Netphen. .

Immer noch frisch poliert wirkt der goldene Reichsadler auf dem Denkmal, das gegenüber dem Netphener Amtshaus an die Toten des Krieges von 1870/71 erinnert. Von dem anderen Denkmal, das vor dem kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert errichteten Verwaltungsgebäude aufgestellt wurde, fehlte indes lange Zeit jede Spur.

Dabei fand das Werk des Siegener Bildhauers Hermann Kuhmichel weit über Netphen hinaus Beachtung: Es war das erste Denkmal in Deutschland, das die Toten der Nazi-Bewegung gleichrangig mit den im ersten Weltkrieg umgekommenen deutschen Soldaten würdigte. „Getreu bis in den Tod“, stand auf dem Sockel mit der Plastik von zwei Männern im – wie es die NSDAP-Presse nannte – „feldgrauen und braunen Ehrenkleid“, geziert von Eisernem Kreuz und Hakenkreuz.

Die Postkarte des Denkmals, die Bernd Kühn, Vorsitzender des Heimatvereins Netpherland, jetzt entdeckt hat, lässt keinen Zweifel an der beabsichtigten Botschaft: „Und ihr habt doch gesiegt!“ Netphen, so heißt es auf der Rückseite, habe „das erste Ehrenmal Deutschlands, das die Verbundenheit des Frontkämpfers 1914-18 mit dem Kämpfer der deutschen Revolution versinnbildlicht“. Am 20. Januar 1935 wurde es in Netphen „eingeweiht“ – gut vier Jahre bevor Hitler, den auch die Agitation gegen den Versailler Friedensvertrag nach der deutschen Kapitulation von 1918 an die Macht trug, den zweiten Weltkrieg begann.

Sohn von Wilhelm IIkam zur „Einweihung“

Von Hermann Kuhmichel, dem in Eiserfeld geborenen Bildhauer, sind eine Reihe prominenter Arbeiten erhalten: sein „Soldat“ am Ehrenmal der Kriegsopfergedenkstätte in Gosenbach, seine Skulpturen in Geisweid, sein Rubensbrunnen im Park des Oberen Schlosses. Das Netphener Denkmal gehört nicht dazu, das immerhin durch Prinz August Wilhelm von Preußen „geweiht“ wurde – der Sohn des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II war seit 1929 NSDAP-Mitglied und SA-Gruppenführer.

Auf einer ganzen Seite berichtete die Siegener Nationalzeitung über den „Ehrentag für Netphen“, den die Netphener letztlich ihrem Bürgermeister Otto Hagedorn verdankten, dessen Vorgänger Andreas Vomfell von den Nazis 1933 aus dem Amt getrieben worden war. Hagedorn habe „gleich in den ersten Tagen“ Platz für das Denkmal geschaffen, in dem er den Stauweiher vor dem Amtshaus zuschütten ließ – damals durchzogen noch Mühlengräben das Gelände.

„Auf der Talstraße marschiert das junge Deutschland heran“, heißt es in dem Bericht über jenen Mittag des 20. Januar 1935, in dem neben rund 3000 „Zivilisten“ mehr als 4000 SA-Männer aus ganz Deutschland als Teilnehmer erwähnt werden. „Endlich trifft der Prinz ein. Böller und erhobene Hände grüßen ihn. Mit netten Worten heißt Else, das kleine flachsblonde Jungmädel, den erfreuten Gruppenführer willkommen.“ Nach dem Aufmarsch wird ein „vaterländisches Festspiel“ geboten: „Acht Bilder zeigen in ergreifender Weise den Heldentod unserer Krieger, die Versklavung durch den Versailler Vertrag, Deutschlands Wiederaufstieg und eine Mahnung an Deutschlands Jugend.“ Darsteller waren die Bewohner des Beienbacher Arbeitsdienstlagers.

Heute befinden sich da, wo die Nazis ihre „Sieger“ feierten, die in den 1970er und 2000er Jahren entstandenen Rathausneubauten und ein Parkplatz. Für das Gedenken an die Opfer der beiden Weltkriege haben die Netphener Ortsvereine 1990 ein neues Mahnmal auf dem ehemaligen Gerbereiplatz errichtet. Ein Gedenken an „alle Opfer“, wie es im Text auf der Bronzeplatte heißt.