Netphen. Jetzt werden die Geldhähne im Rathaus zugedreht: Die Stadt Netphen wird auf einen Teil der für 2020 geplanten Investitionen verzichten müssen.

Am Morgen nach der Ablehnung des Haushaltes durch den Rat arbeitet Kämmerer Hans-Georg Rosemann an einer Dienstanweisung fürs Rathaus: Seine Kolleginnen und Kollegen erfahren, wofür sie nach den Regeln des Nothaushaltsrechts kein Geld mehr ausgeben dürfen – im Prinzip für nichts, wozu die Stadt nicht verpflichtet ist und was nicht unabweisbar ist.

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Die Lage: Dringlichkeitsliste für Investitionen in Netphen

Dem Rat wird Rosemann eine Dringlichkeitsliste für Investitionen vorschlagen, die dann die Kommunalaufsicht beim Kreis genehmigen muss: Ganz oben werden rentierliche Investitionen stehen, die sich über Gebühreneinnahmen von den Bürgern finanzieren – also vor allem Kanal- und Klärwerksbau. Und ganz unten freiwillige Investitionen: von der Eishalle bis zum Kunstrasenplatz. Die Obergrenze ist von vornherein gesetzt: Höchstens ein Viertel der Kreditsumme des Vorjahres darf neu aufgenommen werden.

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Die Situation ist unübersichtlich, erklärt Rosemann im Gespräch mit dieser Zeitung: Die Rechtsverordnung, auf die das Gesetz – die Gemeindeordnung – für diesen Fall verweist, hat die Landesregierung nicht erlassen. Offenbar erwartet Düsseldorf, dass nach dem Ende der Haushaltssicherung – in Netphen 2020, sonst fast überall 2022 – keine Kommune in den Nothaushalt abrutscht. „Der Rat hat immer noch die Möglichkeit, neue Steuerhebesätze zu beschließen“, sagt Rosemann. Den Haushalt selbst werde er von sich aus nicht noch einmal vorlegen, „es sei denn, wir bekommen Signale aus der Politik.“

Bürgermeister Wagener: Nothaushalt würde Vertrauen der Netphener bröckeln lassen

Bürgermeister Paul Wagener hatte die Debatte mit Appellen eröffnet, dem Haushalt und den darin vorgesehenen Steuererhöhungen zuzustimmen. „Die Folgen eines Nothaushaltes würden das Vertrauen der Netpher Bürger in die Politik noch weiter bröckeln lassen.“ Das sagten dazu die Fraktionen:

Alexandra Wunderlich (CDU) sah den Bürgermeister in der Verantwortung, „einen ordentlichen Haushalt aufzustellen“. Stattdessen den Rat mit „absehbare Hiobsbotschaften“ zu konfrontieren, sei „unseriös“. Durch eine „verfehlte oder sogar nicht vorhandene zukunftsorientierte Politik“ sei Wagener auch für den Rückgang der Einwohnerzahl „hauptverantwortlich“. Dem Freizeitpark stellte die CDU-Fraktionsvorsitzende „Wünsche der Bürger“ entgegen: Hallen für Sport und Kultur, Spiel- und Sportplätze und eine neue Grundschule für Netphen. In der Stadtmitte sei die Entwicklung des Einkaufszentrums „komplett verschlafen“ worden. Der Nothaushalt werde eine Chance sein, „mit fachkundiger Hilfe auf einen nachhaltigen Haushaltsweg hinzusteuern und darzulegen, welche konkreten Versäumnisse zu diesem fatalen Ergebnis geführt haben“.

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Manfred Heinz (SPD) forderte, „die Gesamterzählung dieser Stadt muss pointierter, besser und einvernehmlicher werden“. Das „überlebenswichtige Thema Klimaschutz“ könne diesen neuen Geist entwickeln – denn in den 50 Jahren seit der Gebietsreform sei es nicht gelungen, die Einwohner der Dörfer in die Stadt zu integrieren. Der Freizeitanlagenbereich („Folgen einer übermütigen Epoche“) sei für Netphen „eine Nummer zu groß“. Konkret forderte Heinz die Ansiedlung eines weiteren Alten- und Pflegeheims, „damit Netpher in Netphen bleiben können“, außerdem einen Bericht über die Lebenslage armer Kinder, „um eine Unterstützungspolitik einleiten zu können“.

FDP: Bürgermeister setzen sich in Netphen selbst Denkmäler – auch Paul Wagener

Helmut Buttler (UWG) sprach sich für die vorgeschlagene Erhöhung der Grundsteuer aus. Die Stadt habe „Glück gehabt“, dass die neuen Kitas noch gebaut werden konnten. „Wir warten jetzt auf die Grundsteinlegung auf dem Sterndill.“ Die UWG lehne einen etwaigen Verzicht auf diesen Neubau ab, ebenso die Streichung der Mittel für Einzelhandels-, Wirtschaftswege- und Ladesäulenkonzept.

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Helga Rock (Grüne) forderte die „grundlegende Revision“ des Haushalts: „Wir finden, dass wir so nicht weitermachen können.“ Die Stadtverwaltung brauche eine Stelle für den Klimaschutz und ein Mobilitätskonzept. Die Stadt müsse „kritisch fragen, was wir uns in Zukunft leisten können“. Der Nothaushalt sei „nicht das Ende des Handelns“.

Klaus Kopetzki (FDP) sprach über Denkmäler, die sich „die Vorgänger unseres Bürgermeisters immer wieder selbst gesetzt“ hätten, und nannte Freizeitpark und Einkaufszentrum. Paul Wageners Denkmal solle wohl eine neue Stadthalle auf der Braas werden. Die werde selbst dann von Bewohnern anderer Ortschaften nicht genutzt, wenn Hallen dort geschlossen würden, „weil sie gar nicht wissen, wie sie nach dem Feiern nach Hause kommen sollen“.

Ekkard Büdenbender (Die Linke) warb für einen Haushalt ohne Steuererhöhung und für einen mit 100.000 Euro ausgestatteten Zukunftsfonds. „Und wenn man uns dafür noch weiter entmachten möchte, dann werden wir gemeinsam auf die Straße gehen. Glauben Sie mir, wir werden dort nicht allein stehen.“

Was dem Nothaushalt in Netphen zum Opfer fallen könnte

In nicht öffentlichen „Giftlisten“ hat der Kämmerer freiwillige Leistungen dargestellt, die dem Nothaushalt zum Opfer fallen könnten.

Darunter wären zu Beispiel die samstägliche Öffnung des Bürgerbüros, die Senioren-Service-Stelle und die Verfügungsmittel für die Ortsbürgermeister.

Für viele weitere Leistungen, zum Beispiel zusätzliche Schulbusse oder Zuschüsse zu den Betriebskosten für die Kitas, müssten erst Verträge gekündigt werden.

Kaum betroffen sein werden Zuschüsse an Vereine. Die werden nämlich überwiegend nicht aus dem städtischen Haushalt, sondern aus dem auf Netphen entfallenden Anteil des Sparkassen-Jahresgewinns bezahlt.

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