Siegen. Prozess um Messerstiche in der Siegener Hindenburgstraße: Die Verteidigung plädiert auf eine Bewährungsstrafe.
Dass der 22-jährige Angeklagte A. am 18. August 2018 in Siegen eine Schlägerei provozierte, ein Messer zog, und sein Opfer (41) mit mindestens acht Stichen schwer verletzte, ist unstrittig. Die rechtliche Einordnung bleibt aber unterschiedlich. Am Dienstagmorgen haben auch Nebenklagevertreter und die Verteidiger plädiert. Ersterer sieht wie Staatsanwalt Philipp Scharfenbaum, der auf fünf Jahre Gefängnis plädiert hatte, versuchten Totschlag als unzweifelhaft erwiesen. Die Gegenseite spricht von gefährlicher Körperverletzung, die mit höchstens zwei Jahren, zur Bewährung auszusetzender Freiheitsstrafe zu ahnden sei.
Dr. Nikolaos Gazeas muss seinen Mandanten entschuldigen, dem die persönliche Anwesenheit nun doch zu viel geworden sei. Gazeas richtet in dessen Namen die Hoffnung aus, dass die Parteien trotz allem friedlich, „wenn auch sicher nicht als Freunde“, auseinandergehen können. Verantwortlich für das Geschehen sei allein der Angeklagte, der mit seinem Verhalten beinahe eine Tragödie verursacht habe. Seinem Mandanten gehe noch immer schlecht. Er wertet die Aussagen von A.s Begleitern als fragwürdig, glaubt dem Angeklagten aber seine Reue. Er hoffe, dass A. gelernt habe, künftig keine Messer mehr mit sich zu führen: „Wir sind nicht in Mexiko oder Venezuela, wo Sie sich ständig bedroht fühlen müssen.“
Vor der Tat zweieinhalb Liter Bier getrunken
Für die Verteidiger Carsten Marx und Frank Richtberg steht fest, dass ihr Mandant nur für eine gefährliche Körperverletzung zu bestrafen ist. Auch aus Sicht des Geschädigten habe A. eine klare Gelegenheit gehabt, diesen zu töten, als dessen Kräfte nachließen und der Angeklagte sich aus der Umklammerung befreien konnte. Er habe aber bewusst nicht zugestochen, sei in dem Moment vom nicht beendeten Versuch zurückgetreten.
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Wichtiger Aspekt für Marx: A.s Alkoholgenuss. Schon am Nachmittag habe er fünf Halblitergläser Bier getrunken, sei abends quasi „knallvoll“ gewesen. Das führe nicht unbedingt zu eingeschränkter Schuldfähigkeit, aber zur schwachsinnigen Reaktion aufgrund einer Belanglosigkeit, die nicht zu seiner Persönlichkeit passe. Die Flucht in die Türkei, das Verbrennen der Kleidung seien aus Panik geschehen. A. habe sich schnell bei ihm gemeldet, bevor er wusste, „dass die Polizei seinen Namen kennt. Er wollte sich stellen und die Verantwortung übernehmen“, betont Marx. Er könne schließlich auch A.s Angst in der Kampfsituation verstehen, ob der Geschädigte ihn im Schwitzkasten hatte oder nicht. Der sei „ein Schrank“ und könne ordentlich zugedrückt haben.
Urteil wird am Freitag verkündet
Sein Kollege Richtberg geht noch ein Stück weiter. Einzig der anfängliche Rempler sorge dafür, dass dem Angeklagten keine Notwehr zugebilligt werde. A. habe sich selbst enorm belastet, Anrempeln und den ersten Schlag zugegeben. Es liege ein einmaliges Momentanversagen vor, das künftig nie wieder vorkomme. A. selbst bittet im letzten Wort das Opfer und dessen Familie noch einmal um Entschuldigung und bedauert sehr, dass der Geschädigte diese nicht selbst entgegennehmen kann. „Ich würde alles tun, um es ungeschehen zu machen. Ich wollte das nicht“, versichert der Student und hofft auf „eine Chance, mein Leben normal weiter zu leben“.
Das Gericht wird am Freitagmittag die Entscheidung verkünden.
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