Siegen. Kurz vor den Plädoyers lässt das Gericht Zweifel durchblicken: Womöglich werden die Angeklagten „nur“ wegen Belästigung verurteilt.

Mit einem neuen Dolmetscher wird am Dienstag das Verfahren gegen zwei junge Männer fortgesetzt, denen die Anklage die versuchte beziehungsweise vollendete Vergewaltigung eines zur Tatzeit 14-jährigen Mädchens vorwirft.

Allerdings muss die Vorsitzende der 2. Großen Strafkammer als Jugendkammer, Richterin Sabine Metz-Horst, im Laufe der fast sechsstündigen Hauptverhandlung auch hier mahnende Worte sprechen. Dolmetscher seien zur Neutralität verpflichte, warnt sie den Mann, sich künftig nicht mehr in den Pausen mit den Angeklagten zum Kaffee zu setzen und gar einladen zu lassen. Inhaltlich endet dieser zweite Verhandlungstag mit einem kleinen Erfolg für die beiden Angeklagten. Ein rechtlicher Hinweis wird angekündigt, dass auch eine Verurteilung nur wegen sexueller Belästigung erfolgen könne.

Mädchen leidet weiter an Belastungsstörung

Das liegt an einigen Zeugenaussagen, letztlich aber auch der Einlassung der Nebenklägerin, die die Kammer offenbar nicht restlos von der Schwere des Geschehens überzeugt hat. Die heute 16-jährige macht ihre Aussage im Beratungszimmer, aus dem sie per Videoschaltung mit dem Gerichtssaal verbunden wird. Das Mädchen leidet unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung, die sich unter anderem in einer schweren Depression, Angstzuständen und Hautausschlägen manifestiert. Das Mädchen bestätigt, ein gewisses Interesse für den jüngeren Angeklagten T. (17) gehabt zu haben. Sie sagt, dass sie seine Küsse noch freiwillig über sich ergehen lassen zu haben. Als er versuchte, ihr die Hose auszuziehen, „habe ich Nein gesagt“.

Verliebt in späteren Angeklagten

Für das Gericht kommen Zweifel, ob T. den Widerstand tatsächlich hat erkennen können, wie sich an späteren Fragen und Anmerkungen zeigt. Dann sei der zweite Angeklagte A. (25) ins Zimmer gekommen, erinnert sich das Mädchen weiter: „Ich war nackt und habe mich erstmal mit einem Kissen bedeckt.“ Der dritte anwesende Mann S. folgte und warf seinen Freund aus dem Schlafzimmer ­hinaus.

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Die Kommissarin, die die Ermittlung geleitet hat, attestiert dem Mädchen, eine glaubwürdige Aussage gemacht zu haben. Ihre frühere beste Freundin betont die damalige Verliebtheit der 14-Jährigen in den jüngeren Angeklagten. Direkt nach dem Treffen habe sie „eine zwölfminütige Audio-Nachricht“ über den Verlauf des Abends bekommen. „Es ist einfach passiert“, soll die Freundin zu ihr gesagt haben. Die Belästigung durch A. sei erwähnt worden, aber auch noch ein Zusammensein mit ihrem „Retter“, in dessen Armen sie dann noch gelegen habe. Sie sei geschockt gewesen, „als mich einige Zeit später Mitschüler auf die Vergewaltigung ansprachen“, berichtet die ebenfalls 16-jährige Zeugin weiter. „Ich bin Deine beste Freundin, mir kannst Du alles sagen“, will sie der Nebenklägerin gesagt haben, die später unter Tränen zugegeben habe: „Es war gar keine Vergewaltigung.“

Urteil am 17. September

Sie habe ihr dann erklärt, welche Folgen eine falsche Anschuldigung haben könne. Anschließend seien mit der Absicht zur Polizei gefahren, die Anzeige zurückzunehmen. Von der Mutter der Freundin habe sie erfahren, dass es doch wieder um Vergewaltigung gehe: „Ich habe da nicht mehr durchgefunden und mich zurückgezogen“, sagt die Zeugin. Plädoyers und Urteil sind für den 17. September geplant.

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