Siegen-Wittgenstein. Die CDU-Kreistagsfraktion will ein Gutachten mit Perspektiven für 2030. Der Taktfahrplan auf dem Land, so deutet sich an, hat darin keine Zukunft.

Die CDU-Fraktion will den Kreistag am Freitag dafür gewinnen, ein Gutachten „ÖPNV Siegen-Wittgenstein 2030“ in Auftrag zu geben, das über die bisherigen Überlegungen zu einer Rekommunalisierung des Bus-Nahverkehrs hinausgeht.

Anlass

„Wir wollen ergebnisoffen untersucht wissen, wie ÖPNV bestens funktionieren kann“, sagt Fraktionschef Bernd Bran­demann. Vermieden sehen möchte sein Stellvertreter Hermann-Josef Droege, dass sich am Freitag eine „Zufallsmehrheit“ für den Antrag der Linken findet, die den Einstieg des Kreises in ein Verkehrsunternehmen bereits einleitet. Eine solche Entscheidung, so Droege, habe eine „erhebliche Langfristwirkung“ und „millionenschwere Konsequenzen“.

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„Alles was nicht funktioniert“, gehöre auf den Prüfstand. „Wir stehen vor einer Umbruchsituation“, sagt Hermann-Josef Droege. Bernd Brandemann nennt die monatelangen Debatten um Busausfälle und Fahrplankürzungen: „Wir brauchen einen absolut zuverlässigen ÖPNV.“ Als Verbündeten will die CDU die Bürgermeisterkonferenz gewinnen: Die Meinung der kreisangehörigen Kommunen sei „von hoher Bedeutung“, heißt es in einem Schreiben an deren Vorsitzenden, den Kreuztaler Bürgermeister Walter Kiß.

Themen

Diese Themen sollen Gegenstand für den Untersuchungsauftrag werde, der nach Vorstellung der CDU zu Jahresbeginn 2020 erteilt werden könnte – mit Ergebnissen wäre dann zum Jahresende zu rechnen:

Rekommunalisierung: „Würde das wirklich funktionieren oder nur mehr kosten?“, fragt Bernd Brandemann, der den Kreis vor der Entscheidung zwischen dem bisherigen eigenwirtschaftlichen Nahverkehr, den die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) in Privatbesitz der Wern-Gruppe auf eigene Rechnung erbringen, und künftigem gemeinwirtschaftlichen, also subventionierten Nahverkehr sieht – entweder durch ein privates oder durch ein neues, kommunales Unternehmen: „Man kann nicht das eine oder das andere verteufeln.“ Brandemann erinnert daran, dass die einst kreiseigenen VWS vor der Privatisierung jährliche Verluste in Millionenhöhe eingefahren haben. Eine Rekommunalisierung, so Hermann-Josef Droege, „führt nicht zur automatischen Behebung des Busfahrerproblems“, also dem Ausfall von Fahrten wegen Personalmangels. Noch schwebt ein Gerichtsverfahren über den Linienkonzessionen für den Kernraum, noch gibt es lediglich bis Jahresende befristete Konzessionen für das südliche Siegerland und Wittgenstein. Sollten die VWS aber ab Januar die Bedingungen für die Konzessionen erfüllen, gelten diese bis 2028. Brandemann: „Dann sind unsere Handlungsmöglichkeiten beengt.“ Ebenfalls in der juristischen Schwebe ist die Frage, ob der Kreis, wenn er denn wieder einen eigenen Verkehrsbetrieb hätte, diesen einfach so auf die Linien schicken dürfte – oder ob der sich nicht auch dem EU-weiten Wettbewerb stellen müsste.

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Angebot: Der Kernraum Siegen/Kreuztal müsse anders zu betrachten sein als die ländlichen Umlandgemeinden, meint die CDU. Hermann-Josef Droege fordert eine „viel stärkere Differenzierung“. Zu klären sei, „ob es weiter Sinn macht, mit heißer Luft durch die Gegend zu fahren.“ Unter anderem das will die CDU auch von den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern wissen: In einem Schreiben an den Kreuztaler Bürgermeister Walter Kiß, Vorsitzender der Bürgermeisterkonferenz, fragt CDU-Fraktionschef Bernd Brandemann, „in welcher Größenordnung ein eventuell rekommunalisierter ÖPNV durch die Kreisumlage zusätzlich finanziert werden sollte“ – sprich: wie viel die Städte und Gemeinden für den Nahverkehr hinblättern wollen.

Fragen an die Bürgermeisterkonferenz

Als „Vertragsverletzung“ betrachtet die CDU den „fortlaufenden Ausfall“ von Busverbindungen. In dem Schreiben an die Bürgermeisterkonferenz will die CDU wissen, ob die Städte und Gemeinden an der Umstellung auf den gekürzten „Baustellenfahrplan“ beteiligt wurden.

Wissen möchte die CDU von den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern auch, was sie von einem „Familienticket“ halten. Diese weitere subventionierte Fahrkarte (nach Schüler- und Azubi-Ticket) würde nach Darstellung der CDU allein in Siegen-Wittgenstein zwei Millionen Euro kosten.

Klimaschutz: Im Klimapaket des Bundes werde der ÖPNV „eine Rolle spielen“, sagt Bernd Brandemann. Der Kreis müsse bereit sein, zu erwartende Fördermittel abzurufen. Es müsse gelingen, mehr Fahrgäste zu gewinnen – für ein tatsächlich klimafreundliches Verkehrsmittel. Das könnten auch die von der FDP seit Monaten geforderten Wasserstoffbusse sein, die dann aber nicht nur in der Siegener Umweltzone eingesetzt werden dürften, während im Umland Dieselfahrzeuge führen, sagt Hermann-Josef Droege: „Das funktioniert nicht.“

Digitalisierung: „Wir müssen uns auf stärkere On-Demand-Verkehre einrichten“, sagt Hermann-Josef Droege. Also: auf Taxen oder andere kleine Fahrzeuge, die auf Anforderung und nicht nach Fahrplan (Droege: „Der sowieso nicht eingehalten wird“) fahren. Digitale Technik wird für die Organisation dieses Angebotes, das wohl vor allem auf dem Land den Linienbus ablösen soll, eine Rolle spielen. Vielleicht, so die CDU-Fraktionsspitzen, könnten da Siegen-Wittgenstein und Olpe sogar im Rahmen der Regionale „Pilotregion“ werden.

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