Die Uni Siegen streicht der Medienpraxis das Budget. Studis sehen die Bewältigung der Regelstudienzeit in Gefahr.

Unklare Zahlen, eine drohende Klage und eine deutliche Kampfansage: Die Stimmung ist schlecht. Wegen Budgetkürzungen sorgen sich die Studierenden um die Medienwissenschaften, speziell den Bereich der Medienpraxis. Besonders Marcus Rommel, Vertreter der Studierenden im Seminarrat des Medienwissenschaftlichen Seminars, kritisiert die Vorhaben stark und zweifelt, dass der Studiengang mit solchen Umsetzungen noch zu bewältigen ist.

Wieso ist die Finanzierung der Medienpraxis gefährdet?
Die Wurzel des Übels liegt in der Verfehlung der Zielzahlen des Hochschulpaktes, was in erster Linie bedeutet, dass sich nicht so viele Studierende neu an der Uni eingeschrieben haben wie erhofft. Die Folge war ein Rückgang der Haushaltseinnahmen und somit eine Reduzierung des Gesamtbudgets um 2,2 Prozent. Diese Kürzungen betreffen, so André Zeppenfeld, Pressesprecher der Uni Siegen, alle Bereiche der Universität innerhalb und außerhalb der Fakultäten.


Wie sieht die finanzielle Situation aus?
Marcus Rommel wirft konkrete Zahlen in den Raum: Eine Million Euro sollen laut seinen Angaben in der Fakultät 1 eingespart werden, davon allein 400.000 Euro in der Medienpraxis.
Die Pressestelle der Uni weist diese Zahlen entschieden zurück und noch einmal deutlich darauf hin, dass die Kürzungen sich auf 2,2 Prozent belaufen. Der Rechenschaftsbericht der Uni von 2017, der online einsehbar ist, besagt, das Budget der Fakultät 1 belaufe sich auf grobe fünfzehn Millionen Euro. Wenn man darauf die 2,2 Prozent Einsparung anwendet, könnten die 400.000 Euro hinkommen – für die gesamte Fakultät 1, nicht jedoch exklusiv innerhalb der Medienwissenschaften.

Woher kommt die Diskrepanz der Aussagen?
Rommel bezieht sich auf die aktuelle Bilanz des Medienwissenschaftlichen Seminars. Diese Zahlen hat das Seminar auch dem Dekan vorgelegt. Rommel selbst kann sich die unterschiedlichen Aussagen nicht erklären und verweist auf das Medienwissenschaftliche Seminar – dessen Sprecherin, Dagmar Hoffmann, hat laut eigener Aussage jedoch keine Kenntnisse über die Finanzierung.

Woher stammen die Beschlüsse?
Wer genau im Falle der Medienwissenschaften beschlossen hat, an welcher Stelle gespart wird, ist schwieriger herauszufinden. „Es wird immer wieder nur darauf verwiesen, dass andere in der Verantwortung sind. Alle zeigen immer auf andere. Und es wird sich massiv hinter abstrakten technischen Zuständigkeiten versteckt“, bemängelt Rommel.

Was verändert sich durch die Kürzungen überhaupt?
Schon zum vergangenen Sommersemester wurden die 15 angestellten Tutoren in der Medienpraxis entlassen. Das erschwerte die Arbeit in der Medienpraxis massiv. Diesen Umstand erkannte auch die Universität an, weshalb wieder Tutoren angestellt wurden.

Drei der Dozenten verlieren demnächst ihre Verträge: Dr. phil. Dorna Safaian, Dipl.-Regisseur Wolfram Mayer-Schuchard und Dr. des. Timo Schemer-Reinhard könnten nur dann auch zukünftig lehren, wenn sie für ein Zehntel ihres bisherigen Gehaltes weiterarbeiteten, so zumindest Marcus Rommel. Ein Angebot, das nicht angenommen wird, so dass die Verträge nun auslaufen und die langjährigen Dozenten vermutlich die Uni verlassen.

