Siegerland. Der Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein hat die neue Ausgabe der Zeitschrift „Siegerland“ veröffentlicht. Ein Thema ist der Kirchenkreis.

Der Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein hat den 96. Band seiner Zeitschrift „Siegerland“ herausgegeben – wieder ein Querschnitt aus den regionalen Themen, mit denen sich Historiker und Chronisten gerade befassen. Hier sind drei Beispiele:

Im Streit um den rechten Glauben

1. 200 Jahre Kirchenkreis. Das Jubiläum des evangelischen Kirchenkreises Siegen ist Thema von zwei Aufsätzen, die beide auf Vorträge zurückgehen: Dr. Jens Murken vom Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen hat in der Burbacher Kirche gesprochen, und Prof. Dr. Veronika Albrecht-Birkner, Theologin an der Siegener Uni, hielt ihren Vortrag in der Kirche in Müsen. Jens Murken gab einen Überblick über die 200-jährige Geschichte, die mit der Übergabe des Siegerlandes an Preußen begann: Der König ernannte sich zum obersten Bischof – ein Verständnis, das den reformierten Siegerländern, die in ihren Presbyterien ihre Pfarrer selbst wählten, völlig gegen den Strich ging.

Veronika Albrecht-Birkner, die den Konflikt der Siegerländer Reformierten mit den Lutheranern zum Schwerpunkt macht, berichtet in diesem Zusammenhang über einen Konflikt in Freudenberg: Die Gemeindeglieder wollten ihren Pfarrer auch 1831/32 selbst wählen – und bekamen eine Abfuhr von Prinz Wilhelm: Sie sollten nun „durch die That beweisen, daß ihnen der ächte evangelische Bibelglaube und durch ihn der Gehorsam gegen die Obrigkeit beiwohne“. Superintendent Bender, vom preußischen König eingesetzt, schimpfte über die „ordnungswidrige Einmischung ewiger Schwarmgeister“. Gemeint waren die Erweckten, die nun begannen, eigene Versammlungen mit eigenen Predigern abzuhalten. Dass deren „Verein für Reisepredigt“ aber von höchster Stelle genehmigt wurde, ging auch den anderen Pfarrern zu weit: „Hüten wir uns also, daß wir uns später nicht zu schämen brauchen, wenn alles wieder im Gleise ist“, schrieb einer von ihnen.

Nassau auf einen Klick

Ein weiterer Beitrag berichtet über die Rekonstruktion des Alten Dillenburger Archivs, das den Zugang zu den digitalisierten, auf Wiesbaden, Münster und Den Haag verteilten Archivalien des Hauses Nassau-Siegen ermöglicht.

Die Zeitschrift gibt es in der Geschäftsstelle des Siegerländer Heimat- und Geschichtsvereins und im Buchhandel.

Jens Murken schlägt den Bogen weiter: über die Auseinandersetzung einer Trennung von Kirche und Staat im 19. Jahrhundert, die Gründung der „Inneren Mission“, der heutigen Diakonie, nach 1848, über die Auseinandersetzung zwischen Bekennender Kirche und Deutschen Christen unter der NS-Diktatur und die stärker werdende Rolle des Kirchenkreises, der mit dem Kreiskirchenamt 1971 eine gemeinsame Verwaltung bekam, der sich nach und nach alle Gemeinden anschlossen. Noch 1976 beklagte Superintendent Ernst Dilthey, den Murken zitiert, die „gewisse Kurzsichtigkeit“, die wohl zum Teil auf die Topographie des Siegerlandes zurückzuführen sei: „Jedes Dorf sieht oft genug nur sich selbst, ohne über den Berg auf die andere Ortschaft zu sehen.“

Die Route 57 des 19. Jahrhunderts

2. Die Wittgensteiner Straße. Man könnte sie auch die Route 57 des 19. Jahrhunderts nennen, deren Geschichte Horst Grafe in dem ersten von geplanten zwei Beiträgen erzählt. Die Vorgeschichte der 1834 fertiggestellten Chaussee von Kreuztal nach Erndtebrück über die heutige Trasse von B 508 und B 62 ist nämlich auch ziemlich lang, sie reicht zurück bis 1799. Nach den ersten Plänen hätte sich die Straße zwischen Lohe und Hillnhütten geteilt. Zum einen war Dahlbruch zu sumpfig, zum anderen sollten Hütten und Hämmer auf beiden Seiten des Ferndorfbachs erschlossen werden. Dass deren Betreiber an den Kosten beteiligt werden sollten, beschleunigte das Verfahren nicht gerade. Dabei war der Druck groß: „Eine Fahrt durch das Ferndorftal muss damals bei nasser Witterung und im Winter eine wahre Tortur gewesen sein.“ Die nicht jedes Zugtier überlebt hat, wie Horst Grafe schreibt. Die Serpentinen um den Schlossberg herum sind übrigens erst eine neuere Planung. Ursprünglich sollte es vom Zollposten gerade aus hoch gehen – über den Weg, über den heute die Menschen zum Giller wandern.

Spuren eines Siegener Bildhauers

3. Hermann Kuhmichel im Netpherland. Einerseits weisen die Nazis Werke des Bildhauers aus Eiserfeld der „entarteten Kunst“ zu, andererseits sieht die Propaganda sein „Schöpfertum im Dienst der Zeit“. Wilfried Lerchstein schreibt über den Künstler, von der der Rubensbrunnen im Schlosspark stammt, der aber auch das Ehrenmal in Netphen („Und ihr habt doch gesiegt“) entworfen hat, dessen Enthüllung die NSDAP 1935 mit einem SA-Aufmarsch zum „Ehrentag für Netphen“ machte.

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Wilfried Lerchstein berichtet über Kuhmichels Arbeiten im Netpherland und nennt auch die Gedenkplatte für Jacob Schmick, den Dichter und Wissenschaftler, die auch heute noch an seinem Geburtshaus in Unglinghausen zu sehen ist. Während die Plakette mit dem Porträt von Wilhelm Weyer, dem Heimatforscher aus Dreis-Tiefenbach, verschwunden ist. Das Schicksal des anstößigen Ehrenmals ist hingegen geklärt: Es wurde 1940 als „Metallspende“ zum 51. Geburtstag des „Führers“ entsorgt. Ohne allzu großes Bedauern.

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