Kreis Olpe/Bonn. Die Bauern sind sauer. Ihr Zorn richtet sich gegen die Agrarpolitik der Regierung. 58 Trecker fuhren am Dienstag von Rothemühle nach Bonn.
Bernd Eichert ist Bio-Bauer in Bebbingen und hat Spaß an seinem Beruf als Nebenerwerbslandwirt. Doch bei ihm und vielen anderen Bauern ist jetzt Schluss mit lustig. „Es geht nicht mehr nur um Preise. Jetzt stimmen grundlegende Sachen nicht mehr. Es hat sich aufgestaut. Jetzt ist das Fass voll. Das hat mit dem üblichen Jammern der Bauern nichts mehr zu tun. Wir haben die Schnauze voll“, redet er im Gespräch mit unserer Zeitung Klartext. Zwar ist Bernd Eichert offiziell stellvertretender Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Olpe, doch jetzt kämpft er als „neutrale Person. Das ist keine verbandsgesteuerte Geschichte“, sagt er.
Hintergrund: Die Protestwelle ist im Netz entstanden. Innerhalb weniger Tage haben sich auf Facebook mehr als 10.000 Menschen in der Gruppe „Land schafft Verbindung“ zusammengefunden. „Unsere erste WhatsApp-Gruppe mit 250 Leuten war innerhalb von 24 Stunden gefüllt. Es ist eine zweite entstanden. Jetzt sind es 430 Leute“, so Eichert, der zu den Moderatoren der Gruppen gehört und Infos weitergibt.
58 Schlepper starten in Rothemühle
Spontan im Netz entstanden
Die Bewegung „Land schafft Verbindung“ ist Anfang Oktober spontan über Facebook entstanden.
Innerhalb kürzester Zeit haben sich deutschlandweit sowohl Landwirte und Akteure der grünen Branche, als auch der vor- und nachgelagerte Bereich der Landwirtschaft zusammengeschlossen.
Zu den Zielen schreibt die Bewegung: „Gemeinsam wollen wir wieder mitgestalten und friedlich Lösungen finden. Lösungen, die ein Fortbestehen unserer Branche in Deutschland ermöglichen.“
In der morgendlichen Dunkelheit trat der Protest am Dienstag raus aus dem Netz auf die Straße. 58 Trecker sammelten sich in Rothemühle, jeweils etwa die Hälfte aus dem Kreis Olpe und dem Siegerland. Im Konvoi fuhren die Landwirte um 6.15 Uhr zur Demo gegen die Agrarpolitik, die um 11 Uhr auf dem Münsterplatz in Bonn begann. Das Motto dort: „Wir rufen zu Tisch.“ Zielscheibe der Kritik sind vor allem die beiden Bundesministerinnen Julia Klöckner (Landwirtschaft) und Svenja Schulze (Umwelt). Auch einige Autos hatten sich dem Trecker-Konvoi aus Rothemühle angeschlossen. „Auf der Strecke standen viele Menschen, machten den Daumen hoch und klatschten. Ich habe niemanden den Kopf schütteln sehen“, berichtet Eichert. Die ersten Trecker aus Rothemühle erreichten Bonn um 11.30 Uhr. „Das waren kilometerlange Schlangen. So viele Trecker habe ich noch nie auf einen Haufen gesehen“, so der Bebbinger.
Ständiges Bauernbashing
Die Bauern würden ständig an den Pranger gestellt, so Bernd Eichert: „Die permanente negative Stimmungsmache, das Bauernbashing, führt zu Ärger und Frustration im Berufsstand. Diskriminierung, Benachteiligung und Mobbing von Angehörigen gehören zur Tagesordnung. Das gefährdet die Zukunft der Betriebe und des ländlichen Raumes.“
Der Bio-Bauer aus Bebbingen spricht von „Nadelstichen“ nach den ohnehin zwei schwierigen Jahren der Dürre und bringt konkrete Beispiele. So habe Bauernpräsident Joachim Rukwied eine Einladung an Umweltministerin Schulze ausgesprochen, die diese aber ausgeschlagen hatte: „Das ist an Arroganz nicht zu überbieten.“ Und: „Die Grüne Göring-Eckhardt hat in der Bundestagsdebatte gesagt: Landwirtschaft zerstört Landschaft. Das ist eine Pauschalverurteilung.“ Über die Landwirtschaftsministerin meint Eichert: „Klöckner steht auch nur da wie die Weinkönigin im Weinberg, die einen Hagelschauer abkriegt.“
In einem Flyer bringt die Bewegung „Land schafft Verbindung“ ihre Forderungen auf den Punkt. Es geht um praxisnahe und unbürokratische Vorgaben. Das Agrarpaket gefährde bäuerliche Familienbetriebe. Die Verschärfung der Düngeverordnung führe zu Unterdüngung. In den sogenannten roten Gebieten schade das dem Boden und dem Wasser mehr, als es nützt. Und das Mercosur-Handelsabkommen gefährde durch Billigpreise importierter Waren die Versorgung mit sicheren, qualitativ hochwertigen und geprüften Lebensmitteln aus der Region.
Ministerinnen kommen nicht
„Wir wollen mitgestalten. Das soll mit uns passieren und nicht über unsere Köpfe hinweg. Es geht um das gesellschaftliche Miteinander. Wir wollten einfach auf unsere Probleme hinweisen“, sagte Bernd Eichert, der am Dienstagnachmittag mit seinem Trecker im Konvoi zurück nach Rothemühle fuhr. Im Gespräch mit unserer Zeitung zog er Bilanz nach der Demo in Bonn: „Das war gut. Wir haben Bonn mit unseren Schleppern dichtgemacht. Beide Ministerinnen waren aber nicht da. Sie wollen uns einfach nicht zuhören. Von nicht organisierten Bauern wird deutschlandweit eine solche verbandsfreie Demo auf die Beine gestellt. Da muss man Verantwortung übernehmen und nicht die zweite Garde schicken. Das ist ein Stück weit traurig.“ Es sei jetzt ein Netzwerk entstanden, das weiter genutzt werden soll: „Die Arbeit geht jetzt erst los.“
Er finde es gut, wenn Bauern auf die Straße gehen und für ihre Sache kämpfen, betonte Bernd Eichert: „Dieses Einbringen wird ja von den Politikern immer wieder gefordert. Es fällt auf, dass richtig viele junge Leute vom Bauernhof mitmachen, die eine Zukunft haben wollen.“