Wie sah das Studium bisher aus?
Bisher wurde der Bereich Medienpraxis nie institutionalisiert, so dass weder eine feste Finanzierung noch Professuren gesichert sind – und das seit 1991. Die Medienpraxis wird mit wechselnden Mitteln und Lehrkräften für besondere Aufgaben (LfbA) über Wasser gehalten. Zusätzlich gibt es Lehrbeauftragte – solche, deren Hauptbeschäftigung in dem Ressort liegt, das sie unterrichten, und die daher die Seminare um ihre eigenen Termine herumlegen. Das heißt: Meist finden die Veranstaltungen am Wochenende statt. In der unsicheren Lage sieht die Uni kein Problem und bezieht sich auf die Lehrstühle der Medienwissenschaften. Sie teilt mit, dass eine einzige Professur speziell in der Medienpraxis das Angebot einengen würde.

Was ist das Problem mit den Veränderungen?

Der Verweis auf die vorhandenen Professuren in der Medienwissenschaft lässt außer Acht, dass die Medienpraxis von diesen Lehrstühlen gar nicht sinnvoll abgedeckt ist. Die drei Professuren, Medienästhetik, Medienethnografie und Medientheorie, umfassen die praktischen Fähigkeiten nicht, die in diesem Bereich eigentlich erworben werden sollten. „Uns drängt sich daher der Eindruck auf, dass man die Studierenden des medienwissenschaftlichen Seminars über solche Nebenschauplätze davon abhalten will, weiter aktiv für die Medienpraxis zu kämpfen“, vermutet Rommel.

Wie sähe der Studiengang dann in Zukunft aus?
Rommel prognostiziert, dass die Verluste kompensiert werden, indem mehr Lehrbeauftragte die Medienpraxis übernehmen. Die daraus resultierenden Blockseminare begrenzen die Auswahl der Kurse terminlich und thematisch, so dass die vorgesehene Regelstudienzeit nicht einzuhalten ist. Schließlich schrumpft trotz allem die Kursanzahl – von mindestens 50 Kursen im Jahr auf höchstens 28, so das Campusradio Radius 92.1. Die Folgen der Maßnahmen sind umstritten: Da die Lehrbeauftragten in der Woche meistens ihrer eigenen Arbeit nachgehen, würden viele Kurse dann am Wochenende, als Blockseminare, stattfinden.

Worin sind diese Behauptungen begründet?
Uni-Sprecher André Zeppenfeld erklärt sie für haltlos: „An der Sicherung des anspruchsvollen Lehrangebots besteht nach Auskunft des Dekans kein Zweifel.“ Rommel und die Unterschreibenden der Petition sehen diese Wahrscheinlichkeit jedoch als so groß an, dass bereits jetzt über Klagen durch die Studierendenschaft gesprochen wird. „Das ist ein ernsthaftes Problem, das es mit allen Mitteln zu verhindern gilt“, schreibt jedoch Dagmar Hoffmann in Bezug auf das Einhalten der Regelstudienzeit.

Was wird nun gefordert?
Marcus Rommel geht jetzt in die Offensive: Zusammen mit anderen Studierenden der Medienwissenschaften organisiert er gezielt den Protest, beispielsweise mit einer Petition, die an das Rektorat übergeben werden soll. Das Ziel ist klar: Die Medienpraxis braucht mehr Geld als bisher eingeplant. „Wir fordern, die Lehrqualität so aufrechtzuerhalten, wie sie bis zum Ende des Sommersemesters 2019 bestand“, erklärt Rommel. Darin soll auch die Finanzierung der Stellen der bisherigen LfbAs enthalten sein. Der Studierendenvertreter fasst zusammen: „Es ist unser Wunsch, zu erwirken, dass die Medienpraxis in Siegen mindestens einen Lehrstuhl bekommt, eher zwei, und wir hier auch über die nächsten Jahre endlich anfangen können, konsequent, planbar und langfristig die Medienpraxis in die Lehre zu integrieren.“