Siegen. Auf dem Fischbacherberg wurde im Juni ein 47-jähriger Mann erstochen. Der Jugendliche, der mit ihm in Streit geraten war, steht nun vor Gericht.

Die Bluttat hat viele Menschen in Siegen bewegt: An der Bushaltestelle Grünberger Straße stellten sie Kerzen auf, legten Blumen und Briefe der Anteilnahme ab. Hier war wenige Tage zuvor ein Mann erstochen worden. Gegen den tatverdächtigen 16-Jährigen, der bereits kurz nach der Tat in der Nähe des Tatortes festgenommen wurde, wird seit Dienstag vor der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Siegen verhandelt.

Der Prozess

„Messer machen Mörder“ hatte Staatsanwalt Philipp Scharfenbaum vor einigen Wochen ein Plädoyer begonnen, in Anlehnung an eine Präventionskampagne in Berlin. Damals ging es um eine Messerattacke mit lebensgefährlichen Folgen für das Opfer. Seit Dienstag muss der Sauerländer wieder gegen einen mutmaßlichen Täter verhandeln, der nach seiner Überzeugung mit einem solchen Stichwerkzeug auf einen Menschen losging. Dies geschah am 20. Juni 2019 in Siegen. Am Ende gab es einen Toten.

Der Vorwurf gegen den zur Tatzeit 15-jährigen Angeklagten lautet auf Totschlag. Die Verhandlung vor der Jugendkammer des Landgerichts läuft unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ist vorläufig auf acht Tage bis Anfang Dezember terminiert.

Die Tat

Der Jugendliche soll nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft am späten Nachmittag des 20. Juni von seinem späteren Opfer an einer Bushaltestelle am Fischbacherberg in Siegen zur Rede gestellt worden sein. Vorher hatte er die Adresse des Mannes aufgesucht und dessen Frau mit üblen Beschimpfungen beleidigt. Die Reaktionen des Betroffenen sollen deutlich gewesen sein, unter anderem habe er die Hand drohend gegen den Angeklagten gehoben, wie zu einem Schlag.

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Derweil habe der Jugendliche unerkannt hinter seinem Rücken ein Messer gezogen und ausgeklappt, das er nach den Ermittlungsergebnissen ohne Vorwarnung in den Bauch seines Gegenübers (47) stieß. Bereits dieser erste Stich ist nach den ärztlichen Gutachten tödlich gewesen, wenngleich an der Leiche später noch weitere Verletzungen gefunden wurden. Trotz notärztlicher Versorgung und Einlieferung in ein Krankenhaus verstarb der Familienvater am frühen Abend.

Fischbacherberg

Der Fischbacherberg hat eine bewegte Geschichte. Wo einst die belgische Garnison lag, leben auch heute Menschen aus mehr als 40 Nationen.

In der polizeilichen Kriminalitätsstatistik liegt der Stadtteil im Durchschnitt. Von 100 Jugendlichen aus dem Stadtteil, die Sozialstunden ableisten müssen, sind 70 „Biodeutsche“.

Einige Tage vorher war es – nach Aktenlage der Staatsanwaltschaft – zwei Mal im Bus zu einem Streit zwischen dem Jugendlichen und dem Stiefsohn des später Getöteten über dessen Kopfhörer gekommen, der wohl den Anlass für die nachfolgenden Ereignisse gab.

Der Hintergrund

Der Angeklagte befindet sich in Untersuchungshaft in der JVA Wuppertal und war kurzzeitig wegen psychischer Probleme auch in einer Herborner Klinik. Die Eltern hatten bereits 2018 Erziehungshilfe für den Jugendlichen beantragt, wegen Problemen in der Schule, kleinerer Straftaten sowie Drogenmissbrauch seit dem 13. Lebensjahr. Auch am Tattag hat er möglicherweise unter Drogeneinfluss gestanden.

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Nach der Tat herrschte auf dem Fischbacherberg nicht nur Trauer und Betroffenheit. Rund um einen Trauerzug entwickelte sich auch eine von rechtspopulistischen und -radikalen Kreisen geschürte Auseinandersetzung, die dazu führte, dass die Veranstaltung unter starke Polizeipräsenz gestellt und das Mitführen von Plakaten ausdrücklich verboten wurde. Auf einer Facebookseite war sogar ein Foto des festgenommenen Tatverdächtigen verbreitet worden, dagegen wurden mehrere Strafanzeigen gestellt. Eine rechtsextreme Partei nahm den Fall zum Anlass einer Kundgebung mitten in Siegen. Die Eltern des nun angeklagten Jugendlichen, der in Siegen geboren wurde, stammen aus dem arabischen Raum.

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