Deuz. Die Aktion Schichtwechsel: Menschen mit und ohne Behinderung tauschen ihre Jobs. Ein Besuch in der Deuzer Werkstatt zeigt, warum das Sinn macht.
Gar nicht so einfach. Bunte Drähte ragen aus der Ummantelung. Sie stehen in alle Himmelsrichtungen. An den Enden befestigt Marcel Heuler Endhülsen und klemmt sie mit einer speziellen Zange fest. Axel Theuer, der in seinem Alltag als Vorstandsvorsitzender bei der Sparkasse Wittgenstein eher mit großen Zahlen jongliert, guckt zu und lernt. „Jetzt wird es kompliziert“, sagt Marcel Heuler und blickt sich in der Deuzer AWO-Werkstatt um. „Noch komplizierter?“, fragt Axel Theuer. „Ja, bei uns kommt immer noch ‘ne Schippe oben drauf“, sagt Marcel Heuler und grinst.
Alles in den Kontaktstecker reinfummeln („Diese Friemelarbeit mag ich gar nicht!“) und festmachen. Marcel Heuler guckt auf Axel Theuers Hände und entscheidet: „Ich habe hier noch ein Restkabel – für Neuankömmlinge zum Üben. Ich möchte Sie ungern an das Kundenkabel lassen.“ Er ist streng aber herzlich. Theuer lacht und probiert sich am Testkabel. „Tja. Das war jetzt nichts. Das kann in den Müll“, sagt Marcel Heuler kurz darauf. Axel Theuer nimmt es sportlich. Zum Glück muss er in seinem eigentlichen Job nicht handwerken.
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Beim Projekt Schichtwechsel der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen geht es genau darum: Einen Tag wechseln Menschen mit und ohne Behinderung ihre Perspektive und tauchen in eine andere Arbeitswelt ein. Wie bei einem Tagespraktikum. Der AWO-Kreisverband Siegen-Wittgenstein/Olpe macht zum ersten Mal mit und hat die Aktion, die in Berlin entstanden ist, in die Region geholt. Zehn Unternehmen aus der Region haben sich bei der AWO gemeldet und machen mit.
Barrieren und Vorurteile abbauen
Das Projekt soll Barrieren und Vorurteile abbauen. Behinderten Menschen wird die Möglichkeit gegeben, in ein beliebiges Jobfeld außerhalb der Werkstatt zu schnuppern. Zehn AWO-Beschäftigte mit Handicap sind in diesem Jahr dabei. Unter anderem dürfen sie für einen Tag beim Buchhandel Weinaug Bücher und Papier in Netphen, der Firma NPB Veranstaltungstechnik und der Grünflächenabteilung der Stadt Siegen arbeiten. Auch bei der Initiative Anlauf Siegen sind Menschen mit Behinderung zu Gast: Sie kümmern sich um das Verschicken von Urkunden für die Teilnehmer des Firmenlaufs. Anlauf-Chef Martin Hoffmann geht aber noch einen Schritt weiter: Er bietet nicht nur einen Platz in seinem Büro, sondern packt parallel dazu in der AWO-Werkstatt selbst an. Genau wie Axel Theuer von der Sparkasse und Dr. Andreas Neumann, Geschäftsführer des AWO-Kreisverbands.
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Die drei Männer hospitieren in der Werkstatt und übernehmen einen Tag lang unter strenger Aufsicht ihrer Paten Marcel Heuler, Christian Kaufmann und Claudia Krone deren Jobs. So hilft Martin Hoffmann beim Sortieren und Verpacken von ausgestanzten Blechen, die in Übersee weiterverarbeitet werden. „Das muss alles schön gleichmäßig und stabil sein“, sagt Pate Christian Kaufmann und schaut seinem Schützling genau über die Schulter. Denn wenn die Kiste nicht akkurat gepackt ist, so Kaufmann, kommt sie zurück. Fertigungsleiter Alexander Voigt: „Hier ist die Geschicklichkeit sehr wichtig.“
Wertschätzung erfahren
Währenddessen heizt Claudia Krone ihrem Chef ein. Andreas Neumann lernt von ihr, wie eine Belüftungsanlage zusammengebaut wird. „Das sieht einfacher aus, als es ist. Die Schrauben sind sehr klein“, sagt er und befolgt ihre Anweisungen und Tipps. „Der Kunde möchte eine gute Qualität haben“, sagt Claudia Krone. Die Teile seien sehr empfindlich, jeder in der Produktionskette muss sich konzentrieren. „Aber wir sind trotzdem in der Lage, uns mit den Kollegen zu unterhalten“, sagt die junge Frau. „Wir haben auch mal unsere gecken fünf Minuten.“
Arbeit sei das Mittel, nicht der Mittelpunkt, sagt auch Alexander Voigt. Jeder werde in den Prozess eingebunden, egal welches Handicap er oder sie hat. Die Gruppenleiter lassen sich eine Lösung einfallen. Claudia Krone ist froh, dass sie für das Projekt vorgeschlagen wurde. Ihrem Chef zeigen zu können, wie es geht, sei ein tolles Gefühl. „Mit jedem Stück bekommt man mehr Routine“, sagt Neumann. Es sei viel Feinmotorik gefragt. Die Arbeiten in den Werkstätten sind vieles, aber eben nicht stumpf und monoton.
„Für das erste Mal haben Sie das toll gemacht. Ich würde Sie wieder holen, wenn mal Not am Mann ist oder keiner Bock hat“, sagt schließlich auch Marcel Heuler und bringt Axel Theuer zum Schmunzeln. Für beide ist es eine tolle Erfahrung. „Ich kann jedem nur empfehlen vorbeizuschauen. Ich fahre mit einem guten Gefühl weg.“
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