Historiker ordnet Produktion von 1971 in der Reihe „Zeitzeugen auf Zelluloid“ in größeren Kontext ein. Nachforschungen ergeben Überraschendes.


Siegen. In absehbarer Zeit soll er wieder einmal im Siegerland gezeigt werden, der „Flick-Film“, erklärt Kreisarchivar Thomas Wolf im Rahmen der Reihe „Zeitzeugen auf Zelluloid im Lyz“. Dort geht es auch um diesen Film, aber mit einem besonderen Ansatz. Historiker Dieter Pfau hat einzelne Aspekte herausgegriffen, analysiert sie und arbeitet die besondere Bedeutung der Arbeit im Gesamtkontext der Filme heraus, die im Laufe der Jahre über das Siegerland entstanden sind.

Gut 50 Interessierte sind gekommen. Hintergründig ist es Pfau bei seiner „Spurensuche“ über die Hintergründe und Inhalte von „Siegerland zwischen Gegenwart und Zukunft“ um die Frage gegangen, wie die Produktion aus dem Jahre 1971 in Verbindung mit dem umstrittenen Auftraggeber zu bewerten ist.

Zusammenarbeit mit Peter Schier-Gribowsky

Sie entstand im Auftrag des Unternehmers Friedrich Flick als ein „breit angelegtes Panorama Siegerländer Wirtschafts- und Kulturgeschichte“, wie in der Ankündigung des Abends zu lesen ist. Zugleich aber sollte der Film auch das Image des Mannes aufbessern, der unter anderem in der NS-Zeit ordentlich Geld verdiente und nach dem Krieg in Nürnberg als Kriegsverbrechernicht unumstritten – aber unumstritten sehenswertverurteilt wurde.

Dieter Pfau hat sich auf die Suche nach den damaligen Beteiligten gemacht, ist dabei schon beim Autor auf für ihn überraschende Ergebnisse gestoßen. Peter Schier-Gribowsky arbeitete zu jener Zeit regelmäßig für das NDR-Magazin „Panorama“, hatte den Eichmann-Prozess in Israel begleitet und später ein kritisches Portrait des Shoah-Mitverantwortlichen produziert. Dass der für einen Mann wie Flick gearbeitet habe, sei verwunderlich, fand der Siegener Historiker zunächst, stellte dann aber auch im Siegerland-Film bemerkenswerte Hinweise fest.

Autor hatte viele Freiheiten

Da geht es um das Siegerland-Orchester, die heutige Philharmonie, und dessen besondere Beziehung zu israelischen Komponisten, und auch um die Busch-Brüder und deren Emigration. Solche kritischen Anmerkungen an der heimischen Geschichte hätten damals gerade erst begonnen und beweisen Dieter Pfau, dass Peter Schier-Gribowsky offenbar ziemlich freie Hand bei der Gestaltung des Films gehabt habe, zugleich wusste, wie weit er bei diesem Projekt gehen konnte.

Das sei auch die Folge einer vorherigen Zusammenarbeit gewesen, auf die Pfau bei seinen Nachforschungen stieß, einen ihm unbekannten früheren Film, der unter Verschluss liege. Bei den Vorbereitungen zu einer Flick-Filmbiographie von 2010 seien die Autoren auf diesen zweiten Schier-Gribowsky-Film von 1969 gestoßen, der im Konzern gut angekommen, dessen Veröffentlichung aber untersagt worden sei.

Erster Film: Verbleib unbekannt

Alle Beteiligten auch an „Siegerland zwischen Gegenwart und Zukunft“ hätten vertraglich Stillschweigen über ihre Beteiligung zusichern müssen. Dennoch konnte Pfau ein paar Einzelheiten herausbekommen, etwa dass die Produktion „Leben und Werk“ rund ein Drittel auf die NS-Zeit verwende. Wo das Original sich befinde, könne er nicht sagen.

Den bekannten „Siegerland“-Film bewertet der Historiker abschließend als modern und interessant, „auch heute noch sehenswert“. Die Sequenzen, die sich auf den vom Konzern gewünschten positiven Flick-Mythos bezögen, machten nur wenige Minuten aus. Pfau nimmt an, dass der unkritische Portrait-Film vor den historischen Veränderungen des Jahres 1969 kaum noch problemlos hätte aufgeführt werden können, während die zweite Produktion diese Einschränkungen nicht habe.

Auftraggeber war bereits recht alt

Er regt an, die gern benutzte Bezeichnung „Flick-Film“ durch „Schier-Gribowsky“-Film zu ersetzen, weil die erstere die Aufmerksamkeit völlig unnötig auf den Auftraggeber richte und heute genauso überflüssig sei, wie die frühere Bezeichnung des Kreuztaler Gymnasiums. Wahrscheinlich habe Flick selbst damals altersbedingt ohnehin wenig mit der Produktion zu tun gehabt. Die Beauftragung sei eher durch führende Mitarbeiter wie Eberhard von Brauchitsch erfolgt.


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