Siegen. Als Bürokratiemonster, Gängelung durch den Gesetzgeber und Belastung für die Umwelt geißeln Siegener Geschäftsleute die Pflicht zu Kassenbelegen.
Alleine für das Bäckergewerbe wird ab dem kommenden Jahr mit Milliarden zusätzlicher Kassenbons gerechnet. Bereits beim Kauf eines einzelnen Brötchens muss der Kassenzettel ausgedruckt werden, ob der Kunde das wünscht oder nicht. Hintergrund ist die Belegausgabepflicht, die am 1. Januar in Kraft tritt. Betroffen sind zahllose Unternehmen mit elektronischen Registrierkassen.
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„Uns besuchen auch Kunden, die nur eine Batterie oder einen neuen Federsteg an ihrer Uhr tauschen wollen. Bevor wir den Kassenbeleg ausgedruckt haben, sind sie längst wieder aus dem Laden und wir haben dann hier den Müll“, kritisiert etwa Walter Linschmann, Juweliergeschäft Linschmann in Eiserfeld.
Kassenbelege dürfen nicht in den gewöhnlichen Papiermüll
Ärgerlich: Die Kassenbelege dürfen nicht einfach in den Papiermüll gegeben werden, weil es sich um spezielles Thermopapier handelt, das mit hohem Energieaufwand hergestellt wird und im Gewerbemüll entsorgt werden muss – nicht über den gewöhnlichen Papiermüll.
Hinzu kommt, dass Belege ab 2020 meist deutlich länger werden, weil weitere Angaben aufzudrucken sind, die auf die technische Sicherheitseinrichtung (tSE) zurückgehen, die grundsätzlich ab dem 1. Januar für Kassensysteme verpflichtend ist. Durch eben diese tSE sei ein Geschäftsvorgang bereits durch die erste Eingabe in das Kassensystem unveränderbar abgesichert, so IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer. Da der Verkäufer vorher nicht wissen könne, ob der Kunde am Ende vielleicht doch auf einen Kassenbon besteht, müsse er den Verkauf so oder so in der Kasse buchen.
Konzerne nutzen Steuerschlupflöcher – mittelständische Betriebe unter Generalverdacht
Thomas Weissner, Geschäftsführer Leder Jäger GmbH Siegen: „Die neuen Verordnungen sind ein typischer Fall von bürokratischer Überregulierung, dem Einhalt geboten werden muss!“ Gerade mittelständische Betriebe würden unter Generalverdacht gestellt, während internationale Konzerne Milliarden an Steuern durch die Ausnutzung von Steuerschlupflöchern sparen – dies sei vorrangige Aufgabe der Politik.
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Petra Lenneper, Inhaberin des gleichnamigen Fachgeschäftes für Uhren, Gold- und Silberschmuck in Kirchhundem, sieht das ähnlich. Sie die Belegausgabepflicht für unverhältnismäßig und sieht darin eine Imageschädigung: „Das ist eine weitere unzumutbare Gängelung durch den Gesetzgeber, der uns damit das Leben schwerer macht. Es ist sehr ärgerlich, dass gerade die kleinen und mittleren Unternehmen als vermeintliche Steuerbetrüger abgestempelt werden!“
IHK Siegen: Belegausgabepflicht ist Vorverurteilung von Betrieben
Die Belegausgabepflicht soll einen Beitrag gegen Steuerhinterziehung leisten. „Dies unterstützen wir grundsätzlich“, betont Hans-Peter Langer. „Allerdings führt die Vielzahl neuer Regelungen mittlerweile dazu, dass sich etliche Betriebe vorverurteilt fühlen. Kommen dann noch unzumutbare bürokratische Lasten hinzu, ist die Akzeptanz vollends zerstört.“ Zwar sehe die Abgabenordnung Ausnahmen für die Belegausgabepflicht vor, aber die Gewährung von Ausnahmen aus „Zumutbarkeitsgründen“ liege im Ermessen der Finanzämter.
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Dies werde zu immer neuen Konfliktsituationen führen, betont Wolfgang Keller, Geschäftsführer Autohaus Keller in Siegen und Vorsitzender des IHK-Einzelhandelsausschusses. Eine grundlegende Nachbesserung sei nötig, sonst werde die Pflicht zur Belegausgabe eine „Verschlimmbesserung erster Güte, und wir können uns mit einem umweltschädlichen Bürokratiemonster herumschlagen, das vor allem höhere Kosten und Ärger erzeugt!“
IHK appelliert an Siegener und Olper Bundestagesabgeordnete
Die IHK hat schriftlich an die heimischen Bundestagsabgeordneten Nezahat Baradari, Sylvia Gabelmann, Dr. Matthias Heider, Volkmar Klein und Johannes Vogel appelliert, sich dafür einzusetzen, dass die Belegausgabepflicht ohne Kundenwunsch aufgehoben wird.
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Für dieses Anliegen haben die Abgeordneten prominente Unterstützung: Zwischenzeitlich hat auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier seinen Kabinettskollegen Olaf Scholz aufgefordert, die Belegausgabepflicht aus Nachhaltigkeitsgründen komplett zu streichen.
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