Siegen. Das Department Kunst der Universität Siegen zeigt den „Rundgang 2020“ mit Arbeiten von Kunststudierenden in Ladenlokalen im Herrengarten.
Weniger Platz eröffnet manchmal mehr Möglichkeiten. Weil das Brauhaus in Geisweid aufgrund bisher nicht behobener Brandschutzmängel noch nicht wieder zur Verfügung steht, zeigt das Department Kunst der Uni Siegen den „Rundgang 2020“ in leergezogenen Ladenlokalen im Herrengarten. Das bedeutet für die Präsentation studentischer Arbeiten zwar weniger Fläche, dafür aber in viel prominenterer Lage – und ein leicht modifiziertes Ausstellungskonzept.
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Potenziale
„Der Rundgang ist zu wichtig, wir wollten ihn auf jeden Fall möglich machen“, sagt Prof. Stefan Wissel. 2019 musste die Ausstellung wegen der Schließung des Brauhauses ausfallen. In seinem Atelierhaus räumt das Fach Kunst sonst jeder Disziplin – Fotografie, Malerei, Plastik, Druckgrafik – eine eigene Etage ein. „Hier haben wir zusammen kuratiert“, sagt Stefan Wissel im Herrengarten, wo auf einer Ebene einzelne Bereiche zwar immer noch den jeweiligen Schwerpunkten gewidmet, die Werke aber dank der offenen Raumkonstruktion gattungsübergreifend durch Sichtachsen verbunden sind.
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Chancen
Weil der Hauptraum über die Schaufensterfronten einsehbar ist und in der Passage mehrere kleinere Ladenlokale als Fläche genutzt werden, strahlt die Ausstellung außerdem, anders als im Brauhaus, in den öffentlichen Raum aus. „Wir haben im Brauhaus ein sehr treues Stammpublikum“, sagt Stefan Wissel. „Aber wir hoffen natürlich, dass wir hier noch mehr Menschen erreichen. Es ist toll, dass wir mittendrin sind.“
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Werke
Zweifellos verdienen die studentischen Arbeiten den regeren Publikumsverkehr in der innerstädtischen Lage. Das Besondere am Rundgang ist seit jeher, dass sich dem Betrachter erschließt, wie – und ob – junge Menschen eigene künstlerische Positionen einnehmen und diese entwickeln. Deutlich wird das zum Beispiel
an einem Objekt von Luisa Schmidt im Sieg-seitigen Schaufenster der Boutique: In eine massive quadratische Bodenplatte aus Beton ist eine Kabine aus grauer Plastikfolie eingegossen, oben schließt eine Betonplatte diese ab. Schmidt kombiniert Materialien, die zwar beide im Baubereich vorkommen, aber in ihrer Beschaffenheit und ihren Eigenschaften konträr sind, zu einem in sich schlüssigen Werk. Die weiche, verletzliche, flexible Folie scheint den schweren Betondeckel zu tragen. Physisch unmöglich – tatsächlich übernimmt eine Innenkonstruktion diesen Part – ist die Wirkung doch organisch, natürlich; der Widerspruch mit Selbstverständlichkeit integriert.
an einem großformatigen Bild von Alina Mainusch: Dünne schwarze Linien legen eine Gewebestruktur über einen neongelben Hintergrund. Aus der Distanz könnten es auch Gesichter sein, tatsächlich sind es aber kreuzweise, teilweise auch ineinandergreifende weibliche Torsos. Unbekleidet. Was aus der Ferne wie ein homogenes Muster anmutet, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als die komplette Bandbreite an Körperformen: schlank, füllig, mager, diverse Körpergrößen, rasiert, unrasiert, groß, klein – und damit Ausdruck von Weiblichkeit jenseits eines vorgefertigten Schönheitsideals.
an einem Betonwürfel von Jonathan Dunkel: Im Inneren verlaufen symmetrisch Treppen, vorne und hinten ist der Kubus offen. Das Objekt lenkt in seiner geometrischen Klarheit zwar wie ein Rahmen den Blick, streicht aber vor allem die eigene Materialität heraus, zeigt eine teilweise grobe Textur und verbindet das Massive und strikt Geordnete mit dem Schwebenden und Irritierenden. Die Wirkung liegt nicht nur im Aufbau begründet, sondern auch in der nahtlosen Machart: Es ist nicht zusammengesetzt, sondern als Ganzes gegossen.
Die Ausstellung ist von Mittwoch, 29. Januar, bis Sonntag, 2. Februar, täglich von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Die Vernissage beginnt am Mittwoch um 19 Uhr.
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