Netphen. Dutzende Bauern aus dem Siegerland machen in Netphen auf ihre Sorgen aufmerksam: Bezahlung, Bürokratie, Vorschriften. „Wir wollen nicht mehr.“
Die Bauern seien doch eigentlich sehr geduldig und gutmütig, betont Jutta Capito. Bevor die einmal auf die Barrikaden gingen, müsse schon sehr viel passieren. Die stellvertretende Landrätin erntet dafür viel zustimmendes Lächeln und Nicken in der Runde. Einige Dutzend Bauern aus dem Altkreis Siegen sind an diesem späten Samstagnachmittag, 7. Dezember, in Netphen zusammengekommen, um auf ihre Sorgen und Ansprüche aufmerksam zu machen.
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Ein Mahnfeuer wird auf dem Gelände des Raiffeisenmarktes am Ortseingang entzündet, darum herum stehen bereits viele Traktoren und einige treffen immer noch ein. Die Kollegen aus dem Wendener Raum sind erst gegen 16.30 Uhr losgefahren, die werden für später auch noch erwartet. Mit ihrer Aktion – eine ähnliche soll es auch in Wittgenstein geben, die Olper und andere waren schon vorher auf der Straße – möchten die Landwirte die Bürger sensibilisieren, möglichst auch mit denen ins Gespräch kommen.
Siegerländer Bauern fordern faire Bezahlung für Arbeitsaufwand
Michael Alterauge aus Drolshagen ist einer der Landesvorsitzenden des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter und bringt die Anliegen seiner Kollegen auf den Punkt. Faire Bezahlung müsse her, dem Arbeitsaufwand der Landwirte angemessen. Der Preis, da ist er sich mit den Vertretern aus Netphen einig, liege auf dem gleichen Niveau wie vor 30 Jahren. Die einzige Chance für die Bauern, in den vergangenen Jahrzehnten mehr Geld zu verdienen, sei daher stets immer nur das Wachstum gewesen. Damit seien sie aber jetzt am Limit, in Sachen Boden, Überlastung der Familien und auch sonst. „Wir wollen nicht mehr“, sind sich alle einig.
„Ist der Bauer ruiniert, wird das Essen importiert“, steht auf einem Transparent an einem Trecker. Auf anderen wird auf die Gefährdung der Familienbetriebe hingewiesen, auf die harte Arbeit über das ganze Jahr, die mit immer neuen Gesetzen und Verordnungen „belohnt“ werde, statt mit angemessenem Lohn. Die Slogans sind laut, die Bauern selbst eher zurückhaltend. Sie haben Schaubilder aufgehängt, die den Unterschied deutlich machen, zwischen dem, was sie zum Überleben brauchen, und den tatsächlich ausgezahlten Beträgen. Vor Ort sind Biobauern und herkömmlich arbeitende Landwirte.
Streitereien mit Spaziergänger beim Futtermähen
Hermann Klöckner hat kein Biosiegel am Stall, „aber auch wir füttern schon seit Jahren kein genverändertes Futter“, versichert der Netpher Ortslandwirt. Er wünscht sich vor allem einen offenen und unvoreingenommenen Dialog und hat gleich ein Beispiel dafür, wie es eher nicht laufen sollte. Beim Futtermähen sei er mit einem Spaziergänger aneinandergeraten, der Genehmigungen von ihm habe sehen wollen, der ihm von Besuchen im Netpher Umweltamt berichtet habe, dass solche Aktionen untersage. „So etwas haben wir gar nicht“, wirft Bürgermeister Paul Wagener kopfschüttelnd ein.
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Klöckner berichtet, wie er sich mit dem Mann gestritten hat, der ihm ein Klischee über zuviel Gülle und ähnliches nach dem anderen an den Kopf geworfen habe. Der Mann führte einen Jagdhund bei sich. Er habe ihn dann gefragt, ob er einer von diesen bösen Jägern sei, die gern und zu viele Tiere schössen und so weiter, schmunzelt Hermann Klöckner. Danach sei die Diskussion leichter geworden.
Bauern im Siegerland sorgen seit Generationen für Umweltschutz
Paul Wagener nimmt die Landwirte ausdrücklich in Schutz. Er kenne Klöckner seit dem ersten Schuljahr, wisse um dessen Charakter und Integrität. „Ich bin auf seinem Hof und vielen anderen gewesen“, betont der Bürgermeister und lobt die Bauern für deren wichtige Arbeit bei der Ernährung der Menschen. Sie könnten nichts für all die Probleme, die bei der weiteren Wertschöpfungs- und Verarbeitungskette der Lebensmittel aufträten, seien aber in der Öffentlichkeit trotzdem der erstbeste Buhmann. Das müsse endlich aufhören.
Jutta Capito, die selbst in Neunkirchen Landwirtschaft betreibt, verweist auf den seit Generationen gelebten Umweltschutz der Bauern in der Region, beklagt die agrarpolitischen Entscheidungen der EU, die auf solche Unterschiede nicht achteten. Dennoch macht ihr der kürzliche Agrar-Gipfel in Berlin Hoffnung, „wenngleich es noch keine konkreten Entscheidungen gegeben hat“.
Für Hermann Klöckner ist die Sache ganz einfach. „Ich habe einen gesunden Betrieb von meinen Vorfahren übernommen und will ihn so auch weitergeben!“ Er halte seine Milchkühe, entnähme dafür dem Boden Nährstoffe, die in die Milch und die Abfälle der Tiere gingen. Letztere würden dem Boden als gesunder Kreislauf wieder zugeführt. Von zuviel Gülle könne zumindest hier in der Region gar nicht die Rede sein, dies müsse bei der Bewertung und der Belastung der Bauern einfach eine Rolle spielen. „Wir sind auch nicht gegen etwas. Wir wollen einen fairen Dialog!“, sagt er.
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