Die Fahrrad-Rikscha ist mit einer bequemen, gesicherten und witterungsgeschützten Sitzbank für bis zu zwei Personen ausgestattet und wird von einem Piloten im Sattel gesteuert. Die Idee kommt aus Dänemark.

Knapp 10.000 Euro kostet das Spezialfahrzeug mit Trittkraftunterstützung, Klaus Reifenrath und seine Mitstreiter vom Verein Alter Aktiv und aus der Fahrradwerkstatt sammeln derzeit Spenden für die Anschaffung (siehe Box). „Piloten stehen schon in den Startlöchern“, berichtet Reifenrath, aus den Reihen von Alter Aktiv und auch viele Studierende – der Kontakt sei über die räumliche Nähe der Fahrradwerkstatt zur Uni Siegen zustandegekommen. Der Kreisverband des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) wolle sich ebenfalls beteiligen.

Siegener Seniorenheime und Quartiersmanager interessiert an „Radeln ohne Alter“

Viele Siegener Seniorenheime und Quartiersmanager seien sehr interessiert an dem Vorhaben. „Die Menschen in den Einrichtungen sind oft einsam und kommen selten raus“, sagt Reifenrath, das Personal könne solche Angebote wie „Radeln ohne Alter“ kaum in angemessener Weise zusätzlich zu seiner Arbeit leisten. Der Bewegungsradius der Senioren soll mit Hilfe der Rikscha auf den öffentlichen Raum ausgeweitet werden können – und die Piloten erfahren Wertschätzung und tun etwas für ihre Fitness.

Die Ehrenamtler Norbert Kiefer, Mohammed Alali und Klaus Reifenrath (von links) in der Fahrradwerkstatt im früheren Möbelhaus Wonnemann: Die Nachfrage nach den aufbereiteten Fahrrädern ist stark gestiegen.
Die Ehrenamtler Norbert Kiefer, Mohammed Alali und Klaus Reifenrath (von links) in der Fahrradwerkstatt im früheren Möbelhaus Wonnemann: Die Nachfrage nach den aufbereiteten Fahrrädern ist stark gestiegen. © Hendrik Schulz

Die Initiatoren arbeiten geeignete Routen für Spazierfahrten aus, Sehenswürdigkeiten, durch die Natur oder zu Restaurants. Auch Ziele nach Wunsch der Passagiere sollen möglich sein, so Reifenrath, „zu ihrem früheren Zuhause zum Beispiel“. Mit dem leistungsstarken Unterstützungsmotor der Rikscha „kommt man auch zum Oberen Schloss hoch“. Als Vorstandsmitglied von Alter Aktiv und ehemaliger Fahrlehrer übernimmt Reifenrath auch die Schulung der Piloten.

Studien hätten gezeigt, dass regelmäßige Ausfahrten sehr positive Effekte auf die alten Menschen hätten, sagt Reifenrath: „Sie werden offener und suchen in der Folge auch von sich aus den Kontakt zu anderen.“ Sollte sich das Vorhaben erfolgreich in Siegen etablieren, könne man auch an der Anschaffung einer zweiten Rikscha überlegen.

Die Fahrradwerkstatt: Einzugsgebiet über Siegen-Wittgenstein hinaus

Vor knapp zwei Jahren begannen Klaus Reifenrath und seine Mitstreiter in der alten Hammerhütter Schule an der Koblenzer Straße mit einem „Hilfe-zur-Selbsthilfe-Repaircafé“: Die ehrenamtlichen Schrauber machten zusammen mit Bedürftigen alte Fahrräder wieder flott. Inzwischen hat sich das Projekt zu einem ausgewachsenen Werkstattbetrieb mit acht festen ehrenamtlichen Mitarbeitern gemausert, „ich hätte nie gedacht, dass sich das in einer ‘Nicht-Fahrradfahrerstadt’ wie Siegen so entwickeln würde“, sagt Reifenrath. Die Nachfrage sei hoch, das Einzugsgebiet erstrecke sich inzwischen bis nach Wittgenstein, Olpe und Altenkirchen.

Auch interessant

Nach wie vor soll der Fahrrad-Reparatur-Treff Hilfesuchende und engagierte Bürger, Initiativen, Kommunen, Organisationen und Unternehmen zusammenbringen – für den Kinderfahrrad-Flohmarkt „Kids on wheels“ des Lions Clubs Siegen etwa leistet die Werkstatt technische Unterstützung und arbeitet für den guten Zweck die Fahrräder auf. Geöffnet ist mittwochs von 13 bis 17 Uhr.

Fahrradwerkstatt kooperiert mit der Uni Siegen

Angesiedelt ist die Werkstatt inzwischen im ehemaligen Möbelhaus Wonnemann, Sandstraße 20. Die Immobilie hat die Uni Siegen im Zuge der Erweiterung des Campus’ Unteres Schloss hin zum Bereich Friedrichstraße gekauft und der Fahrradwerkstatt überlassen. Ob die Uni die Hinterhof-Räume der Werkstatt künftig selbst benötigt, stehe noch nicht fest, sagt Klaus Reifenrath; man stehe aber in engem Kontakt.

Auch in Sachen Ersatzteile lebt die Fahrradwerkstatt von Spenden.
Auch in Sachen Ersatzteile lebt die Fahrradwerkstatt von Spenden. © Hendrik Schulz

Denn die Uni Siegen, gerade der Bereich Soziale Arbeit, profitiere von der Nähe der ehrenamtlichen Schrauber, die „ohne Fördermittel und zum Nulltarif“, wie Reifenrath betont, Fahrräder aufarbeiten und an Bedürftige verschenken. Aus der Hochschule gebe es immer wieder Anfragen für Projekte rund ums Ehrenamt oder für Bachelorarbeiten. Auf diese Weise könne man unter den Studierenden auch weitere Ehrenamtliche gewinnen – und so eine bessere Schnittstelle zwischen Universität und Siegener Stadtgesellschaft schaffen, sagt Reifenrath.

Mehr Nachrichten, Fotos und Videos aus dem Siegerland gibt es hier.

Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook.